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# taz.de -- Demos gegen die AfD: Die bürgerliche Antifa
> Es gibt eine breite Mehrheit gegen die Mentalität des Hasses. Linke
> müssen sich nur mit ihr alliieren, über alle Unterschiede hinweg.
Bild: Allianzen gegen den Faschismus, wie hier bei einer Großdemonstration in …
Die Enthüllungen der journalistischen Plattform Correctiv kamen zur rechten
Zeit. Sie gaben den Anlass für [1][eine umfassende Mobilisierung jener
Menschen, die die sogenannte gesellschaftliche Mitte bilden]. Diese
„gewöhnlichen Deutschen“ sind nach Veröffentlichung des mehr oder weniger
geheimen Treffens von AfD-Leuten, einigen CDU-Menschen und rechtsextremen
Aktivisten mit einer Mischung aus Angst, Verstörung und Empörung
aufgestanden und haben demonstriert.
Sie waren getriggert worden: Ihnen missbehagte, was beim [2][Potsdamer
Systemsprenger-Treffen] programmatisch formuliert wurde. Nämlich ein
Programm, das Linke wie ein Nazi-Reenactment lesen, sie aber, die große
bürgerliche Mitte von Union über die Sozialdemokraten bis zu den Liberalen,
als Bedrohung und Verrat ihres Landes. Was diese, hier so genannte
bürgerliche Antifa treibt und was sie nicht hinnehmen will, ist in der
soziologischen Expertise zu den „Triggerpunkten“ akkurat nachzulesen.
Für die AfD müssen diese Demonstrationen ein Desaster sein: Alice Weidel,
Bernd Höcke & Co. dachten bis zu den Enthüllungen, sie könnten mit ihren
vergiftenden Agitationen weitermachen und irgendwann tatsächlich die Macht
übernehmen. Ausländer und solche, die sie unterstützen, aus dem Land
schaffen, buchstäblich deportieren: Das ist der Spin – und das soll der
Mobilisierungspunkt sein.
Sie hatten jedoch nicht damit gerechnet, dass exakt ein solcher Plan auf
letztlich entschiedene Gegenwehr stoßen würde. Was AfD &
Sympathisant*innen nun zu realisieren haben: Sie werden niemals in der
Bundesrepublik auch nur in die Nähe einer ihnen zusprechenden Mehrheit
kommen. Und das ist nicht nur gut so, das kann, verfassungspatriotisch
gesagt, auch glücklich stimmen.
## Mehrheit hat nichts gegen die Moderne
Die bürgerliche Antifa sieht die Dinge nämlich so: Man hat nichts gegen
Einwanderung und neue Deutsche, jedenfalls nicht prinzipiell. Man will
keinen mörderischen Hass. Keine Mordserie des NSU, keine rassistischen
Attacken gegen Asylbewerberheime, gegen so empfundene „Ausländer“, man
sympathisiert null mit dem Attentat von Hanau, ist alarmiert wegen des
Mordes am hessischen CDU-Politiker Walter Lübcke. Diese Mehrheit findet
sich mehr oder weniger gewöhnend mit der Moderne ab, begrüßt sie am Ende
sogar: Feminismus, Ehe für alle, Trans*menschen, Klimawandelpolitik und
Erhöhung der Mindestlöhne. Was sie allerdings störrisch bis aufsässig
macht, auch dies haben Mau & Co. ermitteln können, sind, so empfindet es
diese Mehrheit, zwangspädagogisch wahrgenommene Sprechweisen, die sie
ablehnen oder jedenfalls nicht unfallfrei anwenden können und wollen.
Die bundesdeutsche Mehrheit befürwortet, in Ruhe gelassen zu werden, dann
hält sie auch Menschen aus, die anders sind, als sie selbst sich sieht.
[3][Deportationen und anderen nazihaft anmutenden Kram] lehnt sie ab: Das
wäre alles nicht im Sinne bürgerlichen Einvernehmens, allen gelegentlichen
Nervereien zum Trotz. Der bürgerliche Deutsche, der sieht sich weltläufig,
auch im eigenen Land. Das Selbstideal ist „Frieden im Land“.
Worauf Linke sich also einzustellen haben im Laufe der nächsten Monate,
ist, dass diese Demonstrationen keine linken Umzüge sind.
#unteilbar-Paraden werden es nicht sein, die politische Bühne betreten
werden viel mehr als eine mobilisierte Woke-Kernschicht, nämlich eine
deutsche Mehrheit, die den fantasierten naziähnlichen Krawall nach Gusto
der AfD ablehnt.
[4][Die bürgerliche Antifa wird auch nicht links werden]. Egal. Es reicht,
wenn sie einfach eigensinnig darauf beharrt, die Bundesrepublik und ihre
Geschichte nicht als „Vogelschiss“ zu verstehen; wenn für sie einer wie
İlkay Gündoğan der beste deutsche Fußballer der Jetztzeit ist, den man
supported, wenn wieder AfD-Leute wie Alexander Gauland (damals gegen Jerôme
Boateng) ihn der Hautfarbe wegen als irgendwie undeutsch markieren.
Im Osten der Republik hat die klassische Antifa wesentliche Arbeit
geleistet, um überhaupt auf die Einbräunung der Landschaften aufmerksam zu
machen. Was sie oft nicht erkennen konnte (oder manchmal auch nicht
wollte): dass es eine breite Mehrheit gegen diese Mentalität des Hasses
gibt. Man muss sich nur mit ihr alliieren, auch wenn sie einem Lebensstil
huldigt, der sich vom eigenen erheblich unterscheidet: spießig. Also
fleißig und familienbewusst, akkurat in den Ordnungsvorstellungen und
zugleich liberal dem Fremden gegenüber.
Die Demonstrationen der vergangenen Wochen waren Zeichen, die unbedingt
ermutigen müssen. Deutschland steht quasi auf – und zwar anders, als die
Giftmischer*innen der AfD sich das vorstellen wollen. Damit ist nichts
über die Kritiken zur Ampelpolitik gesagt, im Gegenteil. Sie ist einfach
Teil der demokratischen Konfliktstrukturen. Klima und Klasse – also
Heizungsgesetz und Bürgergeld – das bleibt der Rahmen, der weiter
verhandelt werden muss.
Umzüge der „Selbstzufriedenheit“, wie etwa eine Kritik der Neuen Zürcher
Zeitung lautete, sind es nicht: Das klingt nach Selbstbesoffenheit.
Andererseits: Na und? Sie sind auch ein Hinweis, dass man den deutschen
Mist, der bis 1945 herrschte, nicht wieder haben will.
## Brandmauer braucht mehr als Linke
So oder so: Nur eine linke Kultur des Respekts vor jenen Menschen, die
Linke als zu wenig links empfinden, wird zur Folge haben können, dass die
Union auch in ostdeutschen Bundesländern die entscheidende „Brandmauer“
bleibt.
Die Demonstrationen in Hamburg, Berlin, München waren schon beeindruckend.
Heldenhaft sind sie jedoch überall dort, wo man in AfD-durchwirkten
Gegenden aufzog. Suhl, Spremberg, Dessau, Pirna, Greifswald, Stralsund,
Görlitz, Nordhausen und so viele mehr. Aufstehen – für das eigene Land, das
in Aufruhr ist, aber anders, als die Rechtsradikalen hofften.
1 Feb 2024
## LINKS
[1] /Nach-Enthuellungen-ueber-Deportationsplaene/!5987883
[2] /Gefahr-durch-Rechtsextreme/!5985745
[3] /Rechtes-Geheimtreffen-in-Potsdam/!5985429
[4] /Kritik-an-Demos-gegen-rechts/!5985782
## AUTOREN
Jan Feddersen
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