# taz.de -- CSU-Klausurtagung: Abschieben wie England | |
> In Kloster Seeon fordert die CSU eine Wende in der Migration. | |
> Flüchtlingen soll weiterhin Schutz gewährt werden – nur nicht in | |
> Deutschland. | |
Bild: Kaare Dybvad Bek (rechts), Minister für Einwanderung und Integration von… | |
KLOSTER SEEON taz | Ruanda ist ein kleines Land in Ostafrika, in dem so | |
viele Einwohner leben wie in Bayern auf einer Fläche kaum größer als die | |
Mecklenburg-Vorpommerns. Und über kaum ein Land wird an diesem Wochenende | |
bei der CSU-Klausur in Kloster Seeon mehr gesprochen. Dabei sind es nicht | |
Ruandas Vergangenheit als deutsche Kolonie oder die seltenen Berggorillas | |
auf den Virunga-Vulkanen, die die CSU-Abgeordneten und ihre Gäste | |
interessieren, auch nicht der Völkermord an den Tutsi in den neunziger | |
Jahren. | |
Nein, [1][Ruanda steht für ein neues Asylmodell], von dem sich die CSU eine | |
zumindest teilweise Lösung der Migrationsfrage erhofft. Deutschland, so | |
findet Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der Gastgeber der Klausur, | |
müsse sein Schutzversprechen für geflüchtete Menschen auch außerhalb der | |
europäischen Grenzen einlösen können. | |
Die Idee stammt dabei aus Großbritannien: Flüchtlinge, die auf die Insel | |
kommen, bekämen demnach zwar Schutz gewährt, aber eben nicht in | |
Großbritannien, sondern in Ruanda. Die Briten würden ihre Flüchtlinge | |
dorthin ausfliegen. Ruanda hat sich damit bereits einverstanden erklärt – | |
gegen entsprechende Bezahlung, versteht sich. Auch andere Länder – etwa | |
Ghana – sind für ein entsprechendes Modell im Gespräch. | |
Von der Ruanda-Methode erwarten sich die Befürworter vor allem eine | |
abschreckende Wirkung auf potenzielle Flüchtlinge. Wer weiß, dass er am | |
Ende ohnehin nicht im Vereinigten Königreich, sondern in Ruanda lande, so | |
der Gedanke, überlege es sich zweimal, ob er einer Schleuserbande eine | |
horrende Summe dafür zahle, ihn nach Großbritannien zu bringen. | |
## Abschiebungen nach Syrien werden diskutiert | |
Ganz so einfach, wie sich die britische Regierung das vorgestellt haben | |
mag, ist die Sache allerdings nicht. Der Plan wurde vom obersten Gericht | |
für rechtswidrig erklärt. Ohne ein neues Gesetz lässt er sich daher erstmal | |
nicht umsetzen. Dobrindt hindert das freilich nicht daran, sich die Idee zu | |
eigen zu machen. | |
Dass die CSU-Landesgruppe das Thema Migration als einen ihrer Schwerpunkte | |
in Kloster Seeon gewählt hat, ist kein Zufall. Es ist das zentrale Thema, | |
mit dem die AfD erfolgreich auf Stimmenfang geht. Und so gut die Union | |
derzeit in den Umfragen auch im Direktvergleich mit den Ampelparteien | |
dasteht, so stark bedrängt sie die AfD von rechts. In Bayern kamen die | |
Rechtsextremen bei den Landtagswahlen im Oktober auf 14,6 Prozent der | |
Stimmen. Bei den diesjährigen Wahlen in Ostdeutschland werden noch weit | |
stärkere Zugewinne erwartet. Im Freistaat kommt der Sonderfall der Freien | |
Wähler hinzu, deren Chef Hubert Aiwanger ebenfalls nicht vor | |
rechtspopulistischen Parolen zurückschreckt. | |
Kein Wunder also, dass man das Feld nicht der Konkurrenz überlassen will. | |
Zumal auch der Druck von den CSU-Bürgermeisterinnen und -Landräten groß | |
ist, die sich von der großen Zahl der unterzubringenden Flüchtlinge | |
überfordert sehen und allein gelassen fühlen. So fordert Dobrindt wie auch | |
sein Parteichef Markus Söder, der am Samstag eine Grundsatzrede vor den | |
Parlamentariern hielt, eine Abkehr von der bisherigen Migrationspolitik. | |
Mit dem Ruanda-Modell, argumentiert Dobrindt, könne man das Narrativ der | |
Schleuserbanden durchbrechen, die den Flüchtlingen eine Aufnahme in den | |
deutschen Sozialsystemen versprächen. Bei Ruanda soll es indes nicht | |
bleiben: So will die CSU die Leistungen für Flüchtlinge so weit wie möglich | |
auf [2][Sachleistungen] umstellen. In Bayern plant Söder derzeit die | |
Einführung einer entsprechenden Bezahlkarte für Flüchtlinge. In Kloster | |
Seeon legt der Ministerpräsident eine weitere Forderung auf den Tisch: Es | |
sei an der Zeit zu prüfen, ob inzwischen nicht auch Abschiebungen in manche | |
Gebiete Syriens möglich seien. | |
## Dänemark als Vorbild | |
Mit der CDU weiß sich die CSU bei dem Thema auf einer Linie. Während die | |
Migrationsfrage zu Zeiten von Angela Merkel und Horst Seehofer den Frieden | |
unter den Schwesterparteien massiv gefährdete – Stichwort Obergrenze –, | |
fragt sich die CSU mittlerweile allenfalls, wo sie noch eigene Akzente | |
setzen kann. Beim Blick in den jüngst vorgelegten Entwurf eines neuen | |
CDU-Grundsatzprogramms fand man in Sachen Migration die eigenen | |
Vorstellungen eins zu eins umgesetzt. | |
Wer in der EU Asyl beantragt, heißt es darin etwa, solle in einen sicheren | |
Staat außerhalb der Europäischen Union überführt werden und dort ein | |
Verfahren durchlaufen. Fällt es positiv aus, werde dem Antragsteller Schutz | |
gewährt – dort. | |
Der Plan ist auch Thema beim Gespräch mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula | |
von der Leyen, die am Samstagnachmittag nach Seeon kam. Beim gemeinsamen | |
Auftritt mit Dobrindt vor der Presse, will sich von der Leyen, ihres | |
Zeichens immerhin CDU-Politikerin, jedoch nicht zu einem Bekenntnis zum | |
Ruanda-Modell hinreißen lassen. „Wir sind die, die entscheiden, wer nach | |
Europa kommt und unter welchen Umständen – nicht die Schlepper“, sagt sie | |
lediglich und betont die Wichtigkeit von Abkommen mit Transit- und | |
Herkunftsländern. | |
In der Ampel wiederum gibt es in Sachen Ruanda-Modell unterschiedliche | |
Auffassungen. Während FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai in der | |
Frankfurter Allgemeinen Zeitung große Sympathien bekundete und meinte, | |
rechtliche Bedenken könnten ausgeräumt werden, lehnte Saskia Esken den Plan | |
kategorisch ab. Er verstoße gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, sagte | |
die SPD-Chefin der Deutschen Presse-Agentur und verwies darauf, dass die | |
Konvention als Reaktion auf die Massenvertreibungen durch die Nazis | |
geschaffen worden sei. | |
Eine gänzlich andere Auffassung zu dem Thema haben die dänischen | |
Sozialdemokraten. Einer von ihnen, Migrationsminister Kaare Dyvbad Bek, | |
steht denn auch am Sonntagmittag mit Dobrindt im Klosterhof im | |
Schneetreiben. Bek ist einer der größten Verfechter des Ruanda-Modells. | |
Gern spricht er über [3][Pullfaktoren] beim Thema Einwanderung. | |
Menschen, so der Minister, flöhen zwar vor etwas, aber auch zu etwas hin. | |
Durch eine rigide Zuwanderungspolitik habe man in Dänemark diese Faktoren | |
stark reduziert. Ein gutes Vorbild, findet Dobrindt, der in Deutschland | |
eine besonders starke Magnetwirkung etwa durch das Staatsbürgerschaftsrecht | |
der Ampel oder das Bürgergeld sieht. | |
7 Jan 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Britisches-Urteil-zum-Ruanda-Deal/!5969772 | |
[2] /Bund-Laender-Kompromiss-zu-Asylpolitik/!5971716 | |
[3] /Flucht-uebers-Mittelmeer/!5952245 | |
## AUTOREN | |
Dominik Baur | |
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