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# taz.de -- Entscheidung über neuen Nationalpark: Showdown in Ostwestfalen
> Nordrhein-Westfalen streitet über die Einrichtung eines zweiten
> Nationalparks. Wissenschaftler fordern derweil mehr Naturschutz.
Bild: Er könnte es sich gut gehen lassen in einem neuen Nationalpark: Europäi…
Potsdam taz | Ein gutes halbes Jahr vor der nächsten Naturschutz-Konferenz
der Vereinten Nationen haben 64 Wissenschaftler:innen die zehn
„Must-Knows“ der Biodiversitätsforschung veröffentlicht. Diese wichtigsten
Erkenntnisse des Leibniz-Netzwerks Biodiversität sollen zudem die Nationale
Biodiversitätsstrategie befeuern, die demnächst verabschiedet wird. Erste
Forderung: Klima- und Biodiversitätsschutz gemeinsam verwirklichen.
„Klimapolitik muss vom Schutz der Biodiversität her gedacht werden“, sagt
Leitautorin Kirsten Thonicke vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung.
So könnten 40 Prozent der Treibhausgasemissionen des Landwirtschaftssektors
durch Wiedervernässung der Moore reduziert werden.
Ein weiteres Must-know: Unbekannte Artenvielfalt erhalten. „90 Prozent der
Biodiversität kennen wir nicht“, sagt Sibylle Schroer vom Berliner
Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei. Wichtig sei es,
die Funktionsweise von Ökosystemen zu schützen – und damit auch Tiere,
Pflanzen oder Mikroorganismen, „die im Boden oder bei Nacht vom Menschen
unentdeckt leben“, sagt Schroer.
Einen besonderen Stellenwert nehmen Land- und Forstwirtschaft ein. Die
Wissenschaftler fordern, die vielfältige Nutzung von Waldökosystemen mit
dem Schutz der Biodiversität in Einklang zu bringen und die Agrar- und
Ernährungssysteme zu transformieren. Dass sie damit auf eine Bauernschaft
treffen, die von Transformation gerade wenig wissen will, ist ihnen klar.
„Auch die Landwirte sind eine heterogene Gruppe“, sagt Jens Freitag vom
Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in
Gatersleben, man sehe sie als Partner.
Der Natur mehr Raum geben – darüber wird am Montag in Nordrhein-Westfalen
entschieden. Auf den Tagesordnungen der Kreistage Paderborn und Höxter
steht die Frage, ob es künftig in der Gegend einen Nationalpark geben soll.
Die schwarz-grüne Landesregierung hatte die Forderung nach einem zweiten
Nationalpark nach der Eifel seinerzeit in ihren Koalitionsvertrag
geschrieben. Bislang findet sich aber keine Region, die solch ein streng
geschütztes Gebiet auf ihrer Fläche will. Nachdem einige infrage kommende
Landkreise gleich abgewinkt haben, stehen noch das Eggegebirge östlich von
Paderborn, der Reichswald am Niederrhein bei Kleve sowie der Rothaarkamm
[1][im Kreis Siegen-Wittgenstein im Südosten NRWs] zur Debatte.
Dort ist gerade ein Online-Dialogforum zu Ende gegangen, in dem Befürworter
und Gegner ihre Argumente austauschen konnten. Das Interesse war allerdings
gering. Auch der ländlich geprägte Kreis Höxter hatte sich gegen einen
„Nationalpark Egge“ ausgesprochen. Doch erfolgreiche Bürgerbegehren in
Höxter und in Paderborn setzen das Thema jetzt wieder auf die Agenda.
Sollten die beiden Kreistage sich gegen die Bewerbung entscheiden, wird es
Bürgerentscheide geben. Sie sind – bei einem positiven Votum – bindend. Die
Kreise müssten sich dann beim Land um die Einrichtung eines Nationalparks
in der Egge bewerben.
## 12.000 Hektar für den Nationalpark
Das Eggegebirge mit seinen Buchen- und Eichenwäldern liegt östlich von
Paderborn. Verformungen der Erdkruste und die Eiszeiten haben ihm eine
besondere Form gegeben: Auf einer Strecke von 48 Kilometern säumen im Osten
des Mittelgebirges große Felsblöcke die Hänge. „Diese wilden und
unzugänglichen Flächen sind niemals vollständig forstwirtschaftlich
bearbeitet worden“, sagt der Biologe und Landschaftsplaner Günter
Bockwinkel, der Naturschutzverbände und Nationalpark-Befürworter fachlich
berät.
Als Nationalpark infrage kommen rund 12.000 Hektar in dem Gebiet. Sie
gehören dem Land NRW und sind schon jetzt zu 70 Prozent Naturschutzgebiet
und nach der europäischen Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie geschützt, doch
dieser Schutzstatus reiche nicht aus, sagt Bockwinkel. „Bislang sind dort
nur 10 Prozent aus der Nutzung genommen, nach wie vor stehen auf 90 Prozent
der Fläche ökonomische Interessen im Mittelpunkt“, so der Biologe, „in
einem Nationalpark würden 75 Prozent dem Prozessschutz unterliegen, dort
könnte sich der Wald eigenständig entwickeln“.
Außerdem verbinde die Egge Naturräume wie das Sauerland mit dem
Weserbergland und dem Harz. Wildkatzen könnten in diesem Biotopverbund
wandern, die verschiedenen Populationen sich genetisch austauschen. In
Höhlen lebten Fledermäuse wie das große Mausohr und die
Bechsteinfledermaus. Weitere interessante Lebensräume seien mehrere hundert
Quellen und zahlreiche Moore, in denen Feuersalamander, Libellen und
Sonnentau lebten.
Eduard Gockel, stellvertretender Vorsitzender des landwirtschaftlichen
Kreisverbandes Paderborn, sieht keine Vorteile in einem Nationalpark. „Es
sind fast 95 Prozent der zu schützenden Ziele erreicht“, sagt Gockel, „die
fehlenden 5 Prozent werden ganz teuer erkauft“. Ein Nationalpark gleiche
einer Enteignung – die Bevölkerung vor Ort, das bislang umsichtig
wirtschaftende staatliche Forstamt – sie verlören den Einfluss auf das
Gebiet. Bis Ende Juni können sich Kreise und Städte für einen zweiten
Nationalpark in NRW bewerben. [2][Bis zum nächsten UN-Naturschutzgipfel]
sind es dann noch vier Monate.
18 Mar 2024
## LINKS
[1] /Naturschutzgebiet-in-NRW/!5900233
[2] /Arten-sterben-weiter/!5978473
## AUTOREN
Heike Holdinghausen
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