| # taz.de -- Politischer Aschermittwoch der CSU: Daddy in der wokenessfreien Zone | |
| > Beim Politischen Aschermittwoch kalauert sich Markus Söder durch die | |
| > politische Landschaft. So manchen Ausreißer kann er sich nicht | |
| > verkneifen. | |
| Bild: Lieblingspose: Ministerpräsident Söder beim Politischen Aschermittwoch … | |
| Passau taz | Natürlich kann man sich schon mal wieder die Grundsatzfrage | |
| stellen: Was ist das hier? Und wofür soll das gut sein? Satire? Realsatire? | |
| Eine Fortsetzung des Faschings mit anderen Mitteln? Oder einfach ein | |
| stinknormaler bayerischer Stammtisch – nur halt etwas größer, derber und | |
| bierdimpflesker? Das Geschehen auf dem Politischen Aschermittwoch der CSU | |
| dürfte so manchen Beobachter ratlos zurücklassen. | |
| Kennen Sie zum Beispiel den? Es habe ja schon Sozialdemokraten gegeben, die | |
| mit großen Sätzen in die Geschichte eingegangen sind. Zum Beispiel Willy | |
| Brandt: „Mehr Demokratie wagen!“ Von Gerhard Schröder dagegen bleibe nur: | |
| „Hol mir mal ’ne Flasche Bier.“ Und jetzt kommt’s: „Bis heute kann ma… | |
| in seinem Gesicht sehen.“ Ein Brüller. Ist natürlich von [1][Markus Söder]. | |
| Der Saal grölt. | |
| Das nur mal so zur humoristischen Standortbestimmung, damit man gleich | |
| weiß, auf welchem Niveau man sich hier in Passau befindet. Wobei: Das Thema | |
| Bier passt natürlich. Nicht unbedingt für den Redner, der für gewöhnlich | |
| eine gepflegte Cola light bevorzugt, aber für die Veranstaltung. Schon um 9 | |
| Uhr in der Früh sind hier die ersten Masskrüge geleert, die Stimmung ist | |
| entsprechend. | |
| In jedem Fall ist diese Veranstaltung, zur der alljährlich die CDU Peine | |
| genauso pilgert wie der CSU-Freundeskreis Paderborner Land oder eine | |
| Abordnung der Österreichischen Volkspartei, etwas Außergewöhnliches. Dieses | |
| „Hochamt derjenigen mit gesundem Menschenverstand“, diese „ultimative | |
| Fankurve der CSU“, so die Beschreibungen der CSU-Landesleitung, gibt es | |
| definitiv nirgends sonst. Man mag freilich einwenden, das könnte auch | |
| Gründe haben. | |
| ## Bayern gegen den Rest der Welt | |
| Das Original. Noch so ein Label, das hier gern bemüht wird. Stimmt | |
| natürlich so wenig wie Andreas Scheuers einstige Behauptung, dass sich | |
| 10.000 Besucher in der Dreiländerhalle befänden. Inzwischen hat man die | |
| Zahl etwas relativiert: „Gefühlt“ 10.000 seien da, heißt es nun Jahr für | |
| Jahr. | |
| Das Urheberrecht aufs Original jedenfalls hat eigentlich der Bayerische | |
| Bauernbund, der 1919 die erste politische Aschermittwochskundgebung im | |
| nahegelegenen Vilshofen veranstaltete. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es | |
| zunächst die damals noch starke Bayernpartei, die das Format zum | |
| politischen Schlagabtausch kaperte. Erst dann stieg auch die CSU ein. Noch | |
| heute sind die kraftvollen Auftritte von Franz Josef Strauß – ursprünglich | |
| auch in Visholfen im Wolferstetter Keller, später dann in der | |
| Nibelungenhalle in Passau – im kollektiven Gedächtnis der Partei fest | |
| verankert. | |
| Zurück zu Söder, demzufolge der Politische Aschermittwoch „der geilste | |
| Termin des Jahres für jeden Politiker“ ist. Und der gleich zu Beginn seiner | |
| Rede klarmacht, worum es geht: Bayern gegen den Rest der Welt. Oder | |
| zumindest den Rest Deutschlands. | |
| ## Bayerische Flagge auf dem Mond | |
| „Tachchen, Moin Moin, Hallöchen“, begrüßt er seine Fans mit verstellt ho… | |
| Stimme. So begrüße man sich im Norden. Aber: „Das ist nichts für uns. Wir | |
| sagen: Servus und Grüßgott in Bayern.“ Man fühlt sich gleich zwei, drei | |
| Jahrzehnte zurückversetzt, als in Bayern noch „tschüssfreie Zonen“ | |
| ausgerufen wurden und es sich mit billigen Preußenklischees gut punkten | |
| ließ. Passau hingegen wird für heute von Söder zur „ampel- und | |
| wokenessfreien Zone“ ausgerufen. | |
| Der Rest ist business as usual. Da wird die Ampel als Kiffer-Connection | |
| bezeichnet, das neue Wahlrecht als „echte Ampelsauerei“, die Bayern mundtot | |
| machen solle. Es geht gegen den Länderfinanzausgleich und die | |
| Erbschaftssteuer. An allem sei überhaupt nur der Neid auf Bayern schuld. | |
| Auf das Land, das die sechstgrößte Volkswirtschaft Europas sei, die meisten | |
| Dax-Unternehmen habe, die meisten Handwerksmeister, die meisten | |
| Nobelpreise, das beste Essen der Welt und die niedrigste Kriminalitätsrate. | |
| Und: „Mal ganz ehrlich: So eine bayerische Flagge auf dem Mond, das würde | |
| mir gefallen.“ | |
| Durch die Halle werden ein paar ausgewählte Schilder getragen. „Die Ampel | |
| muss weg“, steht darauf. Oder: „Nur die Union kann Deutschland retten.“ | |
| Oder: „M. Söder Superstar“. Die Standing Ovations für den Superstar | |
| jedenfalls sind nicht inszeniert. | |
| ## „Landespapa und CSU-Daddy“ | |
| Auch zum Thema Bildung hat der „Landespapa und CSU-Daddy“, wie Söder sich | |
| selbst nennt, einiges zu sagen. Etwa dass das Bremer Abitur bestenfalls die | |
| Qualität einer niederbayerischen Baumschule habe. Nach einer Entschuldigung | |
| bei den niederbayerischen Baumschulen fragt Söder noch: „Was unterscheidet | |
| meinen Hund Molly von Kevin Kühnert und Ricarda Lang?“ Antwort: „Mein Hund | |
| hat eine abgeschlossene Ausbildung.“ | |
| Zur [2][AfD] findet der CSU-Chef ein paar wenige, aber deutliche Worte: | |
| „Sage bitte diesmal keiner, er hätte es nicht gewusst“, bittet er. „Lasst | |
| uns die Demokratie gemeinsam verteidigen. Wir haben nur eine.“ Die | |
| AfD-Fraktionschefin Katrin Ebner-Steine bezeichnet er als „Leni Riefenstahl | |
| für Arme“, Björn Höcke als „Putin-Pudel Nummer eins“. | |
| ## Vergleich mit Margot Honecker | |
| Vor allem ist es ein Versprechen, das sich durch Söders Auftritt zieht: die | |
| Absage an Schwarz-Grün im Bund: „Wir wollen keine Grünen in der nächsten | |
| Bundesregierung. Grün ist out. Schluss mit den Oberlehrern und | |
| Besserwissern.“ | |
| Die Attacken gegen Grün unterscheiden sich nicht von den [3][Bierzeltreden | |
| während des Wahlkampfes], sind eher noch eine Spur härter. | |
| Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck wolle Sozialismus in Deutschland, | |
| sagt Söder. Bundesumweltministerin Steffi Lemke wiederum bezeichnet er als | |
| „grüne Margot Honecker“. Sie sei ein Musterbeispiel für den Versuch der | |
| Grünen, die Freiheit der Fleißigen durch immer neue Auflagen | |
| einzuschränken. | |
| Und dann gibt sich Söder noch ganz in der Tradition der separatistischen | |
| Bayernpartei: „Wenn ihr uns nicht wollt, dann macht es halt allein“, ruft | |
| er in Richtung Berlin. „Bayern kann ohne Deutschland leichter leben als | |
| Deutschland ohne Bayern.“ | |
| Meint er wahrscheinlich nicht so. Genauso wenig wie den Vorschlag, nicht | |
| nur Radio Bremen und den Saarländischen Rundfunk einzusparen, sondern auch | |
| noch die dazugehörigen Bundesländer. Am Aschermittwoch weiß das ja keiner | |
| so genau. Sorgen jedenfalls, so das überraschende Fazit, müsse sich keiner | |
| machen: „Der Fritz und ich werden das schon richten und wuppen in | |
| Deutschland.“ | |
| 14 Feb 2024 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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