Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Starkbieranstich auf dem Nockherberg​: „… und du postest dein…
> Wer austeilen kann, muss auch einstecken können: Eine alte Weisheit, die
> jetzt auf dem Münchner Nockherberg auf eine neue Probe gestellt wurde.
Bild: Die Frisuren sitzen: Doro Bär (Eli Wasserscheid), Friedrich Merz (David …
München taz | Bei der CSU gibt’s noch was zu feiern. Und ja, man möchte es
kaum glauben, es ist Friedrich Merz, den sie hier bei dieser Party feiern
wollen, mag man sie nun als „bescheidene Giga-Gala“ (Dorothee Bär) oder als
„knuffiges Happening“ (Robert Habeck) bezeichnen. Klar, in Wirklichkeit
dient der Erfolg des CDU-Chefs bei den Bundestagswahlen im Wesentlichen als
Projektionsfläche, auf der ein anderer bejubelt werden soll: „der Retter
des Vaterlandes, der Bewahrer der Heimat und der Zerstörer der Wärmepumpe“.
Doch dann steht statt Markus Söder plötzlich doch der fast leibhaftige Merz
auf der Bühne, will einen „schmissigen Schlager zum Thema Demut“ zum Besten
geben und verlangt nach seiner Showtreppe.
Ein stimmiges, aber doch irgendwie surreales Szenario. Kein Wunder, es ist
Teil des Singspiels beim Starkbieranstich am Nockherberg. Nur eine Woche
nach dem Politischen Aschermittwoch, wo mancher Politiker ohne Rücksicht
auf sich potenziell auftuende Schamgrenzen nach Kräften austeilte, muss bei
diesem Kabarett nun auch einstecken können. Politiker-[1][Derblecken nennt
man den Brauch in Bayern], der auf dem Nockherberg aus den drei
Ingredienzien Fastenpredigt, Singspiel und Salvator besteht.
Letzterer ist ein Starkbier mit einem Alkoholgehalt von 7,9 Prozent, der
manches auf der Bühne Gesagte für die angesprochenen Politiker leichter
verdaulich machen könnte. Dumm nur, dass Bayerns Ministerpräsident Markus
Söder kaum und sein Vize Hubert Aiwanger gar keinen Alkohol trinkt.
Das Besondere am Politiker-Derblecken: Es unterscheidet sich von einem
gediegenen Kabarettabend in einem Schwabinger Kleinkunst-Etablissement
nicht nur dadurch, dass die Getränke in Masskrügen kredenzt werden, sondern
vor allem dadurch, dass man nicht mit einem grundsätzlich gewogenen
Publikum gemeinsam über die da oben herzieht, sondern die da oben nun
plötzlich da unten sitzen.
## „Zukunft schreibt man jetzt mit C“
Zurück auf der Bühne sind die Darsteller in Form: Auf noch weniger
Begeisterung der Christsozialen als der Besuch des wohl künftigen Kanzlers
stoßen die ungebetenen Gäste Robert Habeck und Hubert Aiwanger. Und dann
sind da auch noch [2][Olaf Scholz und Christian Lindner], die dem Treiben
zunächst als eine Art Waldorf und Statler vom Jägerstand aus zusehen und
dort Bildchen fürs Panini-Demut-Album tauschen. Lindner beeindruckt seinen
ehemaligen Chef mit der „Glitzi-Teresa“, würde sie allerdings gegen eine
Margot Käsmann plus Gandhi tauschen. Alois Glück allerdings haben beide
noch nicht. „Ein demütiger CSUler – das ist echt superselten.“
„A one, a two, hier kommt die CSU“, rufen derweil die
CSU-Bundestagsabgeordnete Dorothee Bär und die bayerische
Landwirtschaftsministerin Michaela Kaniber als Moderatorinnen der Gala und
singen – unterstützt von der Band Black Revolution – den CSU-Hit „Zukunft
schreibt man jetzt mit C“.
Durch das Setting des Singspiels als Gala hatten die Macher die
Möglichkeit, bis zuletzt auf die aktuelle politische Lage zu reagieren, was
ihnen gut gelang. Nummernrevuen waren früher ohnehin Standard am
Nockherberg – bis die Autoren, zunächst Marcus H. Rosenmüller, seit 2018
dann Richard Oehmann und Stefan Betz, dazu übergegangen sind, das Singspiel
zu einer neuen Kunstform, einer Art Politmusical zu erheben, das eine
geschlossene Geschichte erzählt.
An die Brillanz dieser dreidimensionalen, fleischgewordenen politischen
Karikaturen reicht „Ein Wadl für Deutschland“ nicht immer heran. Im Detail
ist das Stück jedoch oft sehr treffsicher, und es ist durchaus vergnüglich,
wenn man beispielsweise Friedrich Merz dabei zusehen darf, wie er dem aus
CSU-Sicht eigentlichen Star des Abends Einhalt zu gebieten versucht:
„Demut, kleiner Pascha! Ich werde Kanzler, und du postest dein Pausenbrot.“
Auch, wenn Habeck in einem Abschiedssong seinen Frust in die CSU-Welt
hinaussingt: „Alles cool, ich war gern euer Feind.“ Oder wenn alle zusammen
im Schlusslied ein prägnantes Resümee ziehen, während eine
überdimensionierte Konfettikanone Geldscheine in den Saal schießt: „Die
Stimmung ist kacke, und die Lage ist kacke, doch wir reden uns jetzt ein:
Mit Kohle und Moneten, mit Mäusen oder Kröten, wird es halb so kacke sein.“
## „Hoch bezahlte Nebelmaschinen“
Vor dem Singspiel ist es Maxi Schafroth, der zum fünften Mal als
Fastenprediger die Politiker zur Ordnung rufen darf. Sein zentrales Thema
ist – wie im Ansatz auch schon in den letzten beiden Jahren – [3][die
Verrohung der politischen Sitten, diesmal speziell mit Blick auf den gerade
absolvierten Wahlkampf]. „Wie schafft ihr das, diesen harten Ton
durchzuziehen? Diese eindimensionale, banale Boshaftigkeit?“ fragt der
Allgäuer Kabarettist die Politikerriege im Saal. „Das muss man spielen
können. Respekt!“
In Wirklichkeit seien sie gar keine Politiker, befindet der Prediger: „Ihr
seid’s hoch bezahlte Nebelmaschinen.“ Und natürlich ist es Söder, der im
Zentrum der Schafroth’schen Betrachtungen steht, wie der Mann es ja ohnehin
nach wie vor mit beeindruckender Penetranz vermag, stets im Mittelpunkt zu
stehen. „Der Markus thront in der Mitte über allen, er hat seine Berufung
gefunden: Diskokugel. Dreht sich um sich selbst und schillert je nach
Stimmung in allen politischen Farben.“
Friedrich Merz möge es nicht persönlich nehmen, aber Söder habe nun mal
Schwierigkeiten im Umgang mit Höhergestellten. Bei ihm werde sogar das
Beten zu einem Kompetenzgerangel mit dem Herrgott. „Für den Markus ist das
Gebet eher so ein Update unter Führungskräften.“
## CSU unzufrieden mit Fastenpredigt
Während Schafroth die Grünen und die SPD diesmal auffallend schont und
Linke und FDP in der Rede gar nicht vorkommen, darf die gesamte
Unionsführung sich bei seiner Kritik an der CSU sicherlich mitgemeint
fühlen. Etwa wenn der Redner es schon interessant findet, dass die
Neiddebatte, die sich nach oben richtet, verpönt sei. „Aber die
Neiddebatte, die sich nach unten richtet, also der Neid der Geringverdiener
auf die Bürgergeldempfänger, der scheint sehr erwünscht zu sein.“ [4][Diese
Debatte werde eingeschürt „wie ein Kaminfeuer in der Merz’schen
Jagdhütte“.]
Das Geraune in Teilen des Publikums ist groß nach Schafroths Rede, sie wird
wesentlich kritischer aufgenommen als das allseits bejubelte Singspiel. Nun
werde wohl bald der Fastenprediger ausgewechselt, mutmaßen gar einige. Vor
allem bei der CSU ist der Unmut groß. Nicht nur als zu hart empfinden
manche die Predigt, sondern auch als zu langweilig, sie vermissen ein
Pointenfeuerwerk. Und in der Tat fehlt ein wenig der rote Faden, die
Stringenz.
Außerdem wird die bayerische Landespolitik, sonst zentraler Bestandteil,
von Schafroth diesmal ein wenig stiefmütterlich behandelt. Wie auch nicht,
findet der Kabarettist. In Berlin brenne die Hütte und er solle sich mit
dem bayerischen Kabinett beschäftigen? „Das ist, als würde man auf der
sinkenden Titanic noch ein Fahrgastrechteformular ausfüllen.“
13 Mar 2025
## LINKS
[1] /Derblecken-am-Nockherberg/!5917227
[2] /FDP-bei-der-Bundestagswahl/!6070941
[3] /Sieger-des-rassistischen-Wahlkampfes/!6071327
[4] /Ergebnis-der-Sondierungen/!6074196
## AUTOREN
Dominik Baur
## TAGS
Nockherberg
Satire
CDU/CSU
CSU
Friedrich Merz
Markus Söder
Regierungsbildung
Passau
Bayern
Bayern
## ARTIKEL ZUM THEMA
Politischer Aschermittwoch: Nur der halbe Hulk
In Passau zeigt sich: CSU-Chef Markus Söder kann auf seine Fans zählen.
Aber ohne den Lieblingsfeind macht ihm das Ganze nur halb so viel Spaß.
Buch über Bayerns Weg in die Moderne: „Söder dreht das Rad schon noch ein b…
Bernhard Löfflers Buch „Das Land der Bayern“ legt den rationalen Kern des
Freistaats offen. Ein Gespräch über longue durée und den Erfolg der CSU.
Kabarettist über Nockherberg: „Es ist ein gefährlicher Tanz“
In diesem Jahr wird Maximilian Schafroth auf dem Nockherberg mit der
anwesenden Politprominenz ins Gericht gehen. Das darf richtig wehtun.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.