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# taz.de -- Regierung spricht mit Landwirten: Lindner macht Bauern den Hof
> Bei der Bauerndemo in Berlin wird Finanzminister Lindner gnadenlos
> ausgebuht. Auch ein Gespräch mit den Ampelfraktionen bringt keine
> Einigung.
Bild: Protest in Berlin am 15. Januar. „Die Geißel unsers Landes“ sind fü…
Wie dialogbereit manche LandwirtInnen wirklich sind, hat sich bei der
Bauerndemo am Montag in Berlin gezeigt: Von dem Moment an, als er ans
Rednerpult trat, wurde Bundesfinanzminister Christian Lindner lautstark
beschimpft und ausgebuht. Sogar nachdem Bauernverbandspräsident Joachim
Rukwied die Menge aufforderte, „ruhiger zu sein“.
„Zur Demokratie gehört die Diskussion und da gehört das Zuhören dazu“,
sagte Rukwied, aber das Pfeifen und Hupen stoppte nicht. Lindner musste
brüllen, um sich einigermaßen Gehör zu verschaffen. Trotzdem war der
FDP-Politiker einige hundert Meter entfernt von der Bühne am Brandenburger
Tor kaum zu verstehen.
Einem großen Teil der rund 8.500 TeilnehmerInnen an der Demonstration von
Landwirtschaft und Transportgewerbe gegen die Sparpläne der Bundesregierung
war das offensichtlich egal. Sie riefen lieber „Hau ab!“, „Die Ampel muss
weg“ oder „Lügner“. Selbst als Lindner sich auf Kosten „der Klimaklebe…
bei den Landwirten anbiederte, übertönten sie ihn weiter.
Die Klimaaktivisten hätten [1][das Brandenburger Tor beschmiert], sagte der
Minister, die Bauern hätten es „geehrt“. Die Medien sollten vor einer
Unterwanderung der Klimabewegung durch Linksextremisten warnen, verlangte
Lindner nach den Berichten darüber, dass Rechtsextremisten die
Bauernproteste nutzten. Besonders laut wurden die Pfiffe, als Lindner auch
mit dem russischen Angriff auf die Ukraine begründete, weshalb der Bund
sparen müsse.
## Vage Versprechungen
Der Finanzminister hatte keine große Chance bei den Landwirten, weil er
ihnen nicht viel anbot. Ihre zentrale Forderung ist, dass sie weiter einen
Rabatt bei der Energiesteuer auf Agrardiesel bekommen. „Es soll und es darf
kein Sonderopfer der Landwirtschaft geben“, sagte Lindner. „Aber alle
müssen ihren Beitrag leisten.“
Auch etwa der Flugverkehr werde künftig mit einer neuen Abgabe belastet und
es werde Kürzungen der Leistungen für Asylsuchende und Bürgergeldempfänger
geben. Staatshilfen und die Mehrwertsteuerreduzierung für die Gastronomie
würden enden. Er wies zugleich darauf hin, dass es jährlich 9 Milliarden
Euro Förderung aus Brüssel und Berlin gebe.
Zudem habe die Bundesregierung die ursprünglich geplante Streichung der
[2][Kfz-Steuerbefreiung für Landwirte zurückgenommen] und die Abschaffung
der Agrardieselsubvention verschoben. „Ihr Protest war also bereits
erfolgreich“, so Lindner.
Er machte den Bauern vage Versprechungen, gegen zu strenge Umwelt- und
Tierschutzregeln zu kämpfen. „Wenn der Agrardiesel ausläuft, dann müssen
Zug um Zug auch die Belastungen für die Betriebe auslaufen“, ergänzte er.
Lindner lehnte auch Vorschriften ab, wonach Landwirte auf einem Teil ihrer
Agrarfläche der Natur Vorrang lassen müssen, wenn sie Subventionen bekommen
wollen. Zu prüfen seien auch Erleichterungen bei der Einkommensteuer, wenn
Gewinne von Jahr zu Jahr stark schwanken.
## Rukwied heißt Stimmung an
Bauernchef Rukwied hatte die Stimmung vor Lindners Rede angeheizt, indem er
sich kompromisslos zeigte. „Ziehen Sie die Steuererhöhungsvorschläge
zurück, dann ziehen wir uns zurück“, sagte Rukwied an die Adresse der
Ampelkoalition. So lange die Sparpläne nicht vom Tisch seien, würden die
Bauern ihr Demonstrationsrecht weiter in Anspruch nehmen, die wieder mit
Tausenden von Traktoren nach Berlin-Mitte gekommen waren. Die Regierung
müsse woanders sparen als beim Mittelstand, den Handwerkern oder Bauern.
Zum anschließenden Austausch mit den Fraktionsvorsitzenden von SPD, Grünen
und FDP im Bundestag kamen die Bauernvertreter:innen zu spät – wegen
der blockierten Straßen. In puncto Agrardieselsubvention gab es keinerlei
Annäherung. Einigkeit herrschte aber, dass es darüber hinaus ein größeres
Paket brauche, um den Landwirt:innen Planungssicherheit und eine
Zukunftsperspektive zu geben.
Bei dem Gespräch wurde Teilnehmer:innen zufolge auch über eine
Tierwohlabgabe und über fairere Bedingungen entlang der Lieferkette
gesprochen. Die Ampelfraktionen wollen zum Donnerstag einen Fahrplan mit
konkreten Schritten vorlegen. „Es mangelt definitiv nicht an Erkenntnissen,
sondern an der Umsetzung“, so Theresa Schmidt, Bundesvorsitzende der
Deutschen Landjugend.
Am Samstag wollen [3][Bauern gemeinsam mit Umweltschützern] in Berlin
demonstrieren. „Wir erwarten am 20. Januar wie auch in den letzten Jahren
10.000 Demonstrant*innen“, sagte Inka Lange, Sprecherin des „Wir haben es
satt“-Bündnisses, am Montag. Es fordert mehr Umwelt- und Tierschutz in der
Landwirtschaft, aber auch „kostendeckende Erzeuger- und faire Bodenpreise“.
Mitarbeit: Raoul Spada
15 Jan 2024
## LINKS
[1] /Klima-Protestaktion-am-Brandenburger-Tor/!5958071
[2] /Bauernprotest-gegen-Subventionskuerzungen/!5983909
[3] https://www.wir-haben-es-satt.de/
## AUTOREN
Anna Lehmann
Jost Maurin
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