# taz.de -- Kabarettist über Nockherberg: „Es ist ein gefährlicher Tanz“ | |
> In diesem Jahr wird Maximilian Schafroth auf dem Nockherberg mit der | |
> anwesenden Politprominenz ins Gericht gehen. Das darf richtig wehtun. | |
Bild: Will in keine Rolle schlüpfen: Kabarettist Maxi Schafroth | |
taz: Herr Schafroth, Ihr aktuelles Programm heißt „Faszination Bayern“. Was | |
ist an Bayern faszinierend? | |
Maximilian Schafroth: Dieses Ikonografische, die in Loden gehüllte | |
Selbstzufriedenheit, die g’wamperte Gemütlichkeit. Das hat sehr amüsante | |
Züge. Wenn man wie ich in einem kleinen Dorf aufwächst, ist diese | |
Überlegenheit des Lodens erst mal ganz selbstverständlich. Meine Oma war | |
immer voller Respekt, wenn der Landrat oder irgendeine CSU-Abordnung zu uns | |
ins Dorf kam. Aber irgendwann fängst du an, das zu hinterfragen, die Leute | |
ein bisschen zu reizen. Dann schaust du, wie weit du gehen kannst, was das | |
zum Beispiel für Konsequenzen hat, wenn du dem Landrat den Auspuff vom | |
Mercedes zuklebst. | |
Was hatte es für welche? | |
Meine Oma war stocksauer. | |
War das ein Lausbubenstreich oder eine politische Protestaktion? | |
Mich hat das schon immer subtil genervt: dass meine Oma das so wichtig | |
gehabt hat mit diesen vermeintlich bedeutenden Leuten. Ich will mich aber | |
nicht so hinstellen, als wäre ich der Rebell gewesen, der auf die Straße | |
gegangen ist und gegen die Unterdrückung der Frau im Allgäu demonstriert | |
hat. Ich habe schließlich eine Bankausbildung gemacht. | |
Haben Sie Bammel vor Ihrem Auftritt auf dem Nockherberg? | |
Nein, es ist ein schönes Aufgewühltsein. Ich bin gespannt, aber ich habe | |
keinen übermäßigen Respekt. | |
In welche Rolle werden Sie schlüpfen? | |
In keine. Ich bleibe ich selbst. Den klassischen Weg werde ich aber nicht | |
wählen. Ich will es nicht so gravitätisch machen wie manche meiner | |
Vorgänger, es muss alltäglich daherkommen. Astrid Lindgren hat mal gesagt: | |
Wenn du was Großes sagen willst, nimm kleine Worte. Vielleicht hat sie’s | |
auch nicht gesagt, aber es ist ein sehr schöner Satz. | |
Es hat ja etwas von Hofnarrentum. Sie können den Politikern die Leviten | |
lesen, bieten ihnen aber auch eine Bühne, auf der sie zeigen können, wie | |
humorvoll sie sind. Besteht die Gefahr, instrumentalisiert zu werden? | |
Überhaupt nicht. Ich denke mir eher: Ich habe jetzt das recht, über das zu | |
reden, was mich bewegt, was ich gerecht, was ich ungerecht finde, wo sich | |
was ändern muss. Ich darf reden, und die müssen mir zuhören. Vereinnahmung | |
würde ich eher sehen, wenn es außerhalb der Rede Verpflichtungen gäbe. Ich | |
würde mich zum Beispiel nicht danach mit in diese Diskussionsrunde mit den | |
Politikern setzen. Aber die Rede zu halten, das ist für mich eine große | |
Ehre. | |
Man muss aber schon „g’schert“ sein, man kann die Kritik ja nicht so | |
formulieren, wie man das in einem persönlichen Gespräch machen würde. | |
Sicher, es ist ein gefährlicher Tanz. Ich muss da eine Ebene finden, wie | |
ich sage: Ich respektiere dich als Mensch, aber dein berufliches Tun, für | |
das kann ich dich schon mal während einer Umarmung hinten etwas abwatschen. | |
Ob es funktioniert, das muss ich erst ausloten. In meinem Programm mache | |
ich das zum Beispiel mit den Münchnern. Wenn ich heute in München spiele, | |
dann fange ich an, mich über den hiesigen Wohlstand, über die Mieteinnahmen | |
und so weiter zu mokieren. Und das geht so weit, dass ich sage: Ihr | |
dekadentes Pack! Und die Zuschauer lachen schallend. | |
Der Unterschied ist natürlich: Von diesen Münchnern denkt dann jeder, wie | |
gut Sie doch seinen Nachbarn getroffen haben. Aber wenn Sie einen Markus | |
Söder direkt ansprechen, weiß er, dass nur er gemeint sein kann. | |
Das stimmt. Obwohl es ja neuerdings mehrere Söders gibt. Er ist ja grad in | |
der Selbstfindung. Ich bin mir aber auch noch nicht sicher, wie weit man | |
gehen kann und wie weit ich gehen will. Natürlich muss ich bei aller | |
Empathie bereit sein, etwas zu sagen, was wehtut. Auf bloßes Rumschimpfen | |
habe ich aber keinen Bock. | |
Gibt es für Sie Grenzen bei der Nähe zur Politik? Manche Kollegen von Ihnen | |
kommen auch gern mal zu Parteiveranstaltungen. | |
Das würde ich nicht machen. Aber es gibt schon immer wieder Anfragen. Mit | |
zunehmender Aktivität im politischen Kabarett gewinnt man in der | |
öffentlichen Wahrnehmung einen gewissen Wert, der für manche auch | |
reinwaschend sein kann. Das soll nicht überheblich klingen. Aber wenn ich | |
mit dem Söder vor einem Aufsteller der Staatsregierung ein Foto machen | |
würde, das würde der CSU in die Hände spielen. Da halte ich mich bewusst | |
fern. | |
Jetzt sind ja nicht nur Sie neu beim Nockherberg, sondern auch ein Großteil | |
Ihrer Protagonisten… | |
Ja, die Stunde null. Ich find das gut: Das gibt mir mehr Stoff, da kann ich | |
einfach mal den Zirkus in seiner neuen Formation beschreiben. Der Hubert | |
Aiwanger zum Beispiel, der ist für mich ein gefundenes Fressen. Manchmal, | |
wenn ich versuche einzuschlafen, denke ich an den Aiwanger, dann muss ich | |
lachen und bin wieder hellwach. In meinen Träumen kommt der immer wieder | |
als so ein rotbackiger Kasperl vor, das ist einfach eine tolle Figur. Und | |
beim Söder, das ist halt diese Glattheit. Der erinnert mich ein bisschen an | |
meine ehemaligen Bankkollegen, die Führungspositionen angestrebt haben. Du | |
hast immer gemerkt, wo der Wind herkommt, da haben die sich gedreht. | |
Sind Männer denn leichter zu derblecken? | |
Ich finde schon. Der Grad der Selbstgefälligkeit, dieser Gedanke, | |
unantastbar zu sein, aber auch das Gefälle zwischen Eigen- und | |
Fremdwahrnehmung ist bei männlichen Akteuren wesentlich größer. Das kann | |
man natürlich wunderbar parodieren. Oder die Pseudoreflektiertheit eines | |
Markus Söder. So was findet man bei Frauen relativ selten. Die Barbara | |
Stamm war da noch relativ gut. | |
Wie sieht’s mit Oppositionsführerin Katharina Schulze aus? | |
Bei der merke ich: Das ist meine Generation. Vor 15 Jahren bin ich selbst | |
in der Schülersprecherkonferenz gesessen, und wenn ich heute die Schulze | |
höre und die Augen zumache, höre ich die Schülersprecherin neben mir, | |
dieses quirlige Weltverbessernde: Aber wir müssen doch Hausaufgabenhilfe | |
anbieten, und wir wollen die Welt doch besser machen. | |
Wie sahen Ihre Milieustudien mit Blick auf den Nockherberg aus? | |
Ich war zweimal im Landtag und habe eine Plenarsitzung mitverfolgt. | |
Irgendwann haben sie alle zu mir hochgeschaut und sich gegenseitig | |
angetippt. Dann sind plötzlich lauter CSUler gekommen und wollten Selfies, | |
aber das ging natürlich gar nicht. Und als ich vor denen weggerannt bin, | |
stand auf einmal wie so eine Statue der Söder vor mir, und ich wäre fast in | |
ihn reingerannt. Wir haben uns in die Augen geschaut, das war ein bisschen | |
wie in „Spiel mir das Lied vom Tod“, da hat nur die Mundharmonika gefehlt, | |
und ich habe gedacht: Was mache ich jetzt? Ich kann dem nicht lächelnd die | |
Hand schütteln, da sind lauter Fotografen. Dann habe ich nur schnell | |
„Servus“ gesagt und hab mich aus dem Staub gemacht. | |
Manche Ihrer Vorgänger haben für Verärgerung gesorgt, vereinzelt sind sie | |
sogar aus dem Verkehr gezogen worden. Zuletzt hat Landtagspräsidentin | |
Barbara Stamm den Nockherberg boykottiert – wegen vermeintlich | |
frauenfeindlicher Pointen von Luise Kinseher. | |
Das kann passieren. Dass einzelne Politiker vielleicht nicht wieder kommen, | |
muss man einkalkulieren, vielleicht komm ich ja auch nicht wieder. Ich | |
glaube aber, dass die Gratwanderung grundsätzlich möglich ist. Es geht ja | |
nicht um das Abwatschen um des Abwatschens willen. Die Dinge, die an | |
politischen Schaltstellen falsch laufen, die kann man klar benennen, auch | |
satirisch überspitzen. Und an diesen Schaltstellen sitzen halt nun mal | |
Personen, deshalb muss ich mir die auch vorknöpfen. | |
12 Mar 2019 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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