# taz.de -- Mehr intakte Natur in Europa: Meere, Moore und Massenproteste | |
> Endlich bekommt die EU ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur. | |
> Umweltschützer sprechen von einem Meilenstein, Landwirte sind erbost. | |
Bild: Bauernprotest Montagabend in Brüssel | |
BERLIN taz | Dienstag war der Tag der erleichterten Umweltschützer: Nach | |
fast zwei Jahren harten Verhandlungen hat das Europaparlament diese Woche | |
das Gesetz zur Wiederherstellung der Natur, das „Nature Restauration Law“, | |
angenommen. Damit kann eines der zentralen Vorhaben des europäischen Green | |
Deal der EU-Kommission im Frühsommer in Kraft treten. Die Mitgliedsländer | |
müssen es innerhalb der nächsten zwei Jahre umsetzen. [1][Das | |
Abstimmungsergebnis sei ein „wichtiger Sieg für Vernunft, Wohlstand und | |
Zukunft, den auch die Last-Minute-Attacke der Europäischen Volkspartei von | |
Manfred Weber nicht verhindern konnte]“, sagt Raphael Weyland, Leiter des | |
Nabu-Büros in Brüssel. | |
Nun müsse das Gesetz „unter Einbeziehung der Landbesitzer:innen und | |
-nutzer:innen umgesetzt werden“, sagt die EU-Abgeordnete der Grünen, | |
Jutta Paulus. Für Moore bedeutet dies etwa, dass bis zum Jahr 2030 ein | |
Drittel der für die Landwirtschaft entwässerten Moorflächen restauriert | |
werden müssen, ein Viertel davon wiedervernässt. Für Franziska Tanneberger, | |
Leiterin des Greifswald Moor Centrums, heißt das: „Wir müssen und können | |
jetzt zeigen, dass Landwirtschaft auf nassen Moorböden möglich ist.“ Kein | |
Landwirt solle von seinem Betrieb verdrängt werden. | |
„Wir haben so viele Anfragen aus der Zellstoff- und Bauindustrie“, sagt | |
Tanneberger, „die sehen in Produkten etwa aus Schilf ein großes Potenzial“, | |
so die Biologin, „es wird uns gelingen, dass sowohl Landwirte als auch die | |
Gesellschaft einen Mehrwert aus wiedervernässten Mooren gewinnen.“ Klar | |
sei, dass alle Vorhaben zum Schutz von Klima und Biodiversität nur | |
gelängen, wenn die Entwässerung der Moore im großem Umfang gestoppt wird. | |
Bundesumwelt- und Landwirtschaftsministerium förderten daher jetzt über | |
zehn Jahre sieben großflächige Modellprojekte in Norddeutschland und eins | |
in Bayern, in denen Flächen wiedervernässt und mit Paludikultur | |
bewirtschaftet werden. Dort wird mit Pflanzen und Tieren gearbeitet, die | |
mit dauerhaft nassen Standorten sehr gut zurechtkommen. | |
## Meere in desaströsem Zustand | |
Auch für die Meere sei das Wiederherstellungsgesetz eine große Chance, sagt | |
Caroline Schacht, Meeresexpertin des WWF. „80 Prozent der europäischen | |
Meere sind in desaströsem Zustand“, so Schacht, „daran haben alle Maßnahm… | |
der letzten 20 Jahre nichts geändert.“ Das neue Gesetz spanne einen ganz | |
neuen Rahmen und beziehe etwa fischereipolitische Maßnahmen ein. | |
[2][Wichtig sei nun vor allem, den Zustand der Küstenregionen von Nord- | |
oder Ostsee zu verbessern.] „Die übermäßigen Stickstoffeinträge der | |
Landwirtschaft dort schaffen Todeszonen“, sagt Schacht, „das müssen wir | |
beenden.“ Außerdem müssten Laichgebiete etwa von Hering und Dorsch | |
geschützt werden „Das Meer wird immer mehr zum Industriegebiet, die Pläne | |
zum Ausbau der Windenergie oder zur Speicherung von Kohlendioxid erhöhen | |
den Druck.“ Es müsse sichergestellt werden, dass es genügend Platz für den | |
Schutz der Meere gebe und nicht nur geschützt werde, was übrig bleibt. | |
Zudem sollen auf 20 Prozent der Landflächen Renaturierungsmaßnahmen | |
durchgeführt werden. Wenig konkret heißt es, dass die Mitgliedstaaten | |
„geeignete und wirksame Maßnahmen“ ergreifen sollen, um etwa | |
Bestäuberpopulationen wie Schmetterlinge und Wildbienen zu erhalten. | |
Solcherlei Vorgaben bringen derzeit die Landwirte europaweit auf die | |
Straßen. Am Montagabend waren deren Proteste in Brüssel eskaliert, die | |
Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Insgesamt 900 Traktoren | |
blockierten die Straßen im EU-Viertel, Protestierende setzten Reifen in | |
Brand, schütteten Gülle auf die Straße und beschossen Polizisten mit | |
Pyrotechnik. | |
27 Feb 2024 | |
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## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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