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# taz.de -- Nach Hanau-Gedenken in Chemnitz: Polizei wirft Blumen und Kerzen weg
> Direkt nach einer Demo für Opfer des Anschlags warfen Polizisten Blumen
> und Kerzen in den Müll. Das wollen sie der Anmelderin sogar in Rechnung
> stellen.
Bild: Aus Sicht der Polizei nicht „ordnungsgemäß“: Zeichen der Trauer
Berlin taz | Es sind irritierende Bilder [1][am vierten Jahrestag des
Anschlags von Hanau], bei dem ein Rechtsterrorist aus rassistischen Motiven
neun Menschen ermordete – und danach auch seine Mutter und sich selbst
umbrachte. Am Montagabend wollte die Initiative „Chemnitz Nazifrei“ ein
würdevolles Gedenken mit Schweigeminuten und Redebeiträgen veranstalten –
doch die Polizei störte dieses im Nachgang der Kundgebung.
Denn noch vor den Augen von Teilnehmer*innen der Gedenkkundgebung in
Chemnitz räumten am Montagabend Polizisten niedergelegte Kerzen und Blumen
weg, schmissen diese in den Müll, [2][wie auch ein Video belegt]. Auf dem
sammeln vier Beamte stumpf die Gegenstände ein und nehmen sie mit – zuvor
hatten sie laut „Chemnitz Nazifrei“ bei der Anmelderin der Kundgebung
angerufen und angekündigt, die Entsorgung in Rechnung zu stellen.
„Wir sind wütend!“, hieß es anschließend [3][auf X, ehemals Twitter, von
„Chemnitz Nazifrei“]. „Wie würdelos ist es, die Blumen und Kerzen, die an
ermordete Menschen erinnern sollen, noch an ihrem Todestag in den Mülleimer
zu schmeißen?“
Am Dienstagmorgen äußerte sich erstmals die Polizei auf X zu den auch dort
samt Video veröffentlichen Vorwürfen von „Chemnitz nazifrei“. Man habe die
Auflagen durchgesetzt: „Die Versammlungsleiterin hätte nach Beendigung der
Demo den Platz im ordnungsgemäßen Zustand hinterlassen müssen.“
„Ordnungsgemäß“ heißt bei der Polizei Chemnitz offenbar: ohne Mahnung an
rechtsterroristische Morde, an denen auch Staat und Polizei Verantwortung
tragen.
## Polizeiversagen in Hanau
Denn besonders betroffen macht die Szene, weil die Polizei nicht zuletzt
beim Anschlag von Hanau selbst eine katastrophale Rolle abgab. So waren in
Hanau 13 SEK-Polizeibeamten im Einsatz, die [4][Teil einer rechtsextremen
Chatgruppe waren]. Die Polizei soll am Anschlagsort, einer Shisha-Bar,
angeordnet haben, dass der [5][Notausgang verschlossen bleibt], damit bei
der nächsten Razzia niemand abhauen könnte. Das Ergebnis war, dass keines
der Anschlagsopfer fliehen konnte.
Auch der Polizeinotruf in der Tatnacht [6][war nicht ausreichend besetzt] –
den Täter verlor die Polizei [7][bei der Fahndung aus den Augen]. Kurzum:
Die Polizei hat versagt. Hinzu kommt, dass die Beamten teils absolut
[8][unwürdig mit den Angehörigen der Opfer umging] und der Täter eine
Waffenbesitzkarte hatte, obwohl er bereits vor der Tat mehrfach psychisch
auffällig geworden ist.
Entsprechend aufgebracht war im Anschluss auch die Anmelderin der
Chemnitzer Kundgebung, eine Aktivistin der „feministischen
antifaschistischen Jugendaktion“. Sie sagte der taz: „Durch die Polizei
hätten in Hanau noch mehr Menschen gerettet werden können, wenn der
Notausgang oder der Notruf nicht blockiert gewesen wären. Dass die gleiche
Polizei nun den Gedenkort räumt, ist absolut empathielos.“
Zudem seien die Auflagen bei einer zeitgleich in der Nähe befindlichen Demo
der rechtsextremen Kleinpartei [9][Freie Sachsen] nicht so rigoros
durchgesetzt worden – etwa die Begrenzung des Lärms der Partei, welcher
Redebeiträge der Hanau-Kundgebung gestört habe. Die Aktion der Polizei sei
umso schockierender, weil auch die Freien Sachsen regelmäßig Kerzen um die
Ecke am Rathaus abstellten, so die Aktivistin. „Die dürfen allerdings
stehen bleiben – das wird von der Polizei geduldet.“
Dabei hat die Anmelderin nach eigener Auskunft vor der Kundgebung sogar mit
der Polizei abgesprochen, dass man Blumen und Kerzen niederlegen wolle –
die Polizei habe das in Ordnung gefunden. Am Ende habe man den Großteil
wieder weggeräumt, sich aber bei der Auflösung der Versammlung dazu
entschlossen, ein paar Blumen sowie neun Kerzen für die Opfer als
„temporären Gedenkort“ stehen zu lassen.
Danach sei die Polizei zu verbliebenen Teilnehmer*innen gekommen und
habe gesagt, dass sie diese Kerzen und Blumen wieder entsorgen sollten. Die
Anmelderin, die zu diesem Zeitpunkt schon weg war, bekam einen Anruf von
der Polizei. „Ich sollte sämtliche Kerzen und Blumen innerhalb von 15
Minuten entfernen, sonst schicken sie mir eine Rechnung, hieß es.“ Als sie
sich weigerten, den temporären Gedenkort zu entfernen, sahen ihre Freunde,
wie die Polizei alles recht rabiat wegwarf – Kerzen seien zerbrochen,
Blumen kaputt gegangen.
Auf taz-Anfrage fiel die Reaktion der Polizei – wohl auch aufgrund der
großen Empörung auf „X“ – dann doch anders aus als auf der Onlineplattf…
Nun ruderten die Beamten etwas zurück. Zwar sei der Versammlungsort sauber
zu verlassen. Die Blumen und Kerzen zu entfernen, sei aber „insbesondere
mit Blick auf das Versammlungsthema nicht angemessen“, hieß es auf Anfrage.
Man werde den Einsatz mit „dem verantwortlichen Beamten nachbereiten“,
sagte Polizeihauptkommissarin Jana Ulbricht der taz. „Eine
Rechnungsstellung wird seitens der Polizei nicht erfolgen.“
Ahmed Béjaoui, Vorstand der Grünen Chemnitz, der ebenfalls an der Demo
teilnahm, sagte der taz: „Es war pietätlos, dass die Polizei Kerzen und
Blumen vor den Augen der Teilnehmer*innen in den Müll schmeißt.“ Die
sächsische Polizei fordere immer Respekt von Migrant*innen – im Gegenzug
müsse sie dann aber auch „unsere Gedenktage respektieren“, so Béjaoui.
Seine Kritik gelte aber nicht für die gesamte Polizei. So hätten die
Beamten das Gedenken – abgesehen vom Lärm – immerhin gut vor der zeitgleich
stattfindenden Demo der Freien Sachsen geschützt.
20 Feb 2024
## LINKS
[1] /Rassistischer-Mordanschlag-von-2020/!5992958
[2] https://twitter.com/_C_Nazifrei/status/1759681230474272979
[3] https://twitter.com/_C_Nazifrei/status/1759681230474272979
[4] https://19feb-hanau.org/2021/06/16/pressemitteilung-13-der-19-rechtsextreme…
[5] /Hanau-und-das-Staatsversagen/!5990146
[6] https://www1.wdr.de/daserste/monitor/extras/pressemeldung-hanau-100.html
[7] https://www.hessenschau.de/panorama/gutachten-zu-hanau-anschlag-die-polizei…
[8] /Verdaechtige-SEK-Beamte-in-Hanau/!5777286
[9] /Freie-Sachsen-heizen-Coronaprotest-an/!5820715
## AUTOREN
Gareth Joswig
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
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Julian Assange
Kolumne Starke Gefühle
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Schwerpunkt Rechter Anschlag in Hanau
Schwerpunkt Demos gegen rechts
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