# taz.de -- Eskalation in Ecuador: Gewalt und Ausnahmezustand | |
> In Ecuador stürmen Bewaffnete ein Fernsehstudio. Wärter werden in | |
> Gefängnissen zu Geiseln. Der Präsident ordnet Militäreinsätze an. | |
Bild: Live im Fernsehen: Bewaffnete stürmen das Studio des Nachrichtensenders … | |
BOGOTÁ taz | Die Bilder gehen unter die Haut. Schlaksige Männer bewegen | |
sich chaotisch im knallbunten Studio. Sie tragen Cargohosen, dunkle | |
Sweatshirts, auf dem Kopf Baseballkappen und Kapuzen, im Gesicht Mundschutz | |
oder einen Schal. | |
Sie wirken wie Halbstarke, die für ein TikTok-Video üben. Doch sie haben | |
Gewehre, Pistolen, offenbar Granaten, Dynamit. Im Hintergrund sitzen und | |
liegen auf dem Boden Mitarbeiter:innen des Fernsehsenders. „Die | |
Polizei muss raus“, sagt wohl der Moderator, dem sie mit dem Gewehr in die | |
Seite stochern und eine Pistole an den Kopf halten. Ein Satz, den die | |
Männer wiederholen. „Sag ihnen, dass wir Bomben haben.“ | |
Das alles lief am Dienstag live im staatlichen Sender TC Televisión, bis | |
die Übertragung unterbrochen wurde. Es passierte gegen 15 Uhr nachmittags | |
in der Hafenstadt Guayaquil in Ecuador. Zur selben Zeit drangen auch | |
bewaffnete Gruppen in die Uni ein, entführten Ärzte in einem Krankenhaus in | |
der Stadt, berichten Medien. Später befreite die Polizei die Geiseln im | |
Sender und nahm 13 Personen fest. | |
Schon vor den Gewalttaten in Guayaquil hatte es an mehreren Orten in | |
Ecuador Anschläge und Explosionen gegeben. Mindestens sieben Polizisten | |
wurden entführt. Es ist unklar, wer dafür verantwortlich ist. In den | |
Gefängnissen sind 139 Wärter und Verwaltungsangestellte in der Gewalt von | |
Gefangenen. | |
## Drogenbossen gelingt die Flucht aus dem Gefängnis | |
Was am Dienstag in Ecuador geschah, gilt als Reaktion der kriminellen | |
Banden auf den 60-tägigen Ausnahmezustand. Den hatte Präsident Daniel Noboa | |
am Montag verhängt, um die Gefängniskrise unter Kontrolle zubekommen. Er | |
erlaubt den Einsatz von Militär in Gefängnissen und beinhaltet eine | |
nächtliche Ausgangssperre. | |
Ecuador ist seit Monaten immer wieder in den Schlagzeilen wegen blutigen | |
Gefängnisaufständen. Zuletzt waren mehrere Wärter als Geiseln genommen | |
worden. Am Sonntag war Adolfo Macías alias „Fito“ aus dem Gefängnis | |
geflohen, bevor er in ein Hochsicherheitsgefängnis gebracht werden sollte. | |
Wohl mit Hilfe seiner Wächter. Fito ist der Chef der Bande „Los Choneros“ | |
und gilt als grausamster Verbrecher des Landes. | |
[1][Daniel Noboa] trat im November sein Amt als jüngster Präsident in der | |
Geschichte des Landes an – und mit dem Versprechen, Gewalt und Korruption | |
zu bekämpfen. | |
In dem einst so friedlichen Land laufen heute zwei Kämpfe ab: Kriminelle | |
gegen den Staat – und Kriminelle gegen Kriminelle, vor allem um die | |
Drogenrouten. Das macht die Situation so schwierig. Jeder Erfolg gegen eine | |
Bande stärkt eine andere – und alle Banden haben Noboas Wahlversprechen als | |
Druckmittel. Wenn seine Wählerïnnen auf ein Ende der Gewalt pochen, könnte | |
er zu Deals mit den Kriminellen gezwungen sein. | |
## Ecuador – das neue Kolumbien | |
Am Dienstag entfloh mitten im Chaos noch Drogenboss Fabricio Colón Pico | |
alias „Der Wilde“ mit weiteren Gefangenen aus einem Gefängnis in der Stadt | |
Riobamba, teilten die Behörden mit. Der Anführer der Bande „Los Lobos“ so… | |
die Ermordung einer Staatsanwältin geplant haben – und ist mit „Los | |
Choneros“ von „Fito“ verfeindet. | |
Noboa will ein neues Hochsicherheitsgefängnis bauen und gefangene | |
Bandenchefs dorthin verlegen. Die Gefängnisse sind Teil des Problems statt | |
der Lösung. Sie sind ein rechtloser Raum, in dem die kriminellen Banden | |
sich wie draußen bekriegen und ihre illegalen Geschäfte weiterführen. | |
Am Dienstag sagte Präsident Daniel Noboa den kriminellen Banden im Land per | |
[2][Dekret] offiziell den Kampf an. Das Dekret erkennt einen „internen | |
bewaffneten Konflikt“ an und bezeichnet 20 kriminelle Banden als | |
„terroristische Organisationen und kriegerische nichtstaatliche Akteure“. | |
Noboa ordnete Militäreinsätze an, um diese zu „neutralisieren“. | |
[3][Ecuador befindet sich seit Jahren in einer massiven Sicherheitskrise.] | |
Das Land wird mittlerweile „das neue Kolumbien“ genannt. Der Begriff ist | |
unscharf, lässt aber durchklingen, was das Problem ist: Drogenhandel und | |
krasse Gewalt, ähnlich wie in den 80ern und 90ern im Nachbarland. | |
Es geht um das Riesengeschäft mit dem Kokain. Mächtige mexikanische | |
Kartelle sind beteiligt, allen voran das Sinaloa-Kartell. Außerdem mischen | |
die Banden immer mehr in der Politik mit. | |
Die Mordrate im Land ist so hoch wie noch nie – und eine der höchsten in | |
Lateinamerika. Immer wieder werden Menschen am helllichten Tag erschossen. | |
Der bekannteste Fall war Präsidentschaftskandidat [4][Fernando | |
Villavicencio], der gegen die Korruption zu kämpfen versprach. | |
10 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlergebnis-in-Ecuador/!5966469 | |
[2] https://x.com/DanielNoboaOk/status/1744815215655387431?s=20 | |
[3] https://monde-diplomatique.de/artikel/!5975461 | |
[4] /Attentat-auf-Praesidentschaftskandidat/!5949798 | |
## AUTOREN | |
Katharina Wojczenko | |
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