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# taz.de -- Falk Richter über queeres Empowerment: „Fuck you! Ich mache, was…
> In jungen Jahren musste Falk Richter verstecken, dass er schwul ist.
> Heute ist er ein gefragter Theatermacher, der sich mit Familie, Provinz
> und der Neuen Rechten auseinandersetzt.
Bild: Falk Richter in dem Bühnenbild seines neuen Stückes
Für das Treffen hat Falk Richter eine für Prenzlauer Berg typische Bäckerei
rausgesucht. Es gibt selbstgebackenes Brot aus Natursauerteig, Musik dudelt
aus den Boxen. Richter, der mit seinem autofiktionalen Stück [1][„The
Silence“] gerade zum [2][Theatertreffen] eingeladen wurde, gibt
ausführliche Antworten, ab und zu vergewissert er sich, ob er nicht zu sehr
vom Thema abgekommen ist. Nach einer Stunde fragt er: „Noch einen Kaffee?“
wochentaz: Herr Richter, Sie sind in einer bürgerlichen Kaufmannsfamilie in
den 70er und 80er Jahren in Niedersachsen groß geworden. Wie sind Sie zum
Theater gekommen?
Falk Richter: Ich bin als 14-Jähriger mit der Schulklasse in eine
kontrovers diskutierte Inszenierung von Peter Zadek im Hamburger
Schauspielhaus gegangen. Zadek war damals dort Intendant und total verhasst
beim Bürgertum.
Warum wurde sie so kontrovers diskutiert?
Ilse Ritter und Eva Mattes haben ein lesbisches Paar gespielt. Mich hat
damals total beeindruckt, dass so etwas überhaupt zeigbar ist. Kurze Zeit
später habe ich mit anderen bei mir am Gymnasium eine Theatergruppe
gegründet, mit der wir zeitgenössische Stücke von Franz Xaver Kroetz,
Hildesheimer, ja sogar von Handke aufgeführt haben.
Waren Sie ein rebellischer Teenager oder eher ein angepasster?
Ich war sehr rebellisch. Ich hatte viel Streit mit meinen Eltern, weil ich
komplett anders leben wollte als sie. Es waren ja die 80er in einer
Kleinstadt, und ich habe bereits mit 14, 15, angedeutet, dass ich schwul
bin. Und dann wollte ich auch noch Theater machen! Mein Coming-out als
Künstler war interessanterweise gleich schlimm für meine Eltern wie mein
Coming-out als homosexueller Mann. Für sie hieß Künstler sein: Der wird uns
auf der Tasche liegen. Und bei Homosexualität hat man damals sofort an Aids
gedacht.
Haben Sie irgendwann gesagt: Mama, Papa, ich bin schwul?
In meiner Familie wurde beim Abendbrot immer viel diskutiert. Und da habe
ich probehalber eine bisexuelle Vision von mir entworfen. Allein das war
schon total shocking für meine Eltern, aber da haben sie vermutlich noch
gedacht: Na ja, der redet nur. Doch dann hatte ich meinen ersten Freund und
das war dann nicht mehr so witzig.
Inwiefern?
Meine Eltern haben versucht, die Beziehung zu unterbinden. Sie wollten
meinen damaligen Freund sogar verklagen, weil er volljährig war und ich
nicht. Und als ich meinem Vater nicht verraten wollte, wie mein Freund hieß
und wo er wohnte, ist er auf mich losgegangen und hat mich verprügelt.
Wie ging es weiter?
Danach habe ich vor meinen Eltern so getan, als sei ich nicht schwul. Aber
mit 18 habe ich dann gesagt: Fuck you all! Jetzt mache ich, was ich will.
Wie haben Sie dieses Versteckspiel ausgehalten?
So wie viele queere Teenager. Ich habe nach außen ein „normales“ Leben
performt und mein Begehren heimlich ausgelebt. Ich habe sehr viel schwule
Literatur gelesen: Fassbinder, Pasolini, Jean Genet und bin mit der S-Bahn
nach Hamburg in queere Clubs, zum Beispiel das legendäre „Front“, wo ich
mir die Nächte um die Ohren gehauen habe.
Sie sagten, dass Aids zu Ihrer Zeit ein großes Thema war.
Es war furchtbar.
Hatten Sie Angst?
Klar. Damals hat man ja noch geglaubt, dass nur schwule Männer davon
betroffen sind und selbst ein Kuss tödlich sein kann. Und das alles zu
einer Zeit, in der ich gerade meine Sexualität entdeckte. Dabei soll Sex ja
eigentlich etwas Lustvolles, Befreiendes sein.
Ist damals jemand aus Ihrem Freundeskreis an Aids gestorben?
Von meinen gleichaltrigen Freunden glücklicherweise niemand, aber ich hatte
damals einen zehn Jahre älteren Freund, einen Fotografen, der für meine
ersten Theaterprojekte die Fotos gemacht hat, und der war HIV positiv. Ich
weiß noch, dass er jede Menge Tabletten nehmen musste, die wahnsinnig viele
Nebenwirkungen hatten. Kurz bevor er gestorben ist, hat er uns alle zu
seiner Abschiedsfeier eingeladen.
Sie sind mit 18 nach Hamburg gegangen und haben dort zunächst als
Zivildienstleistender gearbeitet. War die Provinz so unerträglich?
Ja. Ihre Fantasielosigkeit und dieser Konformitätsdruck, der andere
Lebensentwürfe einfach nicht zulässt.
Wieso leben dennoch viele gerne dort?
Weil man dort Teil einer Gemeinschaft ist, in der die Regeln einfach sind:
Halte den Rasen kurz, gib dich unauffällig, sei freundlich, höflich, nett.
Die meisten sind weiß, sprechen Deutsch, haben einen geregelten Job, zwei
Kinder. Es ist der alte Traum von der heilen Familie.
Sie haben an der Hochschule für Musik und Theater in Hamburg Regie
studiert. Wie haben Ihre Eltern reagiert, als Sie angenommen wurden?
Ich erinnere mich noch, wie ich nach der Zusage von einer Telefonzelle aus
meine Mutter angerufen habe. Ich war überglücklich, doch sie reagierte
entsetzt und fragte: Kann man da auch einen Doktor machen? Aber mit den
ersten Erfolgen sind meine Eltern umgeschwenkt und fanden meine
Theaterarbeiten plötzlich ganz toll.
Sie haben während Ihres Studiums erste eigene Stücke uraufgeführt. War die
Inszenierung eigener Stoffe an Ihrer Schule üblich?
Nein, überhaupt nicht. Meine Studienkollegen haben parallel alle Szenen aus
„Nathan der Weise“ inszeniert. Ich sollte das auch machen, aber ich habe
gesagt: Mir fällt dazu nichts ein. Mein Professor Jürgen Flimm wollte mich
deshalb sogar rausschmeißen …
Warum ist es nicht dazu gekommen?
Ich hatte Glück. Der Theaterverlagschef von S. Fischer hat Flimm einen
Brief geschrieben und sich für mich eingesetzt. Die waren befreundet und
ich bereits als Autor bei Fischer unter Vertrag.
Was hatten Sie gegen „Nathan der Weise“?
Ich hatte das Gefühl, dass über meine Generation und ihre spezifischen
Probleme erzählt werden muss. Und da gab es damals nicht so viele Leute,
die das gemacht haben. Außerdem komme ich nicht aus einer Familie, in der
klassische Literatur gelesen wurde. Ich bin mit Musikvideos groß geworden,
mit Bands wie Frankie Goes To Hollywood, Bronski Beat, Boy George, Annie
Lennox und David Bowie natürlich, die die Genderfragen offensiv gestellt
haben.
Wie haben Sie daraus Theater gemacht?
Statt Klassiker zu lesen, habe ich während des Studiums MTV-Sendungen
transkribiert. Ich wollte verstehen, wie die Moderatorinnen ihre Sätze
bilden und wie die Verlinkung zwischen intelligenten Sachen und totalem
Nonsens funktioniert. 2004 habe ich für mein Stück „Unter Eis“ so etwas
Ähnliches mit der damals noch relativ neuen Sprache der Consultants
gemacht. Ich wollte verstehen, was sich für ein Menschenbild daraus ergibt.
Etabliert sich gerade wieder eine neue Sprache?
Der Podcastsprech oder wie junge Schauspielerinnen jetzt sprechen: „Safe“,
„Iconic“, „Really?!“ – das hat Humor. Gleichzeitig fallen Sätze wie …
hat mich voll traumatisiert“ oft in total banalen Zusammenhängen. Das ist
irritierend, aber ein Indiz dafür, dass wir in einer zutiefst
traumatisierten Gesellschaft leben.
Gibt es gerade mehr traumatisierende Ereignisse als zu Ihrer Jugendzeit?
Ich weiß nicht. In den 80ern ist es auch so gewesen, dass wir Schüler alle
davon ausgegangen sind, nicht über 30 zu werden, weil es zum Atomkrieg
kommt oder zu mehreren AKW-Unfällen wie in Tschernobyl. Gleichzeitig sind
die heutigen Ängste wegen des drohenden Klimakollapses ja total berechtigt.
Also doch alles schlimmer als früher?
Ich habe schon das Gefühl, dass es gerade besonders schlimm ist. Und seit
wenigen Jahren realisieren meine gleichaltrigen Freunde und ich, dass wir
auch nicht besser waren als unsere Eltern. Dass wir jetzt diese scheiß
Generation sind, die diesen Planeten in einem katastrophalen Zustand
hinterlässt. Dabei könnten Leute in meinem Alter in entscheidenden
Positionen andere Entscheidungen fällen, aber stattdessen verharren wir im
Neoliberalismus und die Kriege nehmen zu …
Wieso landen wir immer wieder an diesem Punkt?
Weil wir alle traumatisiert sind. Ich glaube, dass durch bestimmte
traumatisierende Ereignisse in der Weltgeschichte keine Empathie für die
nachfolgenden Generationen entstanden ist. Ich kann das anhand meiner
Eltern ganz gut beschreiben. Denen wurde als Kinder im Zweiten Weltkrieg
jegliche Empathie aberzogen. Die können sich nicht richtig reindenken in
andere.
Nach mir die Sintflut?
Na ja, jetzt muss ich das etwas relativieren, weil gleichzeitig findet auch
dank Fridays for Future und der Letzten Generation ja schon ein Umdenken
statt. Dieses wilde Herumfliegen, das macht heute kaum noch wer – auch die
Theater nicht. Jetzt fahren wir alle Zug. Immer. Okay: fast immer.
Sie machen seit 30 Jahren Theater. In letzter Zeit häufig auf Grundlage
Ihrer eigenen, aber auch fremder autobiografischer Erfahrungen. Warum?
Eine Zeit lang hat mich klassisches Schauspiel nicht so interessiert,
sprich, dass ein Schauspieler in eine Rolle schlüpft, die mit seinem
eigenen Leben nur entfernt etwas zu tun hat. Da habe ich mich lieber mit
sehr persönlichen Fragen auseinandergesetzt, wie bei „In My Room“ am Maxim
Gorki Theater, wo mein Ensemble und ich uns mit unseren Vätern und der
Beziehung zu ihnen beschäftigt haben.
In Ihrem neuen Stück „The Silence“ an der Schaubühne Berlin beschäftigen
Sie sich mit den Kriegstraumata Ihrer Eltern und deren Auswirkungen auf Ihr
Coming-out. Wie sind Sie zum autofiktionalen Schreiben gekommen?
Ich habe eine Zeit lang relativ viel in Frankreich und Belgien gearbeitet
und da mitbekommen, dass viele Theatermacher ihre eigenen Texte geschrieben
und inszeniert haben. Und als mich Shermin Langhoff 2013 ans Maxim Gorki
Theater geholt hat, wollte sie, dass ich neue Stücke für ihr migrantisches
Ensemble schreibe. Und da habe ich gedacht: Okay, Yael Ronen schreibt über
die jüdische Community, Sasha Marianna Salzmann über die russische. Was
noch fehlt, sind Stücke für die queere Community und ein queeres
Empowerment.
Gab es das damals noch nicht?
Damals war es in deutschen Theatern üblich, dass schwule Figuren an Aids
sterben oder wahnsinnig viele andere Probleme haben. Dieser Opferrolle
wollte ich etwas entgegensetzen. Ich wollte starke schwule Personen auf die
Bühne bringen und dann habe ich „Small Town Boy“ geschrieben, wo eine
queere Person eine flammende Rede gegen Homophobie und für die rechtliche
Gleichstellung queerer Menschen hält.
Warum hat man hierzulande relativ lange gebraucht, um die Qualität von
autofiktionalen Stoffen zu erkennen?
Das deutsche Stadttheater ist ziemlich hierarchisch organisiert. Es gibt
die Intendanten, das Ensemble, den Kanon. Und die Abonnenten, die ja oft
aus dem konservativen Bürgertum kommen, fordern Klassiker. In anderen
Ländern gibt es diesen Kanon nicht und viel mehr freie Gruppen, die sich
ausprobieren.
Wenn man über sich selbst schreibt, bringt das gewisse Schwierigkeiten mit
sich. Worin liegen die Ihrer Meinung nach?
Ich finde, das Schwierigste ist, dass man beim Schreiben über die eigenen
Traumata nicht in so eine selbstmitleidige Opferperspektive reinrutscht. So
etwas will niemand lesen.
Und wie geht das?
Da muss man sich bei jedem Satz die Frage stellen, ob er selbstmitleidig
klingt oder nicht. Bei „The Silence“ war das gar nicht so leicht. Da
schreibe ich ja darüber, wie ich in Buchholz in der Nordheide von zwei
Schwulen hassenden Typen durch die Stadt gejagt und krankenhausreif
geschlagen werde.
Aber wie schafft man es, dass so ein autofiktionaler Text nicht zum reinen
Nabelschauprojekt wird?
Interessant wird es dann, wenn man die eigene Geschichte mit einem
gesellschaftlich relevanten Thema verbinden kann. Bei „The Silence“ war es
die Traumatisierung von Gesellschaften, über die nicht gesprochen wird, und
die Frage von Täter und Opfer. Bei meinem Vater, der mit 18 in den Krieg
eingezogen wurde, könnte man sagen, er war Opfer, weil er dazu gezwungen
wurde, aber er war natürlich auch Täter, weil er Menschen umgebracht hat.
Und jetzt erleben wir in Russland und der Ukraine und auch in Israel und
Gaza wieder, wie ganz viele junge Leute zu Tätern werden und gleichzeitig
ganz sicher selbst Schäden davontragen werden.
Wie kann man autofiktional arbeiten, ohne die Privatsphäre seiner
Angehörigen zu verletzen?
In „The Silence“ interviewe ich ja meine eigene Mutter. Man sieht in einem
Video, wie wir zusammen bei ihr im Haus am Tisch sitzen. Ich spreche also
nicht bloß über sie, sondern mit ihr. Meine Mutter hat ihre eigene Stimme,
sie kann sich selbst vertreten. Interessanterweise hatte sie auch total
Lust dazu, ihre Geschichte zu erzählen. Sie war nur nicht so glücklich
darüber, dass ich auch meine erzählen wollte …
Wofür steht die Geschichte Ihrer Mutter?
Sie steht stellvertretend für eine Generation von Frauen, die nicht
gearbeitet haben, weil ihr Ehemann es ihnen nicht erlaubt hat. Außerdem war
sie zeitweise eine alleinerziehende Mutter in den 60er Jahren und wurde so
behandelt wie das, was man damals „eine gefallene Frau“ nannte. Dabei wäre
sie gerne Ärztin geworden, aber das hat ihr mein Großvater nicht
finanziert. Er ist davon ausgegangen, dass sie ja sowieso irgendwann
heiratet …
Ihrer älteren Schwester ist es in den 80ern ähnlich ergangen …
Ja, meine Schwester wollte auch studieren und da hat mein Vater gesagt:
Nee, das finanziere ich nicht. Bei meiner Schwester tut es mir auch deshalb
so leid, weil die Entscheidung meines Vater auch daher kam, dass er so alt
war. In der Zeit gab es bereits viele, die anders gedacht haben.
Was bedeutet Familie für Sie?
Für mich erzeugt der Begriff ein ambivalentes Gefühl. Ich habe mich in
meiner eigenen Familie bislang nicht gut aufgehoben gefühlt, aber ich habe
gelernt, dass man auch außerhalb der biologischen Familie Menschen finden
kann, die einem Geborgenheit und Halt geben.
Sie haben sich in Ihren Arbeiten relativ früh mit dem weltweiten
Rechtsruck beschäftigt. Wie kam es dazu?
Ich gehöre als schwuler Mann, der das auch offen lebt, zu einer sehr
gefährdeten Gruppe. Deshalb habe ich womöglich ziemlich früh gespürt, dass
da etwas Gefährliches auf uns zukommt.
Können Sie das konkretisieren?
Vor rund zehn Jahren sind mein Dramaturg Nils Haarmann und ich darauf
aufmerksam geworden, dass die Rechte von Frauen an verschiedenen Orten auf
der Welt eingeschränkt und Schwule systematisch verfolgt und
zusammengeschlagen wurden. Etwa zeitgleich gründete sich in Frankreich die
„La Manif pour tous“. Das ist eine ganz schlimme Anti-Gender-Bewegung, die
damals gegen die Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe auf die Straße
ging. Dann tauchte in Deutschland plötzlich die deutsche Version von La
Manif pour tous auf: das Aktionsbündnis „Demo für alle“, in dem neben AfD-
auch CDU-Leute, so komische Evangelikale und Hardcore-Katholiken
organisiert sind. Zusammengefasst: die AfD, Pegida, die Angst vor der
„Überfremdung des Abendlandes“. Da zeichnete sich eine extrem bedenkliche
Entwicklung ab, die wir 2015 in dem Theaterstück „Fear“ abzubilden versucht
haben.
Was ist danach passiert?
Danach sind die Neuen Rechten Sturm gelaufen. Es gab Morddrohungen gegen
mich, Schmierereien an der Schaubühne und Störrufe von einem AfD-Funktionär
im Theatersaal. Die rechte Aktivistin Hedwig von Beverfoerde und die
AfD-Politikerin Beatrix von Storch haben außerdem versucht, gerichtlich
gegen die Aufführung vorzugehen. Das ist aber gescheitert. Das Gericht hat
ihrer Klage in keinem Punkt stattgegeben. Wir haben das Stück weiter
gezeigt.
Ist „Bad Kingdom“, Ihr neuestes nichtautofiktionales Stück an der
Schaubühne, thematisch eine Fortsetzung von „Fear“?
Es ist eine dunkle Komödie über unsere Zeit heute. Über eine
postpandemische, krisenmüde Gesellschaft, in der sich Menschen zunehmend
einsam und verloren fühlen und vor allem rechte und radikale Gruppierungen
Zulauf gewinnen.
Warum haben die Neuen Rechten gerade so einen großen Zulauf?
Vermutlich, weil sie in diesen unruhigen Zeiten eine Scheinschutzwelt
anbieten: die Familie, die reinrassige Gesellschaft. Es ist ja auch viel
einfacher, wenn man das Gefühl hat, dass der eigene Lebensentwurf der
einzig richtige ist. Mein Vater zum Beispiel musste sich nie hinterfragen.
Er sagte, wo es langgeht. Typen wie Thomas Gottschalk oder Friedrich Merz
konnten sich problemlos jahrzehntelang sexistisch und rassistisch äußern.
Sie waren die Norm. Und das wird heute alles infrage gestellt. Letztlich
sind pluralistische Gesellschaften immer ein Angriff auf die Mächtigen.
Und die schlagen gerade zurück.
Vor ein paar Tagen habe ich zufällig ein Interview mit einer älteren Frau
gesehen, die gegen die neue, liberalere Regierung in Polen auf die Straße
gegangen ist. Und die hat doch tatsächlich gesagt: Als die PiS-Partei noch
an der Macht war, waren wir stolz, Polen zu sein, aber jetzt sind wir nur
noch Dreck.
Wie kommt sie darauf?
Ich denke, sie sieht das so, weil Donald Tusk jetzt nicht mehr nur das
heterosexuelle, patriarchale Modell präferiert, sondern auch wieder Rechte
für Queere, Frauen und Nichtkatholiken berücksichtigt. Und das lässt sie
glauben, sie werde abgewertet.
Aber sie ist doch selber eine Frau.
Ich glaube, sie identifiziert sich gar nicht so sehr als Frau, sondern
vielmehr als polnische Nationalistin.
Damit handelt sie gegen die Interessen ihres Geschlechts. Wie kriegt man
das Patriarchat aus sich raus?
Ein israelischer Freund von mir sagt immer „We need to bring down
patriarchy through song, dance and laughter“ – was auch immer das heißen
mag.
12 Feb 2024
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Anna Fastabend
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