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# taz.de -- Politikerderblecken am Nockherberg: Die Traktoren, die sie riefen
> „Warum miteinander, wenn’s auch gegeneinander geht?“ Maxi Schafroth hä…
> Bayerns Staatsspitze auf dem Nockherberg den Spiegel vor.
Bild: Fast nicht wiederzuerkennen: Christian Lindner, Markus Söder und Robert …
München taz | Man kann sagen, was man will, aber es hat schon was: dieses
ganz spezielle bayerische Schauspiel, das es tatsächlich nur hier gibt.
Manche sagen: nur hier geben kann. Klar, letztendlich ist es die
Werbeveranstaltung einer Brauerei, und auch das Politikerderblecken bleibt
meist ein folkloristisches Ritual ohne allzu großen Nachhall.
Aber wenn man sie dann sieht, wie sie da sitzen, die Masskrüge mit dem
hochprozentigen Starkbier vor sich, und die Predigt des Fastenredners eine
Stunde lang über sich ergehen lassen müssen, denkt man sich dann doch: Kann
ja vielleicht nichts schaden. Zwei Wochen, nachdem sie beim politischen
Aschermittwoch [1][kräftig ausgeteilt haben], müssen sie nun endlich mal
wieder einstecken.
Es ist zum vierten Mal der Kabarettist Maximilian Schafroth, der den
Politikern so richtig einschenken darf – und dies auch genüsslich tut. Aber
anstatt sich reihum die Kabinettsmitglieder und Oppositionsvertreter
vorzuknöpfen, zu jeder und jedem ein paar launige, frotzelnde Bonmots zum
Besten zu geben, nimmt sich der Allgäuer diesmal dem großen Ganzen an, das
in unserer Demokratie und vor allem auch unter tatkräftiger Mithilfe
gewisser bayerischer Akteure gerade gewaltig schiefläuft.
Er habe heute eigentlich eine ganz ruhige Rede halten wollen, behauptet
Schafroth. „Aber ich muss ja mit eurem Flow mitgehen, das ist ja eine
Spirale der verbalen Hochrüstung, was ihr die letzten zwölf Monate
abliefert.“ So rechtfertigt er sich, nachdem er den Saal mit Megaphon und
Warnweste und ein paar Bauernbuben im Schlepptau gestürmt hat: „Wir haben
zwischen den Zeilen eurer lauten Reden die Einladung vernommen, hier heute
das Gebäude zu stürmen. Hier sind die Traktoren, die ihr rieft.“
## Söder lacht gequält
Wer gemeint ist, ist klar: allen voran die beiden, die da ganz vorne vor
ihm sitzen – zu ihrem Leidwesen auch noch am selben Tisch: Bayerns
Ministerpräsident Markus Söder und sein Stellvertreter Hubert Aiwanger.
Ihnen und ihren Claqueuren hält Schafroth vor, die Demokratie mal an ihre
Grenzen bringen zu wollen „wie den alten Diesel am Reschenpass – weg von
den langweiligen Fakten, hin zur Emotion.“
Wenn sein Vater am Stammtisch nach zehn Halben so einen Schmarrn verzapfen
würde „wie der Markus am Aschermittwoch nach einer Mass Cola light“, dann
läge der Haustürschlüssel nach Mitternacht nicht mehr unter der Matte. „Da
schläft der eine Woche in der Kälberbox.“ Der Angesprochene lacht mehrfach
während der Rede, im Gegensatz zum Großteil des Publikums jedoch meist eher
gequält.
Alles, was in der bayerischen Landespolitik Rang und Namen hat, ist am
Mittwochabend im Paulaner-Festsaal auf dem Nockherberg versammelt. Auch
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert ist da, neben dem christsozialen Bayern
Alexander Dobrindt ist er dieses Mal jedoch der einzige prominente
Vertreter der Bundespolitik.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth etwa, früher gern Gast bei dem
Spektakel und mitunter auch schon selbst Protagonistin im auf die
Fastenrede folgenden Singspiel, verzichtete diesmal lieber auf die
Teilnahme. Dabei hätte dieser Abend anderen Veranstaltungen gegenüber einen
deutlichen Vorteil gehabt: Die Gefahr, [2][an der falschen Stelle zu
klatschen], bestand nicht.
Überhaupt ist das mit dem Beifall auf dem Nockherberg ja immer so eine
Sache. Böse Miene zum manchmal bösen Spiel zu machen, verbietet sich
eigentlich. Man will ja nicht als jemand gelten, der keinen Spaß versteht.
So wird herzlich gelacht, auch wenn es wehtut.
Tiefsitzender Groll ist selten, auch wenn Ausnahmen natürlich die Regel
bestätigen. Als der damalige Fastenredner Michael Lerchenberg 2010 die
sozialpolitischen Vorstellungen des damaligen FDP-Chefs Guido Westerwelle
mittels eines KZ-Vergleichs beschrieb, fehlte künftig nicht nur Westerwelle
auf dem Nockherberg, sondern auch Lerchenberg.
Während Westerwelles Ärger verständlich war, taten sich die
CSU-Politikerinnen Barbara Stamm und Emilia Müller 2016 eher keinen
Gefallen, als sie ankündigten, den Nockherberg künftig zu boykottieren,
nachdem Parteifreundin Ilse Aigner von Lerchenberg-Nachfolgerin Luise
Kinseher als „Kellerprimel“ bezeichnet wurde.
Aigner selbst, mittlerweile Landtagspräsidentin, geht weiterhin gern zum
Starkbieranstich und amüsiert sich dem Anschein nach jedes Mal prächtig.
Nicht selten war sie auch als Figur im Singspiel besetzt. Und das ist ja
ohnehin das Wichtigste: vorkommen. In der Rede, im Singspiel. Dabei sein
ist alles, ob man nun besser oder schlechter wegkommt, zweitrangig.
## Aiwanger in der Hubertät
2,6 Millionen Menschen schauten sich die Live-Übertragung im Fernsehen an.
Es gibt nur eine Sendung des Bayerischen Rundfunks, die es Jahr für Jahr
auf noch höhere Einschaltquoten bringt: der Fasching in Veitshöchheim. Auch
hier kommt es regelmäßig zu einem Schaulaufen der bayerischen
Politprominenz, in diesem Fall meist aufwendig kostümiert. Diesmal hat die
Faschingssendung den beiden Singspiel-Regisseuren Stefan Betz und Richard
Oehmann das Setting für ihr Stück „Albträumereien“ geliefert, das es am
Mittwochabend zu sehen gab.
Die Handlung: Noch in ihren Verkleidungen als Bismarck (Söder),
Maurerbursch (Aiwanger) oder Barbie (Grünen-Fraktionschefin Katharina
Schulze) landen die Politiker:innen auf der Heimfahrt von
Veitshöchheim in einem recht surrealen Krankenhaus. Dort treffen sie auf
einige Kollegen aus Berlin und München, die ebenfalls – wenn auch ob ihrer
Verkleidungen unerkannt – auf der „Fastnacht in Franken“ mitgefeiert habe…
Friedrich Merz, Olaf Scholz, Robert Habeck, Christian Lindner und der
Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter. In der mysteriösen Klinik werden
sie nun jeweils zum Albtraum des anderen – was sie freilich größtenteils
ohnehin schon sind.
Das Singspiel ist wie stets gespickt mit Anspielungen und Wortwitz, kann
aber nicht mit den letzten Produktionen der beiden Regisseure mithalten,
die erzählerisch eine rundere Sache und auch musikalisch auf einem anderen
Niveau unterwegs waren. Dennoch ist es natürlich amüsant, den zum großen
Teil hervorragenden Darstellerinnen und Darsteller des Politpersonals bei
ihrem Spiel zuzusehen.
Und natürlich ist es (bitter)komisch, wenn sich Aiwanger zugute hält, dass
er sich „halt die Unbekümmertheit [3][aus meiner Jugend] bewahrt“ habe, und
singt: „Diese ewig junge Maskulinität heißt Hubertät, heißt Hubertät.“…
wenn sich Robert Habeck zerknirscht beklagt: „Es gibt ja vieles, was man
als weiß gelesener Cis-Mann nicht mehr machen kann.“ Oder wenn schließlich
gar eine Lautsprecherdurchsage ertönt und der CDU-Chef gesucht wird: „Der
kleine Friedrich möchte bitte an die Macht kommen.“
29 Feb 2024
## LINKS
[1] /Politischer-Aschermittwoch-der-CSU/!5989128
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[3] /Affaere-um-Nazi-Flugblatt/!5953175
## AUTOREN
Dominik Baur
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