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# taz.de -- Hildesheimer Sammlungsgeschichte: „Zunächst sammelten nur Fürst…
> Weil sein Gründer Hermann Roemer jetzt 200 Jahre alt würde, unterzieht
> das Hildesheimer Roemer- und Pelizaeus-Museum dessen Ideen einer
> kritischen Würdigung.
Bild: Viele Stücke würde ich heute aus ethischen Gründen nicht kaufen“, sa…
taz: Frau Schulz, was zeigen Sie in der Ausstellung „Welt Weites Wissen“?
Regine Schulz: Es ging uns um die Ideen, mit denen Hermann Roemer und
andere Hildesheimer Bürger 1844 das Museum gegründet haben. Damals waren
naturkundliche und archäologische Objekte aus der Region zu sehen,
andererseits konnte Roemer über Kollegen geologische und kunsthistorische
Exponate aus aller Welt akquirieren. Neben seinem Schreibtisch,
historischen Pfeilspitzen, chinesischen Vasen und altägyptischen
Gegenständen zeigen wir etwa das Foto eines über 10.000 Jahre alten
Riesenhirschs, wie er zu Roemers Lebzeiten ausgestellt war – und zugleich
steht das Originalskelett daneben.
Es geht also um die Entwicklung musealer Konzepte?
Ja, wir wollen wissen, wie das entstanden ist, was jetzt ist. Zunächst
sammelten ja nur Fürsten und Könige. Erst mit der Aufklärung, der Roemer
und seine Zeitgenossen verpflichtet waren, ging es beim Sammeln und
Ausstellen auch um Konzepte und Bedeutung, nicht mehr nur um Ästhetik und
Kuriositäten.
Hermann Roemer war ein wichtiger Lokalpolitiker des 19. Jahrhunderts.
Welche Bedeutung hat er für das Roemer- und Pelizaeus-Museum?
Das Museum gehörte zu den ersten bürgerlichen Sammlungen in
Norddeutschland. Roemer war nicht nur Jurist, sondern auch
naturwissenschaftlich interessiert und zudem ein großer Denkmalschützer.
Begleitend zu „Welt Weites Wissen“ zeigen wir im Rathaus eine
Bilderausstellung von Bauten und Denkmälern, für die er sich eingesetzt
hat. Etwa das [1][Knochenhauer-Amtshaus] und die Michaeliskirche gäbe es
ohne ihn nicht mehr so, wie wir sie heute kennen. Das Wissen, das er
sammelte, wollte er mit den Hildesheimer Bürgern teilen – deshalb hat er
sich zum Beispiel für Wochentage mit kostenfreiem Eintritt eingesetzt.
Entsprechen die damaligen Erwerbungen den heutigen Standards – rechtlichen
und moralischen?
Ja und nein. Das heutige Recht kann nicht rückwirkend auf Anschaffungen von
1899 angewandt werden. Natürlich [2][betreiben wir] Provenienzforschung, um
zu erfahren, welche Objekte wie zu uns gekommen sind. Das ist jedoch sehr
aufwendig und teuer, zumal wir Exponate aus allen Kontinenten haben – aber
eben nicht alle jeweiligen Spezialisten. Ich konzentriere mich zurzeit auf
Ernst Ohlmer, der nicht nur Seezoodirektor des Chinesischen Kaisers war,
sondern auch einer der ersten Fotografen, die sich im kaiserlichen China
kritisch mit der deutschen Außenpolitik auseinandergesetzt hatten. Wir
legen also großen Wert darauf, zu wissen, wer die Sammler waren und ob es
Objekte gibt, die wir heute zurückgeben könnten.
Wie schützen Sie sich davor, Objekte aus Raubgrabungen oder sonstwie
zweifelhafter Provenienz aufzukaufen?
Mit dem internationalen Museumsrat ICOM, bei dem ich im Vorstand und in der
Ethikkommission sitze, entwickeln wir rote Listen illegal ausgegrabener
Objekte. Diese sind ein Hilfsmittel, den Ausverkauf von Kulturgütern
gefährdeter Kulturen und aus Krisengebieten zu verhindern. Viele Stücke
würde ich heute aus ethischen Gründen nicht kaufen, wenn sie mir angeboten
würden. Niemand kann sich zu 100 Prozent vor gefälschten Provenienzen
schützen. Trotzdem soll nicht vergessen werden, dass ein Museum sammeln
soll und muss, um Natur- und Kulturgüter für die nächsten Generationen zu
erhalten und zu bewahren.
Bei Ihrer Ausstellung „Schätze für den Kaiser“ gab es Probleme mit den
Exponaten: Private Sammler wollten ihre Leihgaben zurückziehen – aus Angst
vor dem Kulturgutschutzgesetz, das im Juni verabschiedet wurde.
Die Besitzer der Leihgaben, eine chinesische Familie, die schon lange in
Deutschland lebt und auch seit Generationen Kunst sammelt, hatten Sorgen,
dass sie ihre Objekte nicht mehr ins Ausland verkaufen dürften. Falls diese
etwa als politisches Geschenk nach Deutschland gekommen sind und darum
hierzulande an kunsthistorischer Relevanz gewonnen haben, [3][hätte dies
durchaus sein können]. Da der deutsche Markt für chinesische Kunst zwar gut
ist, mit dem heimischen und nordamerikanischen aber nicht mithalten kann,
war die Sorge der Leihgeber nachvollziehbar.
Nun wird die Sonderausstellung doch wie geplant gezeigt.
An dieser Stelle danke ich dem Kultusministerium Niedersachsen, das uns
sehr schnell und schriftlich bestätigt hat, dass die entsprechenden
Exponate nicht unter das neue Kulturgutschutzgesetz fallen. Ich bin froh,
dass wir dem finanziellen Schaden entgehen konnten und die Schau wie
geplant bis Januar zeigen können. Im kommenden Jahr wollen wir sie in
Kooperation mit unseren chinesischen Kollegen auch in Beijing zeigen.
Wäre das neue Gesetz im Sinne des Sammlers Hermann Roemer?
Ich glaube schon. Er war ein fortschrittlich denkender Mensch des 19.
Jahrhunderts. Ihm war wichtig, viel über die ganze Welt zu erfahren. Aber
natürlich hatte auch er damals noch das Bild von hochstehenden und weniger
hochstehenden Kulturen. Das erste Kulturgutschutzgesetz gab es zu Zeiten
Roemers in Ägypten und es wurde schon oft angepasst. Auch die Briten und
Italiener haben wegen der zahlreichen Raubgrabungen viel früher damit
angefangen, ihr Kulturgut zu schützen.
Gab es dort weniger Streit?
Hierzulande wurde das Thema sehr hitzig und mit vielen Ängsten diskutiert.
Anscheinend kommen auch viele Sammler zum Ministerium und wollen ihre Werke
explizit als Kulturgut gewertet wissen, während zeitgenössische Künstler
wie Georg Baselitz Sorge hatten, ihre an Museen ausgeliehenen Werke nicht
ins Ausland verkaufen zu können. Ich bin gespannt auf die wissenschaftliche
Evaluierung in zwei Jahren.
Nach dem 1.200-jährigen Jubiläum der Stadt und dem „Tag der Niedersachsen“
bewirbt sich Hildesheim als europäische Kulturhauptstadt 2025. Wie geht ein
kommunales Museum damit um?
Hildesheim hat für seine Größe eine beachtliche, sehr aktive Kunstszene.
Anders als unser Theater stehen wir aber nur auf einem finanziellen Bein –
der Stadt Hildesheim. Für ein Museum mit dem Umfang eines Landesmuseums ist
das eindeutig zu wenig, auch wenn uns zahlreiche Stiftungen regelmäßig
unterstützen.
Das heißt?
Hildesheim als Kulturhauptstadt wäre sicher auch für das Museum eine
großartige Sache. Zugleich würde der Konkurrenzkampf um die wenigen Gelder
für Bildung und Kultur dabei noch größer. Viele gesellschaftliche Probleme
sind entstanden, weil wir unsere eigene Geschichte und Wurzeln nicht mehr
kennen. Deshalb sind Museumseinrichtungen heute wichtiger denn je. Wenn
daran immer mehr gespart wird, halte ich das für eine gefährliche
Entwicklung.
27 Sep 2016
## LINKS
[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Knochenhaueramtshaus_(Hildesheim)
[2] https://www.provenienzforschung-niedersachsen.de/mitglieder/
[3] https://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/Beauftragtefuer…
## AUTOREN
Kornelius Friz
## TAGS
Museumspolitik
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