| # taz.de -- Glossar zur Bayernwahl: Wer san mia? | |
| > Söder sei Dank wissen die Bayern, wo sie ihre Kreuze aufhängen müssen. | |
| > Aber wo sollen sie sie machen? 17 Fakten zu einem historischen Tag. | |
| Bild: Grüße aus Bayern! | |
| Absolute Mehrheit | |
| Bundesländer werden von Koalitionen regiert, der Freistaat von einer | |
| Partei. Zumindest war das Jahrzehnte lang das Selbstverständnis der ▶CSU. | |
| Zwischen 2008 und 2013 gab es da zwar mal eine Ausnahme von der Regel, doch | |
| der damalige Ministerpräsident Horst Seehofer verstand es gut, dies nicht | |
| an die große Glocke zu hängen. Mit bloßem Auge war daher für kaum jemanden | |
| zu erkennen, dass da neben [1][der CSU] noch die FDP mitzuregieren | |
| versuchte. Bei der jetzigen Wahl spricht allerdings niemand mehr von der | |
| Möglichkeit einer absoluten Mehrheit – außer manchmal Seehofer, aber der | |
| tut das nur, um Markus ▶Söder zu ärgern. | |
| Aigner, Ilse | |
| Einst als mögliche Thronfolgerin [2][von Seehofer] aus dem Bund nach Bayern | |
| zurückgeholt, wartet sie noch immer auf die Einlösung dieses Versprechens. | |
| Ihre Chance wittert die gelernte Radio- und Fernsehtechnikerin nun für den | |
| Fall, dass sich Ministerpräsident ▶Söder nach einer krachenden | |
| Wahlniederlage nicht mehr halten kann. Der allerdings lässt bereits | |
| durchblicken, dass ihn solche kleineren Widrigkeiten nicht aus der Ruhe zu | |
| bringen vermögen. Und aus der Staatskanzlei erst recht nicht. Wohlmeinende | |
| Parteifreunde bringen die 53-Jährige auch immer wieder für den Posten der | |
| Landtagspräsidentin ins Spiel. Der ist hoch angesehen – aber auch eine Art | |
| Altersruhesitz für verdiente Politiker. Aigners Pfund im Machtpoker: Sie | |
| hat den mächtigen CSU-Bezirk Oberbayern hinter sich. | |
| Aiwanger, Hubert | |
| Der Mann, der sich anschickt, Ilse ▶Aigner auf dem Posten des | |
| stellvertretenden Ministerpräsidenten nachzufolgen. Der Freie-Wähler-Chef | |
| kann stundenlang über die ▶CSU herziehen, macht aber keinen Hehl daraus, | |
| wie gern er mit ihr zusammen regieren würde – auch unter einem | |
| Ministerpräsidenten Markus ▶Söder. Aiwanger [3][ist ein leidenschaftlicher | |
| Jäger], während allerdings andere die CSU gern abschießen würden, treibt er | |
| sie lieber vor sich her. | |
| Bier | |
| Wir kommen zu den Prozenten: Die Bedeutung des Alkohols – besonders in | |
| seiner bierhaltigen Form – für das bajuwarische Wohlbefinden ist | |
| hinlänglich bekannt. Für die Menschen ist es sinnstiftend, für die Politik | |
| eine unabdingbare Existenzgrundlage: Ohne Bier kein Bierzelt, ohne Bierzelt | |
| keine Bierzeltrede, ohne Bierzeltrede keine ▶CSU. Eine steile These | |
| durchaus – ihre Logik besticht allerdings in direkter Proportionalität zum | |
| Bierkonsum ihres Betrachters. In diesem Lichte betrachtet ist interessant, | |
| dass nicht wenige der Spitzenkandidaten dem Bier nichts abgewinnen können. | |
| Hubert ▶Aiwanger und [4][Katharina Schulze] (▶Hartmann, Ludwig) sind, man | |
| muss es so deutlich sagen, Abstinenzler, und Markus ▶Söder nippt | |
| allenfalls mal an einer Mass. Somit haben die drei zumindest eines gemein: | |
| Bei ihnen ist Hopfen und Malz verloren. | |
| CSU | |
| Die letzte große Partei in Bayern. Wobei Größe natürlich relativ ist. | |
| Zuletzt rechneten die Demoskopen mit einem Ergebnis von 33, vielleicht 35 | |
| Prozent. Nur wenig tröstlich ist es da für eine Partei, dass es schon mal | |
| schlimmer kam: 27,4 Prozent holte sie da. | |
| Aber das war 1950. Den Nimbus, den die CSU einst hatte, illustriert ganz | |
| gut eine Geschichte, die die Kabarettistin Luise Kinseher gern erzählt: | |
| Mitte der Neunziger überlegte sich ihr Vater, nun doch in die Partei | |
| einzutreten. Schließlich waren sie daheim in Geiselhöring alle in der CSU. | |
| Also ist er zum Ortsverbandsvorsitzenden. Doch der hat nur gesagt: „Das | |
| geht nicht, die CSU ist voll.“ | |
| CSU-Vorsitz | |
| Einst ein begehrter und prestigeträchtiger Posten, schließlich hatte ihn | |
| kein Geringerer als Franz Josef ▶Strauß 27 Jahre inne. Heute gehört die | |
| Berliner Politikbühne zum Hauptbeschäftigungsort eines CSU-Chefs. Je | |
| frostiger die Stimmung dort wurde, desto weniger beliebt wurde auch diese | |
| Chefposition. Zumal es in der aktuellen Jobbeschreibung sinngemäß heißt: | |
| „Das Beschäftigungsverhältnis ist befristet, es endet bei voller Übernahme | |
| der Verantwortung, gern auch freiwillig, nach der Wahlniederlage im | |
| Oktober.“ Amtsinhaber Horst Seehofer will das Kleingedruckte jedoch nicht | |
| gelesen haben. | |
| Dialekt | |
| Dialekt macht schlau, sagt Markus ▶Söder. Es gibt in Bayern diverse | |
| Dialekte und Unterdialekte, deren zunehmendes Verschwinden allgemein | |
| beklagt wird. Auch hier ist die Politik Spiegel der Gesellschaft: Von den | |
| neun Spitzenkandidaten der sieben Parteien, die eine Chance auf den Einzug | |
| in den Landtag haben, sprechen gerade mal zwei Bairisch: Hubert ▶Aiwanger | |
| und die Linke Eva Bulling-Schröter. Die Übrigen sprechen, zumindest in der | |
| Öffentlichkeit, nur Hochdeutsch – Söder mit einem leicht fränkischen | |
| Einschlag. | |
| Hängepartie | |
| Schön ist es ja schon, das Maximilianeum. Verständlich, dass auch FDP und | |
| Linke nur allzu gern dort einziehen würden. Die FDP kennt die Aussicht von | |
| dort oben schon, [5][die Linke würde sie mal gern kennenlernen]. Ob sie die | |
| Fünfprozenthürde packen (für die FDP sieht es etwas besser aus als für die | |
| Linke), davon hängt aber nicht nur für die beiden Parteien viel ab. | |
| Scheitern beispielsweise sowohl FDP als auch Linke, steigen die Chancen für | |
| eine Zweierkoalition von ▶CSU und Freien Wählern. | |
| Hartmann, Ludwig | |
| Neben Katharina Schulze Spitzenkandidat der Grünen und unverhoffter | |
| Ministerpräsidentenkandidat. Sollte es tatsächlich zu einer | |
| ▶Viererkoalition kommen, würde Hartmann wohl Regierungschef, da seine | |
| Partnerin mit ihren 33 Jahren zu jung ist. Hartmann, 40, erfüllt gerade mal | |
| so das von der Verfassung vorgeschriebene Mindestalter. Was für ihn | |
| spricht: Er trinkt auch gern mal ein ▶Bier. | |
| Partnerwahl | |
| Wer mit wem? Das ist von Sonntagabend an die große Frage. Auch wenn | |
| eindeutige Liebeserklärungen im Vorfeld nur selten zu hören waren. Die | |
| Freien Wähler wollen mit der ▶CSU, das ist bekannt. Die FDP auch. Die CSU | |
| macht’s zur Not mit beiden. Vielleicht geht es rechnerisch aber nur zu | |
| dritt, was die Bauchschmerzen zumindest bei den F-Parteien enorm erhöhen | |
| würde. Dann also doch die Schwarzen mit den Grünen? Rechnerisch bestimmt | |
| möglich, aber mit ▶Söder schwer vorstellbar. Aber macht’s die CSU auch | |
| ohne? Vielleicht reicht es ja sogar mit der SPD. Berliner Verhältnisse? Oh, | |
| nein! Und wenn die CSU gar nicht mehr mitspielen will? ▶Viererkoalition? | |
| Nein, die CSU will mitspielen. | |
| Söder, Markus | |
| Über niemanden wurde in diesem Wahlkampf so viel geschrieben und gesprochen | |
| [6][wie über ihn]. Deshalb sagen wir jetzt einfach mal – nix. | |
| SPD | |
| [7][Ehemalige Volkspartei], in städtischen Biotopen mitunter noch | |
| anzutreffen. | |
| Stammwähler | |
| Menschen in Unterfranken, die Barbara Stamm ihre Stimme geben. Die | |
| 73-Jährige wird als das Gewissen der ▶CSU bezeichnet. Ist schon seit 42 | |
| Jahren im Landtag, zuletzt als Landtagspräsidentin, hat sich aber | |
| breitschlagen lassen, noch einmal anzutreten. Dass sie Listenanführerin | |
| wohl keinen Sitz bekommen wird, liegt an der Besonderheit des bayerischen | |
| ▶Wahlrechts und daran, dass sie sich um kein Direktmandat bewirbt. Nur wenn | |
| die CSU in Unterfranken weniger Direktmandate erobern sollte, als ihr dort | |
| im Gesamtergebnis Parlamentssitze zustehen, käme Stamm zum Zuge. Fragt sich | |
| nun: Hat die CSU bald überhaupt kein Gewissen mehr? | |
| Strauß, Franz Josef | |
| Hat mit dieser Wahl nichts zu tun und dürfte, wenn er die Sache von oben | |
| betrachtet, wohl auch ganz froh darüber sein. Aber über bayerische Politik | |
| zu reden, ohne auf ihn Bezug zu nehmen, ist unmöglich. Deshalb sei er hier | |
| erwähnt. | |
| Viererkoalition | |
| Gab es schon einmal: Von 1954 bis 1957 regierte unter dem Sozialdemokraten | |
| Wilhelm Hoegner eine Koalition aus ▶SPD, Bayernpartei, FDP und | |
| Heimatvertriebenen. Heute wäre es eine Koalition aus Grünen, Freien | |
| Wählern, SPD und FDP. Die vier hätten vor zehn Jahren schon einmal eine | |
| Regierung bilden können. Dass es nun klappt, ist ebenfalls höchst | |
| unwahrscheinlich – selbst wenn es rechnerisch reichen sollte. | |
| Wahlrecht | |
| In Bayern muss immer alles ein bisschen anders funktionieren, so [8][auch | |
| das Wahlrecht]. Bei Kommunalwahlen kumuliert und panaschiert der Bayer, | |
| dass es eine wahre Gaudi ist. Bei der Landtagswahl hat er zwar nur zwei | |
| Stimmen, aber auch hier gibt es Tücken. Besonders ist vor allem: Die | |
| Erststimme kommt nicht nur dem Direktkandidaten zugute, und auch mit der | |
| Zweitstimme wählt man eine Person, keine Partei. Das Gesamtergebnis einer | |
| Partei ergibt sich aus der Summe der Erst- und Zweitstimmen. | |
| Zugereiste | |
| Innerdeutsche Flüchtlinge, blöderweise mit Wahlrecht. Ihre hohe Anzahl, | |
| Welterklärer Edmund Stoiber spricht von einer „ganz eigenen | |
| Wanderungsbewegung“, gilt in Teilen der CSU schon als Grund für das | |
| Wahldebakel. | |
| 13 Oct 2018 | |
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| [8] https://www.wahlrecht.de/landtage/bayern.htm | |
| ## AUTOREN | |
| Dominik Baur | |
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