# taz.de -- Bundesregierung gibt Agrarlobby nach: Bauern dürfen auf Brache ver… | |
> Die Bundesregierung beschließt, dass Landwirte 2024 keine Äcker der Natur | |
> überlassen müssen. Das schade der Artenvielfalt, sagen Umweltschützer. | |
Bild: Stillgelegte Ackerfläche mit blühenden Bienenweiden und Margeriten | |
BERLIN taz | Die Bundesregierung verzichtet angesichts der | |
[1][Bauernproteste] auf die Vorschrift, dass Agrarsubventionsempfänger 4 | |
Prozent ihrer Ackerfläche der Natur überlassen müssen. Deutschland werde | |
diese von der EU gestattete Ausnahmemöglichkeit nutzen, bestätigte das | |
Landwirtschaftsministerium am Donnerstag. Damit müssen Bauern für die | |
wichtigste Subventionsart, die EU-Direktzahlungen, in diesem Jahr kein Land | |
für Brachen, Blühstreifen oder Bäume zur Verfügung stellen. Das verschaffe | |
den Landwirten „zusätzliches Einkommen“, sagte Agrarminister Cem Özdemir | |
(Grüne). Eine Kompensation etwa durch zusätzliches Geld für | |
Umweltleistungen von Landwirten ist [2][Fachmedien] zufolge nicht | |
vorgesehen. | |
Die EU hatte die „nicht produktiven“ Flächen ursprünglich ab 2023 | |
vorgeschrieben, weil sie Rückzugsräume zum Beispiel für vom Aussterben | |
bedrohte Tierarten wie das Rebhuhn sind. Zudem dienen sie als Puffer, die | |
Pestizid-Abdrift von den Feldern verhindern, und wirken sich positiv auf | |
die Bodenfruchtbarkeit aus. Doch wegen der Sorgen über zu hohe | |
Getreidepreise infolge des Ukraine-Kriegs wurde das Inkrafttreten der | |
Vorschrift 2023 verschoben. Nach den jüngsten Bauernprotesten ermöglichte | |
die EU den Mitgliedstaaten, auf die Regel auch 2024 zu verzichten. Bis | |
Donnerstag mussten die Regierungen der Kommission mitteilen, ob sie davon | |
Gebrauch machen wollen. | |
Die [3][Ausnahmeregelung] sieht vor, dass Landwirte als Ersatz für die | |
Brachen auf 7 Prozent ihrer Ackerfläche Hülsenfrüchtler wie Linsen, Erbsen | |
oder Bohnen und/oder Zwischenfrüchte ohne Pestizide anbauen müssen. | |
Letztere sind Pflanzen, die in der Zeit zwischen zwei Hauptkulturen | |
wachsen. Hülsenfrüchtler binden Stickstoff und erhöhen so die | |
Bodenfruchtbarkeit. | |
„Die Bundesregierung hat verstanden, dass wir Bauern keine weitere | |
Benachteiligung und damit Schwächung der Wettbewerbsfähigkeit akzeptieren | |
werden“, lobte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes, Joachim | |
Rukwied. Er forderte, noch mehr Abstriche beim Umweltschutz zu machen: „Wir | |
erwarten, dass die Wettbewerbsgleichheit auch bei zukünftig anstehenden | |
politischen Entscheidungen berücksichtigt wird.“ | |
## Kein Öko-Ausgleich | |
Umweltschützer dagegen waren sich einig in ihrer Kritik. Der Beschluss der | |
Bundesregierung sei ein „ökologischer Rückschritt ohne fachliche | |
Begründung, der allen wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Natur- und | |
Klimakrise widerspricht“, teilte der Naturschutzbund (Nabu) mit. Der WWF | |
kritisierte: „Die Ampelregierung rennt den Populisten hinterher und spielt | |
mit der Ernährungssicherheit von morgen. Denn letztlich braucht die | |
Landwirtschaft artenreiche und somit stabile Ökosysteme.“ Für Greenpeace | |
ist der Beschluss „auch ein fatales Zeichen an die Landwirtschaft: | |
radikaler Protest und Einschüchterungsversuche werden belohnt.“ | |
Die ökologisch orientierte Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft | |
(AbL), die vor allem kleine und mittlere Höfe vertritt, monierte, dass die | |
Bundesregierung einen Ausgleich für die „Aufweichung des Umwelt- und | |
Klimaschutzes“ vertagt habe. Die Minister für Landwirtschaft und Umwelt, | |
Cem Özdemir und Steffi Lemke, hätten sich vergangene Woche darauf | |
verständigt, im Gegenzug neue „Öko-Regelungen“ aufzulegen, bei denen | |
Landwirte extra Subventionen für Umweltleistungen bekommen. Mit dem Geld | |
könnten zum Beispiel Zuschüsse für Bauern finanziert werden, die ihre | |
Milchkühe auf der Weide halten. | |
Dafür wäre aber die Basisprämie gekürzt worden, die alle Zahlungsempfänger | |
pro Hektar Land erhalten, weitgehend egal, wie umweltfreundlich oder | |
-schädlich sie darauf wirtschaften. Die FDP wollte dieser Kürzung nicht | |
zustimmen. Schließlich habe Kanzler Olaf Scholz (SPD) die beiden grünen | |
Minister überstimmt und sich „auf die Seite der Agrarindustrie und | |
Ernährungswirtschaft geschlagen“, so die AbL. | |
29 Feb 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Bauernproteste-in-Deutschland/!5982726 | |
[2] https://www.agrarheute.com/politik/pflichtbrache-oezdemir-setzt-stilllegung… | |
[3] https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/IP_24_582 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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