# taz.de -- Klausur der CSU-Bundestagsfraktion: Söder lacht nur über Dobrindt | |
> Im Kloster Seeon bestärken sich die führenden Protagonisten der CSU | |
> gegenseitig. Als Retter vor der AfD sehen die Christsozialen sich selbst. | |
Bild: Der bayerische Ministerpräsident (r.) und Dobrindt, sein Statthalter in … | |
SEEON taz | Regungslos steht er unter dem Torbogen am Eingang des | |
Klostergebäudes, die Augenbrauen hochgezogen, der Gesichtsausdruck finster. | |
Kein Nicken, kein Grinsen. Nicht einmal, als Alexander Dobrindt seine | |
alljährliche Alliteration zum Besten gibt – „Chancen statt Scholz“ lautet | |
sie diesmal – verzieht Markus Söder die Miene. Nur am Ende des gemeinsamen | |
Auftritts zur Eröffnung der Klausurtagung der CSU-Landesgruppe, lässt sich | |
der Parteichef zu einer spöttischen Bemerkung über Dobrindts „neues | |
Outfit“, einen hellen Anorak, hinreißen. | |
In höheren Lagen hat es in der Nacht schon zu schneien begonnen, hier in | |
Seeon warten die CSU-Bundestagsabgeordneten noch auf die pittoreske weiße | |
Kulisse. Vor dem Nieselwetter, „Ampelwetter“ nennt es Landesgruppenchef | |
Dobrindt, hat man sich daher vom Hof in den engen Torbogen geflüchtet, um | |
dort der versammelten Presse einen Ausblick auf das Jahr zu geben. Den | |
Forderungen der beiden CSU-Politiker ist somit zumindest im wörtlichen | |
Sinne ein merkliches Echo beschieden. Etwa der nach Neuwahlen im Bund. | |
„Die Ampel hat fertig“, sagt Dobrindt, sie habe ihre Legitimation verloren. | |
Im Fußball wäre es nun Zeit für einen Trainerwechsel, findet Söder. Und | |
korrigiert sich gleich darauf: Im Fall der Bundesregierung genüge kein | |
Trainerwechsel, die gesamte Mannschaft müsse ausgetauscht werden. „Ich | |
verstehe nicht, warum man nicht diesen mutigen Weg geht.“ Einmal mehr macht | |
Söder zudem die Politik der Ampel für den Höhenflug der AfD verantwortlich. | |
Nur eine Übernahme der Regierung durch die Union, so Söders | |
Schlussfolgerung, kann ihn stoppen. | |
Die CSU jedenfalls, daran lassen Söder und Dobrindt keinen Zweifel, sei für | |
eine Regierungsübernahme gerüstet. Was das für das Land bedeute, skizzieren | |
sie denn auch sogleich: Das Heizungsgesetz würde abgeschafft, das | |
Bürgergeld würde wieder zur Sozialhilfe. Die Kosten für eine energetische | |
Sanierung könnten künftig von der Erbschaftssteuer abgezogen werden. Mit | |
der CSU, so Söder, käme die „Schutzmacht für die kleinen Leute, für die | |
normalen und rechtschaffenen Bürger“ an die Macht. Für all diese Menschen, | |
die jetzt verunsichert seien, da Tanken, Essen und Strom teurer würden. | |
Einen neuen „Energiedeal“ fordert Söder, was in seinen Augen natürlich ein | |
Revival der Atomkraft bedeutet. Längst redet der bayerische | |
Ministerpräsident dabei nicht mehr nur von einer Reaktivierung der letzten | |
stillgelegten Meiler wie dem bayerischen Isar 2. Deutschland brauche die | |
Kernenergie „länger als ein, zwei Jahre“, sagt Söder und spricht sich für | |
neue Reaktoren aus – klein und modern. | |
Erneut fordern die CSU-Politiker eine [1][grundlegende Wende in der | |
Migrationspolitik]. So machen sie sich für das Ruanda-Modell stark, wonach | |
Flüchtlinge in einen sicheren Staat außerhalb der Europäischen Union | |
verbracht werden könnten. Wenn Deutschland sein Schutzversprechen gegenüber | |
geflüchteten Menschen außerhalb der europäischen Grenzen einlöse, könne man | |
das Narrativ der Schleuserbanden durchbrechen, die den Flüchtlingen eine | |
Aufnahme in die deutschen Sozialsysteme versprächen. Zudem wolle man die | |
Leistungen für Flüchtlinge, so weit wie möglich, auf Sachleistungen | |
umstellen. Söder fordert außerdem zu prüfen, ob nicht Abschiebungen in | |
Teile Syriens möglich seien. | |
Auch die Wehrfähigkeit Deutschlands ist ein wichtiges Thema in Kloster | |
Seeon. Wenn Russland den Krieg gegen die Ukraine gewinne, drohe auch | |
hierzulande ein „veritables Sicherheitsproblem“, so Söder. Deshalb sei eine | |
massive Aufrüstung der Bundeswehr vonnöten. Es brauche „Material, Material, | |
Material“. Söder nennt Panzer, Artillerie, aber auch eine eigene | |
Drohnenarmee. | |
Aber auch Soldaten fehlten. Deshalb wolle die CSU die Wehrpflicht | |
wiedereinführen. Man habe zwar auch Sympathien für eine allgemeine | |
Dienstpflicht, da deren Einführung aber verfassungsrechtlich kaum möglich | |
sei, habe man sich für die Wiedereinführung einer siebenmonatigen | |
Grundwehrpflicht entschieden, für die ein Bundestagsbeschluss genüge. | |
Der Ukraine will Söder Marschflugkörper liefern, damit sie russische | |
Angriffe abwehren könne. Das sei die einzige ernsthafte Chance, „damit die | |
Ukraine neuen Mut findet und die Russen nicht gewinnen“. | |
Um die Geschlossenheit der Union macht sich Söder wenig Sorgen. Die | |
Beziehung zur CDU sei schon lange nicht mehr so gut gewesen. Man solle sich | |
jetzt nur nicht von der K-Frage ablenken lassen und keine falschen | |
Gedankenspiele über mögliche Koalitionen anstellen. Aus seinen eigenen | |
Favoriten macht der CSU-Chef denn auch kein Geheimnis. [2][Die | |
Kanzlerkandidatur läuft demnach auf Friedrich Merz zu], als Regierung | |
strebt Söder eine Koalition mit der SPD oder notfalls eine | |
„Deutschlandkoalition“, also eine Zusammenarbeit mit SPD und FDP, an. | |
Neben Söder empfängt die Landesgruppe während ihrer dreitägigen | |
Klausurtagung weitere namhafte Gäste: etwa EU-Kommissionspräsidentin Ursula | |
von der Leyen, den dänischen Einwanderungsminister Kaare Dybvad Bek, den | |
Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, | |
Bauernverbandspräsident Joachim Rukwied und Sachsens Regierungschef Michael | |
Kretschmer. CDU-Chef Merz ist diesmal nicht dabei. Er feiert mit seiner | |
Familie den 100. Geburtstag seines Vaters. | |
6 Jan 2024 | |
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## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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