# taz.de -- Guatemala vor dem Machtwechsel: Justiz unter korrupter Kontrolle | |
> Noch vor seiner Vereidigung werden dem gewählten Präsidenten Bernardo | |
> Arévalo Steine in den Weg gelegt. Er wird trotzdem im Januar sein Amt | |
> antreten. | |
Bild: Indigene unterstützten die Amtseinführung von Bernardo Arevalo | |
HAMBURG taz | Auch nach mehr als sechzig Tagen der Proteste ist die | |
Mobilisierungsfähigkeit der indigenen Autoritäten Guatemalas ungebrochen. | |
Am Montag protestierten Zigtausende rund um das Ministerio Público, die | |
Generalstaatsanwaltschaft, und das Parlament in Guatemala-Stadt gegen den | |
„Pakt der Korrupten“ und dessen Strategie, den gewählten Präsidenten | |
[1][Bernardo Arévalo] weiter zu schwächen. | |
Am 30. November hat das Parlament den Haushalt für 2024 verabschiedet und | |
dem designierten Präsidenten gleich mehrere Fußfesseln angelegt. „Das | |
schafft Tatsachen“, so Héctor Reyes, Direktor der | |
Menschenrechtsorganisation CalDH. So ist der Etat des als Zentrum der | |
Korruption geltenden Ministerio Público, der Generalstaatsanwaltschaft, auf | |
die Rekordsumme von 3,664 Milliarden Quetzales, umgerechnet 431 Millionen | |
Euro, festgeschrieben worden. | |
„Damit wird eine Spezialbrigade mit schweren Waffen, High-Tech-Ausrüstung, | |
Abhörsystemen und vielem mehr finanziert, wodurch das Ministerio zum Staat | |
im Staat geworden ist“, kritisiert Miguel Mörth. Der deutsche Jurist lebt | |
seit mehr als 30 Jahren in der Hauptstadt des mittelamerikanischen Landes | |
und beobachtet genauso wie Héctor Reyes die Initiativen des „Paktes der | |
Korrupten“ mit Sorge, die zum Ziel haben, dem designierten Präsidenten das | |
Regieren zu erschweren. | |
Bernardo Arévalo, am 20. August mit deutlicher Mehrheit zum Präsidenten | |
gewählt, soll am 14. Januar vereidigt werden. Das wird, so die Einschätzung | |
vieler Beobachter, auch passieren, obwohl es nach wie vor Versuche aus dem | |
Ministerio Público gibt, den designierten Präsidenten zu kriminalisieren | |
und seine Immunität aufzuheben. | |
## Verhindern können sie Arévalo nicht mehr | |
Letztes Beispiel ist der Antrag der Generalstaatsanwaltschaft, Arévalo und | |
seiner Vizepräsidentin Karin Herrera die Immunität zu entziehen, um sie | |
wegen ihrer vermeintlichen Mittäterschaft bei der Besetzung einer | |
Universität in der Hauptstadt im vergangenen Jahr zu kriminalisieren. Doch | |
selbst dem einschlägig bekannten Richter waren die vorgelegten Indizien | |
dafür zu dünn, so dass er von 27 beantragten Haftbefehlen nur sechs | |
absegnete. | |
Für Michael Mörth ist das ein Indiz dafür, dass der „Pakt der Korrupten“ | |
sein Pulver verschossen hat und die [2][Strategie], den gewählten | |
Präsidenten erst gar nicht ins Amt zu lassen, fallen lassen wird. Fortan | |
geht es darum, Arévalo und seine Partei Movimiento Semilla (Bewegung | |
Samenkorn) zu schwächen. | |
Dabei ist der „[3][Pakt der Korrupten]“, ein Netzwerk aus Politik, | |
Unternehmen, Militär und Justiz, überaus erfolgreich, denn sie haben de | |
facto die Justiz des Landes bis zum Verfassungsgericht unter Kontrolle. Nur | |
so war es möglich, die Partei Semilla am 31. Oktober aufgrund von | |
Unregelmäßigkeiten bei deren Registrierung offiziell zu annullieren. | |
Das hat zur Folge, dass die 23 Semilla-Abgeordneten keine Fraktion im | |
Parlament bilden können und auch nicht an den unterschiedlichen | |
Fachausschüssen teilnehmen dürfen. „Eine massive Schwächung der Partei des | |
Präsidenten“, so Héctor Reyes. | |
Reyes ist sich sicher, dass der „Pakt der Korrupten“ weitergegangen wäre, | |
wenn es nicht massive internationale Kritik gegeben hätte, vor allem von | |
der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), den USA und auch der | |
Europäischen Union. Die USA haben gerade erneut mehrere korrupte | |
guatemaltekische Funktionäre mit Einreiseverboten belegt. | |
Die OAS droht darüber hinaus mit handfesten Sanktionen, falls die | |
demokratische Charta der Organisation verletzt werden würde. Das sind neue | |
Töne der OAS, die auch enge Kontakte zu den indigenen Autoritäten in | |
Guatemala pflegt, die den Protest derzeit in erster Linie koordinieren. Der | |
Aufruf für die nächste Großdemonstration am 7. Dezember kursiert bereits in | |
Guatemalas Hauptstadt. | |
6 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Knut Henkel | |
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