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# taz.de -- Ausstellung nach Kunstraub als Hilferuf: Museum wirkt recht angefre…
> Mit leeren Vitrinen inszeniert Hildesheims Roemer- und Pelizaeus-Museum
> seine Ausstellung als Notfall-Projekt: Im Herbst war es ausgeraubt
> worden.
Bild: Aufbau nur fürs Foto: Die wertvollsten Objekte der Schau sind nach einem…
HILDESHEIM taz | Zu den eingängigsten Werbeslogans für Glasreiniger zählte
einst der Spruch „Sie sehen, dass Sie nichts sehen“. Das Hildesheimer
Roemer und Pelizaeus-Museum eröffnet am Mittwochnachmittag unter dem Titel
„Es ist angerichtet“ jedoch keine Sidolin-Sonderausstellung. Es soll
vielmehr das erste Kapitel der neu konzipierten Dauer-Bespielung sein, die
dazu dient, die hauseigene Sammlung in Szene zu setzen.
Mit den blank geputzten, jedoch weitgehend leeren Vitrinen zeigt man, dass
man nichts zeigen kann, obwohl man doch so einiges hat. Aber es würde
einfach zu teuer. Oder zu riskant. Oder beides: „Wir müssen uns schon
fragen, wie viel Museen wollen wir uns noch leisten“, sagt die vor neun
Monaten vom Leidener Rijksmuseum van Oudheden an [1][die bürgerliche
Institution in Hildesheim] gewechselte Direktorin Lara Weiss.
Fast nichts muss es korrekterweise heißen. Einerseits gibt es Fotos von den
Arrangements der Sammlungsstücke in den Vitrinen, wie man sie gezeigt
hätte, wenn nicht im Herbst ein Einbruch die Sicherheitsfrage neu gestellt
und die Versicherungs-policen hochgesetzt hätte.
Andererseits: Ein paar Originale traut man sich doch, zu präsentieren. Eine
Haifisch-Falle aus der Südpazifik-Region etwa ist in natura ausgestellt.
Ebenso können ein paar kürbisförmige Keramiken aus Peru bewundert werden.
Und dann darf noch ein Hildesheimer Kohleherd aus der Fabrik des lokalen
Industriepioniers Anton Senking, der auf ebay vielleicht 300 Euro
einspielen würde, die Aura des Originals verbreiten.
## Abschottung statt neuer Offenheit
Thema der Ausstellung ist eine „kulinarische Reise durch die Zeit“. Der
Plan war, mit ihr die Abteilungen des Hauses – vor allem Ethnologie und
Naturkunde – mit der stadtgeschichtlichen Sammlung zu verzahnen. Die war
zuvor im Knochenhauer-Amtshaus am anderen Ende der Altstadt untergebracht.
Die Aufgabe dieses Standorts spart Geld – und soll zugleich helfen, [2][das
kriselnde Traditionsmuseum attraktiver zu machen]. Das tut not: Einen
Steinwurf entfernt von der Welterbestätte des Doms und dessen umwerfender
Schatzkammer fristet das RMPM ein Schattendasein, [3][außer, wenn’s um
Ägypten geh]t.
Vor zwei Jahren war das Museum knapp an der Insolvenz vorbeigeschrammt.
Weiss hat als neue Direktorin den Auftrag, ein Defizit zu verhindern. Die
Dauerausstellung niedrigschwelliger zu machen, sich noch stärker zu öffnen,
wäre ihre Idee. „Das ist ein lebendiger Ort für Inspiration, Kritik und
Spaß“ kommuniziert ein etwas textlastiges Banner sie in Richtung City.
Stattdessen brennt jetzt die Frage, wie man sich besser abschotten kann: In
der Nacht zum 30. Oktober hatten Räuber ein Fenster auf der Rückseite des
Museums eingeschlagen, hatten gezielt ein Kerzenleuchter-Paar und einen
Schultertopf aus Porzellan an sich gebracht und waren damit verschwunden.
„Bislang können wir nichts über Ermittlungsergebnisse bekanntgeben“, sagt
eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Auch der Schätzwert des Raubguts wird aus polizeitaktischen Gründen nicht
beziffert. Aber die Auswahl beweist die Expertise der [4][bösen
Vitrinenentleerer]. Das Gefäß – als Ingwer- oder Schultertopf bezeichnet
man eine traditionelle chinesische Behältnisform – stammt aus der
Ming-Dynastie.
Die Kandelaber sind zwar viel jünger. Aber es handelt sich um
„Prachtstücke“, wie [5][Ernst Ohlmer 1898 in seinem Führer durch die
Sammlung schreibt], die er dem Museum vermacht hat. Sie tragen eine
persönliche Widmung, die sogar das Herstellungsdatum benennt, nämlich „den
ersten Tag des zehnten Monats des fünften Jahres der Regierung des Kaisers
Chien-Lung“, sprich: den 19. November 1740. Es sind echte Unikate.
Weltweit, so informiert der Deutsche Museumsbund (DMB), gebe es einen
„großen Schwarzmarkt für gestohlene oder geraubte Kulturgüter“. Für mehr
Umsatz beim illegalen Handel sorgen nur Waffen- und Drogen. „Selbst für
scheinbar unveräußerliche Objekte finden sich schnell Käufer*innen“,
schreibt der DMB.
Und weil das Risiko des Scheiterns gering ist, wird vermutet, dass
Museumsdiebstahl den Bankraub längst abgelöst hat, wenn’s darum geht,
Unternehmungen der organisierten Kriminalität [6][zu finanzieren.] Seit
Ende November warnt das Bundeskriminalamt mit Blick auf Hildesheim und den
Raubzug im [7][Kölner Museum für Ostasiatische Kunst im September]
angesichts der Zunahme erfolgreicher Einbrüche, „dass weitere Taten
begangen werden könnten“.
Es fordert die Museen auf, ihre Sicherheitsmaßnahmen „insbesondere im
Hinblick auf Ostasiatika“ zu überprüfen. Ein frommer Wunsch angesichts der
Geldprobleme. „Schon der Normalbetrieb vieler Museen ist nicht auskömmlich
finanziert“, erinnert die Sprecherin des DMB.
In Hildesheim wäre die Stadt als Trägerin zuständig, das Erbe zu sichern.
Aber die verfolgt einen strikten Kurs der Haushaltskonsolidierung. Und
anders als Bayern sieht Niedersachsen momentan keinen Bedarf für ein
millionenschweres Sonderprogramm „Museumssicherheit“ für nichtstaatliche
Museen: Aber: „Investitionen in die Sicherheitsinfrastruktur können im
Rahmen des regelmäßig ausgelobten Investitionsprogramms für kleine
Kultureinrichtungen gefördert werden“, informiert die Sprecherin des
Kulturministeriums.
1 Feb 2024
## LINKS
[1] /Hildesheim-will-Kulturhauptstadt-werden/!5533850
[2] /Hildesheimer-Sammlungsgeschichte/!5342135
[3] /Altaegypten/!5151545
[4] https://www.verunsicherung.de/diskografie/songs/ba_ba_bankueberfall.html
[5] https://www.google.de/books/edition/F%C3%BChrer_durch_die_Ohlmer_sche_Samml…
[6] https://www.n-tv.de/panorama/Museumsraub-ist-der-neue-Bankueberfall-article…
[7] https://museum-fuer-ostasiatische-kunst.de/Start
## AUTOREN
Benno Schirrmeister
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