| # taz.de -- Kabarettist Helmut Schleich über CSU: „Die Messer sind schon auf… | |
| > Der Münchner Kabarettist Helmut Schleich erwartet nach der Bayern-Wahl | |
| > ein Gemetzel in der CSU – und wünscht sich inzwischen schon Strauß | |
| > zurück. | |
| Bild: „So vielfältig strukturiert wie in Berlin“: Bayern vor der Wahl | |
| taz: Herr Schleich … | |
| Helmut Schleich: Wir reden jetzt aber nicht nur über den Söder, hoffe ich | |
| mal! | |
| Nein, nein, aber ich fürchte, ganz ohne ihn wird’s nicht gehen. Der drängt | |
| sich irgendwie auf. | |
| Komisch, gell? | |
| Es geht um Folgendes: Sie müssen uns bitte erklären, was in Bayern gerade | |
| abgeht. Unsere Leser im Norden kennen sich überhaupt nicht mehr aus. | |
| Mit Verlaub, aber die haben sich noch nie ausgekannt. Manchmal denke ich | |
| mir schon: Haben die Norddeutschen gar kein anderes Feindbild? Manchmal | |
| wird Bayern – auch in der taz – dargestellt, als wäre es die Hölle auf | |
| Erden. So schlimm ist es aber nicht. | |
| Noch nicht, aber es drohen Berliner Verhältnisse, hört man. [1][Die CSU | |
| steht laut Bayerntrend nur noch bei 33 Prozent.] Was ist da los? | |
| Das Bayern von heute ist nicht mehr das von vor 30 Jahren. Die | |
| Bevölkerungsstruktur hat sich stark geändert. Gerade in der südbayerischen | |
| Boom-Region sitzt nicht mehr der Bayer, der die Einheit aus Staatspartei, | |
| Bergen, Bier und Blasmusik als seine Identität begreift. Die Bevölkerung | |
| ist hier so vielfältig strukturiert wie in Berlin oder anderen europäischen | |
| Metropolen. | |
| Das ist aber ein langer Prozess, der nicht den zu erwartenden historischen | |
| Absturz gegenüber der letzten Wahl erklärt. 2013 hat die CSU noch 47,4 | |
| Prozent geholt. | |
| Natürlich kam in der Zwischenzeit das Flüchtlingsthema dazu, das für viele | |
| Leute ein absolutes Reizthema ist. Außerdem hat der Seehofer es früher ganz | |
| gut verstanden, die verschiedenen Flügel seiner Partei zu vereinen. Aber | |
| die, die im Moment bei der CSU den Ton angeben, haben das völlig aus dem | |
| Blick verloren. Die sind vor allem Produzenten ihrer selbst. Wenn man | |
| schaut, was der Söder die letzten Jahre gemacht hat, dann war das ein | |
| einziges Sägen an dieser Struktur der CSU, um selber nach oben zu kommen. | |
| Es heißt doch immer, Markus Söder habe sich ein so effektives Netzwerk in | |
| der Partei aufgebaut. | |
| Das wird womöglich überschätzt. Der Söder ist Franke, oder wie wir hier | |
| sagen: Er kommt aus den Kolonien. Und die sehr mächtige oberbayerische CSU | |
| ist ihm gegenüber wohl nur im Erfolgsfall loyal. Außerdem hat er mit | |
| markigen Sprüchen und unüberlegten Äußerungen viele Parteifreunde in der | |
| Mitte vergrault hat. Die wollen so einen Egomanen nicht als führende Figur | |
| der CSU sehen. Ich denke, mittlerweile sind die Messer in der Tasche schon | |
| aufgeklappt. | |
| Das heißt, die legendäre Geschlossenheit der CSU hält nur noch bis zum 14. | |
| Oktober? | |
| Das ist gut möglich. Natürlich bräuchte die Partei dann sehr schnell eine | |
| Ersatzlösung. Wenn die wirklich die Rebellion wagen, bliebe momentan | |
| eigentlich nur die Ilse Aigner. Und der wird ja immer nachgesagt, dass ihr | |
| das Alpha-Gen fehlt. | |
| Sie könnte ja im Amt wachsen. | |
| Was ja fast jeder tut. Nur beim Söder war’s ein bisschen anders. | |
| Früher haben Leute wie Sie einen Stoppt-Strauß-Button am Parka getragen, | |
| heute monieren Sie, dass ein Söder halt doch nicht an das Format eines | |
| Strauß rankommt. Ist das nicht eine verkehrte Welt? | |
| Buttons habe ich zwar keine getragen, aber es stimmt: Strauß war das große | |
| Feindbild. Vielleicht ist es ein bisschen Sentimentalität, dass ich mir | |
| manchmal wünsche, da säße einer, an dem man sich richtig reiben kann, gegen | |
| den man aus handfesten Gründen sein kann. Es gibt ja jetzt auch diese | |
| Demonstrationen in München. Die sind von ihrer Größe her schon beachtlich, | |
| aber das hat für mich etwas von Polit-Wellness. Da geht es um Anstand, und | |
| man ist gegen die Politik der Angst, was alles wichtig ist; aber es ist | |
| nichts Handfestes. Gegen die dritte Startbahn am Flughafen München würden | |
| leider keine 40.000 Leute auf die Straße gehen. Man darf aber den echten | |
| Strauß auch nicht mit dem Mythos verwechseln, der heute gepflegt wird. | |
| Letztlich mache ich das ja auch, in dem ich ihn im Kabarett als satirisches | |
| Stilmittel verwende. Strauß war aber auch nur ein Politiker. | |
| Söder sieht sich als rechtmäßigen Erbe von Strauß. | |
| Natürlich. Das tun sie alle. Allen voran Stoiber, der ja mehr ein | |
| sprechender Aktendeckel war. | |
| Sie sehen in Söder nichts, was ihn für Strauß’ Fußstapfen geeignet | |
| erscheinen ließe? | |
| Ganz ehrlich: Nein. Für mich hat die Rolle des Ersatzkönigs nach Strauß am | |
| ehesten noch der Seehofer ausgefüllt. | |
| Der wurde einst als der Messias in Bayern bejubelt – jetzt gibt er aber in | |
| dem Drama von der untergehenden CSU nur noch den tragischen Helden ab. | |
| So brutal es klingt: Es scheint ihm nur noch darum zu gehen, den Erfolg, | |
| den er selbst der CSU beschert hat, zu zerstören, damit der Nachfolger auf | |
| keinen Fall davon profitieren kann. Nach dem Motto: Wenn’s schon rum ist, | |
| dann gehen wir aber beide. Außerdem treibt ihn der tiefsitzende Groll gegen | |
| Merkel an. | |
| Und dafür verrät er seine eigenen Überzeugungen? | |
| Wer kennt schon die Überzeugungen von Horst Seehofer? Möglicherweise nicht | |
| mal er selber. Aber das ist tatsächlich sehr befremdlich. Ich mache auch | |
| gar keinen Hehl daraus, dass ich den Seehofer nicht für den | |
| allerschlechtesten Ministerpräsidenten gehalten habe. Dass er jetzt | |
| dermaßen versucht, verbrannte Erde zu hinterlassen, ist traurig. | |
| Jetzt haben wir viel über die CSU geredet … | |
| … was wir eigentlich vermeiden wollten. | |
| Dann lassen Sie uns über die SPD reden: Ist es hoffnungslos nostalgisch, | |
| wenn man mit der SPD Mitleid hat? Immerhin gab es auch in Bayern schon | |
| große Sozialdemokraten. | |
| Ja? Wen? | |
| Zum Beispiel den Vater der bayerischen Verfassung, Wilhelm Hoegner, oder | |
| den Münchner Alt-OB Hans-Jochen Vogel … | |
| Das ist sehr lange her. Nein, mit der SPD darf man nicht das geringste | |
| Mitleid haben. Wenn man bei jeder Gelegenheit seine Wähler verrät und sich | |
| der Macht an den Hals wirft, dann ist es irgendwann mit der Glaubwürdigkeit | |
| vorbei. Da gibt es kein Mitleid. | |
| Aber das war die SPD im Bund. | |
| Na und? Was ist denn an der Bayern-SPD so toll? Ihre Chefin Natascha Kohnen | |
| plakatiert: „Anstand“. Ist das jetzt auch schon eine politische Forderung? | |
| Oder der Titel des Wahlprogramms: „Zukunft im Kopf, Bayern im Herzen“. Wenn | |
| man sich die Zukunft der SPD vorstellt, dann ist wohl nicht so wahnsinnig | |
| viel drin im Kopf. Und dass Frau Kohnen Bayern im Herzen haben soll – das | |
| wirkt zumindest nicht so. Die bessere CSU sein zu wollen – das kann doch | |
| nicht funktionieren. Wenn sich die bayerische SPD auf den Wesenszug des | |
| Bayern als Grantler konzentriert hätte, da hätte sie ihre Nische finden | |
| können. Aber jetzt ist es eh gelaufen. | |
| Gibt es denn gar keinen Grund mehr, die SPD zu wählen? | |
| Ich wüsste keinen. Ich hab’ so einen Zorn auf diese Partei. Auch wenn sie’s | |
| eigentlich gar nicht mehr wert ist. | |
| Klingt ein bisschen nach enttäuschter Liebe. | |
| Ich gebe zu: Ich war selber lange in der SPD. Ich bin in den Achtzigern | |
| eingetreten und war anfangs auch aktiv. Später war ich aber nur noch | |
| Karteileiche. | |
| Früher war die SPD ja eine Volkspartei – sogar in Bayern. Momentan beklagen | |
| alle den Niedergang der Volksparteien. Was steht eigentlich dagegen, wenn | |
| sich das Parteiensystem völlig neu ordnet? | |
| Gar nichts. Eigentlich hat sich auch gar nicht so viel verändert: Wir haben | |
| in Bayern immer noch einen rechten Block von etwa 50 bis 60 Prozent und | |
| daneben einen linken Block von 30 bis 35 Prozent. Es verteilt sich halt nur | |
| auf mehr Parteien. | |
| Besonders scheinen die Grünen von der Krise der CSU zu profitieren. Ist | |
| Grün das neue Schwarz? | |
| Die Grünen haben sich schon gewaltig verändert. Einen Personality-Wahlkampf | |
| wie den einer Katharina Schulze hätte es früher nicht gegeben. Die lechzt | |
| ja förmlich nach einem Ministeramt. Ich denk’ mir da immer: Nichts erlebt, | |
| aber regieren wollen. Um was es wirklich gehen soll, außer um sie selber, | |
| ist mir nicht ganz klar. | |
| Darum, grüne Politik in Bayern umzusetzen? | |
| Ja, aber was heißt das schon? Gut, das mit den Volksbegehren gegen Olympia | |
| hat sie damals schon gut gemacht. Aber ihr Auftreten hat eine gewaltige | |
| Penetranz. | |
| Sie ist ja nur die eine Hälfte des grünen Spitzenduos. | |
| Der Ludwig Hartmann ist eine andere Nummer. Der fängt aber erst an, bekannt | |
| zu werden. Obwohl er ja schon seit zehn Jahren im Landtag sitzt. Aber das | |
| war immer schon eine Spezialität der bayerischen Grünen, dass sie ihr | |
| Führungspersonal komplett unbekannt gehalten haben – bis Frau Schulze kam. | |
| Wäre Schwarz-Grün ein denkbares Szenario für Bayern? | |
| Vorstellbar ist das schon. Der pragmatische Zugang zur Macht ist ja in | |
| beiden Parteien stark ausgeprägt. Für die Grünen wären bayerische | |
| Staatsministerposten aber nicht ohne. Und die CSU ist mit allen Wassern | |
| gewaschen. Fünf Jahre in der Regierung als Juniorpartner können eine Partei | |
| zermürben. Die FDP hat das in Bayern schon erlebt. | |
| Richtig überraschen würde Sie also gar nichts? | |
| Doch. Wenn die Grünen, die Freien Wähler, die SPD und die FDP an der CSU | |
| vorbei eine Regierung bilden würden. Nach dem neuesten Bayerntrend wäre das | |
| rein rechnerisch sogar möglich. | |
| 14 Oct 2018 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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