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# taz.de -- Die Macht der Indigenen: Alles anders in Guatemala
> Guatemalas neuer Präsident Bernardo Arévalo bekam Unterstützung von
> indigenen Autoritäten, aber auch von internationaler Seite. Ein Novum.
Bild: Hoffnung auf eine Zukunft ohne Korruption
Der 14. Januar war der Tag der Hoffnung für viele Guatemaltek:innen: Am
Sonntag wurde [1][Bernardo Arévalo in Guatemala-Stadt als neuer Präsident
vereidigt]. Daran hatte es lange Zweifel gegeben, denn Arévalo ist
angetreten, um das Land von einer Geißel zu befreien: der omnipräsenten
Korruption.
Die frisst je nach Quelle bis zu 40 Prozent des Staatshaushaltes und de
facto melkt eine Elite aus Politik, Militär und Wirtschaft den
guatemaltekischen Staat seit Dekaden. Guatemala nimmt seit Jahren auf der
Liste von Transparency International einen der hinteren Plätze in der
Region ein – Tendenz fallend. Dagegen gehen die Guatemaltek:innen seit
Jahren auf die Straße und am 20. August haben sie mit deutlicher Mehrheit
einen Präsidenten gewählt, der glaubwürdig verspricht, dagegen vorzugehen.
Die Reaktionen aus dem hochkorrupten politisch-militärisch-ökonomischen
Spektrum, in Guatemala auch als „Pakt der Korrupten“ bekannt, ist
eindeutig: [2][Alle Hebel wurden in Bewegung gesetzt, um Arévalo erst gar
nicht ins Amt einziehen zu lassen].
Doch dabei hat das informelle Bündnis, das über beste Verbindungen in die
organisierte Kriminalität verfügt, nicht mit dem massiven Widerstand aus
der Zivilbevölkerung gerechnet. Seit dem 2. Oktober halten die Proteste
gegen die Ausbootung Arévalos an. Erst legte die indigene Minderheit, die
rund 44 Prozent der 18 Millionen Guatemaltek:innen stellt, das Land
über mehr als drei Wochen mit Straßensperren lahm. Als das zu eskalieren
drohte, haben die indigenen Autoritäten einen Strategiewechsel vollzogen
und verlegten die friedlichen, überaus disziplinierten
Protestveranstaltungen vor das Ministerio Público, die
Generalstaatsanwaltschaft des Landes, das Parlament und andere zentrale
staatliche Institutionen.
## Indigene Bevölkerung präsent wie nie
Nicht nur die Dauer, auch die Teilnahme so vieler mehrheitlich indigener
Menschen an diesem Protestmarathon sind ein Novum in der guatemaltekischen
Geschichte. Noch nie ist die indigene Bevölkerung derart präsent gewesen,
noch nie wurden deren Autoritäten in Handelskammern, Botschaften und
Ministerien eingeladen und gehört. Das hat seinen Grund: Die indigenen
Völker haben erkannt, dass das demokratische Modell, von dem sie noch nie
profitiert haben, ihnen die besten Aussichten bietet, um ihre
Kernforderungen vorzustellen und durchzusetzen.
Das ist neu in Guatemala und hat mit einem langsam, aber stetig steigenden
Bildungsniveau in den indigenen Strukturen zu tun. Eigene Medien auf
kommunaler, aber auch auf nationaler Ebene wie [3][das Onlineportal Prensa
Comunitaria], indigene Anwaltskanzleien, die für die Rechte der indigenen
Völker in Guatemala eintreten, sind dafür nur zwei markante Beispiele. Es
hat klick gemacht in den indigenen Strukturen – vielleicht nicht
flächendeckend, und auch die derzeitige Geschlossenheit muss nicht
unbedingt von Dauer sein. Allerdings haben die indigenen Autoritäten, die
geschlossen zur Vereidigung in die Hauptstadt gekommen sind, klargemacht,
dass sie die neue Regierung auf Dauer unterstützen wollen.
Auch das ist neu in Guatemala, wo die Zivilgesellschaft in den letzten
Jahren systematisch geschwächt wurde. Zeitungen mussten schließen,
[4][Journalist:innen], Umweltaktivist:innen, aber auch Anwält:innen
landeten im Gefängnis und viele gingen ins Exil, weil die korrupte
Regierung von Präsident Alejandro Giammattei ihnen keine Luft zum Atmen
ließ und sich parallel die Taschen füllte. In dieses Vakuum sind die
indigenen Autoritäten, darunter ein steigender Anteil von Frauen, gestoßen.
Sie haben dank ihrer anhaltenden und massiven Mobilisierungsfähigkeit die
Aufmerksamkeit auf das größte Land Mittelamerikas gelenkt, Probleme in
Gesprächen mit ausländischen Botschaften klar benannt, sind genauso wie der
designierte Präsident Bernardo Arévalo in die Hauptstädte der Region, aber
auch nach Brüssel gereist und haben um Unterstützung gebeten.
## Mehrfach bei der Demokratisierung im Stich gelassen
Das hat die guatemaltekische Krise, die für eine politisch zutiefst
instabile Region steht, international sichtbar gemacht und in den Fokus der
lokalen Player, der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), der USA,
aber eben auch der EU gerückt. Dabei übernahm die OAS, lange ein
Papiertiger, die Führung. Sie forderte den guatemaltekischen Präsidenten
Alejandro Giammattei früh auf, die Übergabe der Regierungsgeschäfte
transparent und fair zu gestalten. Das Gegenteil ist passiert: Am 8.
Dezember ging die politisch agierende, korrupte Generalstaatsanwaltschaft
aufs Ganze und versuchte die Wahlen vom 20. August aufgrund von
Unregelmäßigkeiten zu annullieren und den designierten Präsidenten Arévalo
auf der Zielgraden auszubooten.
Drei Tage später reagierten die USA und entzogen 300 Guatemaltek:innen
aus Politik, Wirtschaft und staatlichen Institutionen ihre US-Visa und den
Zugang zu US-Banken.
Das war nur der Auftakt, einen Tag später forderte das EU-Parlament die
EU-Kommission mit 432 gegen 9 Stimmen dazu auf, Einreisebeschränkungen für
die Akteure des „Paktes der Korrupten“ zu verhängen. Am selben Tag
beschloss die OAS ohne Gegenstimme bei einer Enthaltung, zu Sanktionen zu
greifen, die bis zum Ausschluss Guatemalas aus dem Staatenbund hätten
reichen können. Auch diese unmissverständliche Breitseite für demokratische
Strukturen in Guatemala hat es so noch nie gegeben und sie zeigte Wirkung:
Das Verfassungsgericht erklärte am 14. Dezember sowohl die Wahl als auch
die Übergabe der Macht an Arévalo für rechtens. Ein historischer Erfolg, in
der Vergangenheit wurde das Land mehrfach bei seinen
Demokratisierungsanstrengungen im Stich gelassen.
Diesmal könnten sie fruchten. Doch dafür braucht es neben einer aktiven
Zivilgesellschaft auch permanente internationale Unterstützung. Die ist
überfällig – nicht nur für Guatemala, sondern für die ganze überaus frag…
Region.
15 Jan 2024
## LINKS
[1] /Praesidentschaft-Guatemalas/!5982664
[2] /Guatemala-vor-dem-Machtwechsel/!5978360
[3] https://prensacomunitaria.org/
[4] /Kaum-Pressefreiheit-in-Guatemala/!5965375
## AUTOREN
Knut Henkel
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