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# taz.de -- Landtagswahlen in Bayern: Die CSU im freien Fall
> Mit dem christsozialen Credo dürfte es im Freistaat bald vorbei sein.
> Allen Umfragen zufolge verliert die CSU an Wählerstimmen. Eine
> schmerzhafte Zäsur steht bevor.
Bild: Schuld an historischem CSU-Tief: Danke Horst Seehofer und Markus Söder
München dpa | Der bayerische Landtag ist ein altehrwürdiges Gebäude hoch
über der Isar, mit grandiosem Blick über München, mit festen Grundmauern.
Doch die Landtagswahl am kommenden Sonntag könnte diese Grundmauern ein
klein wenig erschüttern.
Allen Umfragen zufolge muss die [1][CSU mit einem dramatischen Absturz] und
dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit rechnen – diesmal vielleicht für
immer? Und: Bis zu sieben Parteien können sich begründete Hoffnungen auf
einen Einzug ins Münchner Maximilianeum machen, inklusive der
rechtspopulistischen AfD. Der Freistaat steht damit vor einer Zäsur – und
die CSU ganz besonders.
„Es spricht einiges dafür, dass wir tatsächlich eine große Wende sehen
werden“, sagt die Politikwissenschaftlerin Ursula Münch. Es könne sein,
dass nun auch in Bayern die Zeiten absoluter Mehrheiten für eine Partei ein
für alle Mal vorbei seien. Diesen Nimbus, dieses Alleinstellungsmerkmal
drohe die CSU zu verlieren.
Die CSU blickt dem Wahlabend jedenfalls mit sorgenvoller Spannung entgegen.
Denn die Aussichten sind mies: Glaubt man allen aktuellen Umfragen, ist die
absolute Mehrheit in weiter Ferne, die 47,7 Prozent von vor fünf Jahren
sind unerreichbar. Zwischen 33 und 35 Prozent haben die Demoskopen zuletzt
ermittelt. Sogar die 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl im vergangenen
Herbst wären mittlerweile ein Ergebnis, mit dem die Christsozialen fast
zufrieden sein müssten.
## Höhen und Tiefen der Christsozialen
Längst ist die Frage nicht mehr, ob die Partei – wie schon zwischen 2008
und 2013 – einen Koalitionspartner braucht, sondern wie viele. Aus Markus
Söders Sicht ist das besonders bitter. Endlich war er im März dieses Jahres
am Ziel seiner Träume angelangt: Auf Druck der CSU-Basis, insbesondere der
Landtagsfraktion, musste Horst Seehofer das Ministerpräsidenten-Amt an
seinen ewigen Kontrahenten abgeben.
Und der ehrgeizige Nürnberger legte quasi vom ersten Tag an los,
präsentierte eine 100-Punkte-Regierungserklärung, mit Pflegegeld,
Familiengeld, bis hin zum [2][Raumfahrtprogramm „Bavaria One“.] Kosten:
rund eine Milliarde Euro. Langsam ging es in den Umfragen wieder nach oben,
auf mehr als 40 Prozent, 44 Prozent waren es in der Spitze. Doch dann kam,
befeuert von CSU-Chef und Bundesinnenminister Seehofer, der Berliner
Koalitionsstreit über die Flüchtlingspolitik, über Zurückweisungen an den
Grenzen.
Auch Söder schaltete sich ein, gab seine neue Möchtegern-Landesvater-Rolle
wieder auf – ein Fehler, räumen auch Gutmeinende heute rückblickend ein.
Erst spät trat der Ministerpräsident wieder auf die Bremse. [3][Dann kam
Seehofers Rücktritt vom Rücktritt,] es folgten neuer Streit und am Ende
auch noch der Fall Maaßen – und seither befindet sich die CSU fast schon im
freien Fall.
## Seehofer sieht sich nicht in der Verantwortung
Weil ein derart dramatischer Absturz droht, haben in der CSU – das ist neu
– schon vor der Wahl die wechselseitigen Schuldzuweisungen begonnen. Mühsam
versuchten Seehofer und Söder zwar zuletzt, wieder Geschlossenheit zu
demonstrieren. Doch sollte die Wahl tatsächlich ein Erdbeben auslösen, dann
dürfte es kein Halten mehr geben. Während Söder fest im Sattel zu sitzen
scheint, auch mangels personeller Alternativen, haben weite Teile der CSU
Seehofer als Hauptverantwortlichen für das erwartete Debakel ausgemacht.
Ob und wie lange sich der 69-Jährige als Parteichef halten kann, ist offen
– und dürfte ganz entscheidend vom Wahlergebnis abhängen. Die nächste
reguläre Parteivorsitzenden-Wahl ist eigentlich erst in einem Jahr – ob er
wirklich bis dahin weitermachen darf? Seehofer hat jedenfalls schon mehr
als deutlich zu verstehen gegeben, dass er sich nicht allein für eine
Wahlniederlage verantwortlich machen lassen will. Wie das alles weitergeht,
vermag in der CSU derzeit keiner zu sagen. Unklar ist auch, welche Folgen
ein CSU-Beben für die Bundesregierung hätte.
Halbwegs klar ist nur, dass in München bereits in der kommenden Woche die
Gespräche über eine Koalition beginnen dürften. Das Zeitfenster hierfür ist
durch die Bayerische Verfassung eng begrenzt: Schon in vier Wochen steht
die Ministerpräsidenten-Wahl an. Bis dahin sollte auch eine Koalition
gebildet sein.
## Die Grünen – Shootingstars dieses Wahlkampfes
Doch wer mit wem? Sollte es für die beiden Parteien reichen, ist eine
Koalition von CSU und Freien Wählern am wahrscheinlichsten, notfalls mit
der FDP als drittem Partner (wenn die den Sprung in den Landtag schafft).
Oder führt am Ende doch an Schwarz-Grün kein Weg vorbei?
Die Grünen mit ihren Spitzenkandidaten Katharina Schulze und [4][Ludwig
Hartmann] sind ja die Shootingstars dieses Wahlkampfs in Bayern. In allen
Umfragen liegen sie konstant auf Rang zwei hinter der CSU, und das mit
Abstand. Ein Erklärungsansatz für den Grünen-Höhenflug ist, dass diese es
schaffen, auch ehemalige Wähler der CSU zu sich zu ziehen, die mit deren
harten Asylkurs nicht einverstanden sind.
Ein weiterer Grund für das Grünen-Hoch dürfte auch die chronische Schwäche
der SPD in Bayern sein, die sich – glaubt man den Umfragen – bei der
Landtagswahl in dramatischer Weise fortsetzen könnte. Ob das an der
Performance der SPD in der großen Koalition in Berlin liegt? Oder daran,
dass die Grüne Schulze SPD-Spitzenkandidatin Natascha Kohnen in den
vergangenen Wochen die Show gestohlen hat? Oder an beidem?
## Wahlausgang ist völlig offen
Unter den Wahlgewinnern wird dagegen, wie zuvor schon im Bund und in vielen
anderen Bundesländern, die AfD sein. Deren erstmaliger Einzug in den
Landtag ist allen Umfragen zufolge fix. Die Sorgen vor einem raueren Klima
im Landtag sind groß.
Doch noch ist die Wahl nicht entschieden. Darauf verweisen voller Hoffnung
diejenigen, die in den Umfragen zurückliegen. Und davor warnen
besorgt-konzentriert diejenigen mit hohen Werten. Einer aktuellen Umfrage
zufolge ist jeder Zweite noch unsicher, ob und wen er wählt.
Auch das etwas spezielle bayerische Landtagswahlrecht, bei dem Erst- und
Zweitstimme zusammengezählt über die künftige Sitzverteilung im Landtag
entscheiden, könnte für deutliche Ausschläge im Ergebnis im Vergleich zu
den Umfragen sorgen. Mehr Klarheit wird erst am Sonntag ab 18.00 Uhr
herrschen. Endgültig und amtlich vielleicht sogar erst am frühen
Montagmorgen.
11 Oct 2018
## LINKS
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[3] /Kommentar-Seehofer-und-die-CSU/!5538186
[4] /Gruener-Spitzenkandidat-zur-Bayern-Wahl/!5538524
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