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# taz.de -- Was bringt 2024: Wetten, dass..?
> Wie geht es weiter mit Ampel, Putin und Nationalelf? Wir können die
> Zukunft nicht vorhersagen, doch es gibt Anhaltspunkte – taz, die Wette
> gilt.
Bild: Die Figur TED, kurz für Tele-Dialog, präsentierte Anfang der 80er Jahre…
## Wetten, dass die Ampelkoalition bis 2025 hält?
Ja, das gesamte vergangene Jahr spricht dagegen und auch aktuell befindet
sich die Ampel wieder im gewohnten Modus. Und der lautet: Wir streiten uns
so lange öffentlich über Kompromisse, bis auch der beste Kompromiss völlig
diskreditiert ist. [1][So war es beim Heizungsgesetz,] das so schlecht
nicht ist, so ist es bei der [2][aktuellen Einigung zum Haushalt,] die
tatsächlich ein schlechter Kompromiss ist. Schon wenige Stunden nach der
Einigung, welche Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian
Lindner (FDP) kurz vor Weihnachten in langen Nachtsitzungen ausbaldowert
haben, wurde diese schon wieder zerredet.
Der grüne Landwirtschaftsminister Cem Özdemir fühlte sich nicht
eingebunden, beklagte, dass die Agrardieselsubvention gestrichen wird (für
deren Streichung die Grünen gekämpft haben). Lindner signalisierte
Gesprächsbereitschaft, Habeck warnte davor, einzelne Streben herauszuziehen
– sonst falle die Gesamtlösung in sich zusammen. Warum also sollte nicht
die Ampel demnächst in sich zusammenfallen? Die simple Antwort: Keine der
drei Parteien würde vom Ampel-Aus profitieren, im Gegenteil. Wäre jetzt
Wahl, wäre nach derzeitigen Umfragen die Union Wahlsiegerin und Deutschland
bekäme wahrscheinlich einen Kanzler Friedrich Merz.
Der könnte sich aussuchen, ob er um die geschwächten Grünen buhlt, für ihn
die „Hauptgegner in diesem Land“, oder um eine abgestrafte SPD, deren
Kritik an ihm Merz „ehrabschneidend“ und „niederträchtig“ findet. Eine
Liebeshochzeit wäre es in keinem Fall. Die FDP käme arithmetisch nicht als
Partnerin infrage, es wäre sogar fraglich, ob 5 Prozent der
Wähler:innen für sie stimmten, damit sie im Bundestag bleibt.
Dann also lieber eine Zweckehe zu dritt als mit der Union um Merz zu zweit,
beziehungsweise lieber schlecht regieren als gar nicht. Zumal der Streit
der Großkopferten darüber hinwegtäuscht, dass viele Abgeordnete der Ampel
in vertraulichen Gesprächen nach wie vor beteuern, auf Sachebene und im
Parlament liefe es gut, man sei sich zu dritt oft schneller einig, als die
parteitaktischen Spielchen vermuten ließen. Besonders die FDP-Abgeordneten
haben wohl wenig zu melden, der Kurs werde von oben vorgegeben. Der
Finanzminister ist nun mal zugleich Parteivorsitzender, dem das Wohl und
die Befindlichkeiten der FDP-Anhänger:innen im Zweifelsfalle wichtiger sind
als die Regierung.
Lindner zockt immer mal wieder mit der Ampel, um die Basis bei Laune zu
halten, und aktuell läuft auch noch ein Mitgliederentscheid. Aber je
ungehobelter und lauter Merz auftritt, je mehr er die Ampel attackiert,
desto trotziger werden wohl auch die FDP-Mitglieder für einen Verbleib in
der Ampel votieren. Sobald das feststeht, wird auch Christian Lindner
wieder gesprächsbereiter und eine gütliche Einigung im Haushaltsstreit
gefunden. Deshalb wette ich, dass die Ampel bis zum Ende der Legislatur
hält. Obwohl ich den Einsatz dafür nicht zu hoch treiben würde.
Anna Lehmann
## Wetten, dass Benjamin Netanjahu als Ministerpräsident Israels abtreten
muss?
Irgendwann ist immer Schluss, in diesem Fall im Jahr 2024: Benjamin
Netanjahu, schon zum sechsten Mal Regierungschef in Israel, wird endgültig
abtreten. Der 74-Jährige, der nach einer kurzen Unterbrechung zum
Jahreswechsel vor einem Jahr doch noch einmal die Regierung übernahm, ist
auf Abruf. Zu viel hat er verbockt.
Noch wütet der Krieg im Gazastreifen und alles andere tritt in den
Hintergrund. Aber auf Dauer wird Netanjahu der Frage nach der politischen
Verantwortung für das Komplettversagen der Sicherheitsbehörden am 7.
Oktober nicht ausweichen können. „Mr. Security“, das war einmal. Das
größte Massaker an Jüd*innen nach dem Holocaust hat die Hamas verübt,
aber dass Israel sich in dem Moment nicht wehren konnte, geht auf
Netanjahus Konto.
Und nicht nur das: [3][Netanjahus Regierung – schon vor dem 7. Oktober
unter massivem Druck wegen des geplanten Justizumbaus] – gibt seit dem
Hamas-Angriff ein katastrophales Bild ab. Netanjahu hat seine rechte
Regierungstruppe einfach nicht im Griff. Statt Unterstützung für den Krieg
in Gaza mit seiner enorm hohen Zahl an getöteten Zivilist*innen zu
gewinnen, bietet das Kabinett eine beispiellose Angriffsfläche. Netanjahus
eigene Minister sprachen von einer neuen Nakba und schlugen die Vertreibung
aller Palästinenser*innen aus Gaza vor; Netanjahu musste öffentlich
widersprechen, um den absoluten Imageverlust zu vermeiden.
All das schadet dem Bild Israels im Ausland. Und auch im Inland mehren sich
die Stimmen, die nicht mehr mit Netanjahus Strategie mitgehen, die vielen
israelischen Geiseln zu befreien, indem man [4][den Gazastreifen
flächendeckend bombardiert.] Letztlich werden die Wähler*innen erkennen,
dass Netanjahus Zeit vorbei ist. Und im aktuellen Kriegskabinett wartet
schon ein Kandidat für seine Nachfolge: Verteidigungsminister Yoav Gallant.
Jannis Hagmann
## Wetten, dass die deutschen Fußball-Männer Europameister werden?
Doch, da geht was für die deutsche Fußballnationalmannschaft bei dieser
Männer-EM. Die mag sich zwar traurig präsentiert haben in den meisten
Spielen des ablaufenden Jahres und hat gewiss niemanden zum Schwärmen
gebracht, und doch sollte das Team [5][nicht mit hängenden Köpfen ins
Auftaktspiel am 14. Juli gegen Schottland gehen.] In den anderen
Gruppenspielen geht es dann gegen Ungarn und die Schweiz. Die Deutschen
können also weder an Südkorea noch an Japan scheitern wie bei den
Weltturnieren 2018 und 2022. Es ist eben nur eine EM.
Da passieren sowieso die merkwürdigsten Dinge. 2004 ist Griechenland
Europameister geworden, und bis heute weiß keiner so recht, wie das
eigentlich zustande gekommen ist. Auch auf den EM-Sieg von Dänemark, das
sich gar nicht qualifiziert hatte und als Nachrücker der wegen des
Balkankriegs aus dem Turnier genommenen Jugoslawen mitspielen durfte, hätte
1992 vor dem ersten Spiel wohl kaum jemand gewettet. Warum also sollte
nicht 2024 ein Team Europameister werden, das sich bei seinen Testspielen
gegen Japan (1:4) und [6][Österreich (0:2) vor der ganzen Fußballwelt
blamiert hat?]
Im Ernst: Niemand in jener weiten Fußballwelt wird bestreiten, dass sich
ein Haufen hochbegabter Kicker im Team von [7][Jungbundestrainer Julian
Nagelsmann findet.] Mit Florian Wirtz ist da sogar ein junger Kerl (20),
der als einer der Begabtesten auf dem Planeten gilt. Daran, dass da ein
anderer Jungspund namens Jamal Musiala (ebenfalls 20) ist, der den Ball so
eng am Fuß führen kann, dass man geneigt ist zu glauben, er arbeite mit
Klebstoff, hat man sich schon beinahe gewöhnt. Aber was ist mit der Abwehr?
Herrgott, die wird doch wohl abzudichten sein! Dafür gibt es die
Turniervorbereitung. Am Verteidigen kann man auch zwei Wochen vor einer EM
noch arbeiten. Und die anderen? Frankreich, England, Spanien. Ja, das wird
schwierig. Aber ausgerechnet Frankreich hat die DFB-Elf jüngst mit
deutschen Tugendfußball à la Rudi Völller niedergerungen. Für England steht
immer ein Elfmeterschießen bereit, an dem es scheitern kann. Und Spanien
mag eine souveräne Qualifikation gespielt haben, was aber gegen Teams wie
Schottland, Zypern, Georgien und Norwegen vielleicht nicht die ganz große
Kunst war. Noch jemand Zweifel? Eben.
Andreas Rüttenauer
## Wetten, dass Sahra Wagenknecht bei der Europawahl punkten kann?
Dass es das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ (BSW) bei der Wahl im Juni ins
Europaparlament schaffen wird, wäre dank fehlender Fünfprozenthürde noch
keine Wette wert. Das schafften beim letzten Mal ja sogar die
Familien-Partei, die Partei Mensch Umwelt Tierschutz, Volt, die ÖDP und die
Piratenpartei.
Anders als diese Kleinparteien wird das BSW jedoch mit mehr als einem
Abgeordneten ins Parlament einziehen. Ich wette, dass das Bündnis mit der
SPD darum konkurrieren wird, wer von den beiden hinter der AFD, der CDU und
den Grünen viertstärkste Partei bei der EU-Wahl wird. Denn während die SPD
nicht aus ihrer Krise herausfinden wird, profitiert das BSW vom Reiz des
Neuen, der nach wie vor ungebrochenen wie unangemessenen Medienpräsenz
seiner Namensgeberin, der traditionell niedrigeren Wahlbeteiligung und von
dem Umstand, dass viele das EU-Parlament ohnehin für nicht so wichtig
nehmen. Damit ist die EU-Wahl [8][prädestiniert für eine diffuse, in trüben
Gewässern fischende Wutbüger:innenpartei à la Wagenknecht.]
Bis zur Bundestagswahl im Herbst 2025 könnte es ihr dann allerdings so
ergehen wie der Piratenpartei, die nach einem kurzen elektoralen Höhenflug
von nicht einmal einem Jahr schnell wieder in der Versenkung verschwand und
von der heute nicht mehr als jenes eine Mandat im EU-Parlament
übriggeblieben ist.
Pascal Beucker
## Wetten, dass auch für Putin der Wahlkampf gefährlich wird?
Für Russlands Staatschef Wladimir Putin dürfte es bei der
Präsidentschaftswahl im kommenden März wieder der erwartete Durchmarsch
werden. Zwar wurden bislang über 30 Kandidat*innen zugelassen, doch
das kann sich noch ändern. So ist der eine oder andere freiwillige Rückzug
zu erwarten oder die biologische Lösung greift. Parallel dazu wird fleißig
ausgemustert. Auch die TV-Journalistin und ehemalige Abgeordnete im
Parlament der Provinzstadt Rschew Jekaterina Dunzowa ist wegen formaler
Fehler aus dem Rennen. Jemand, der sich gegen Moskaus „Spezialoperation“
in der Ukraine ausspricht und eine Frau ist – wo käme Russland da hin?
Sowieso soll diese Spezies, so die Meinung vieler russischer Hardliner,
lieber gebären anstatt sich mit Politik zu beschäftigen. Einige werden wohl
übrig bleiben, doch diese Bewerber*innen sind reine Staffage.
Als wären damit nicht schon alle Voraussetzungen für einen geschmeidigen
Sieg gegeben, hat Putin die Chance, sein Ergebnis vom März 2018 (76,6
Prozent) zu steigern. Denn auch in den vier ukrainischen, von Russland
besetzten Gebieten Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson wird
abgestimmt. Was kann es Schöneres geben, als dem Kremlchef bei
demokratischen Wahlen für die Befreiung vom Kyjiwer Joch und die
erfolgreiche „Denazifizierung“ Dank zu zollen?
Aber vielleicht kommt auch alles ganz anders. Der Kremlchef macht auf einer
Reise nach China einen Zwischenstopp in Budapest, um mit Ungarns Premier
Viktor Orbán Kaffee zu trinken. Der will zwar den Haftbefehl des
Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) nicht vollstrecken, aber was
heißt das schon. [9][Der Mann ist käuflich, wie das Manöver mit Kanzler
Olaf Scholz vor einer Abstimmung in Brüssel unlängst gezeigt hat.] Aber es
geht auch schlichter. Putin wird Opfer eines Amoklaufs (die gibt es in
Russland regelmäßig) oder er fällt aus einem Fenster seines Amtssitzes in
Nowo-Ogarjowo – zufällig, versteht sich. Wer würde das überhaupt merken?
Zumindest ein Doppelgänger steht schon bereit.
Barbara Oertel
## Wetten, dass Robert Habeck Kanzlerkandidat der Grünen wird?
Zugegeben, auf der Hand liegt es gerade nicht. Die Grünen dümpeln in den
Umfragen bei um die 14 Prozent, das ist in etwa ihr Ergebnis bei der
letzten Bundestagswahl, und kämpfen mit der SPD um den dritten Platz – aber
eine eigene Mehrheit hätte die Ampel ohnehin nicht mehr. Wenig spricht also
dafür, dass die Grünen im kommenden Jahr überhaupt eine*n
Kanzlerkandidat*in aufstellen.
Aber sie werden es trotzdem tun – allein schon, weil die SPD, komme, was
wolle, es auch machen wird. Schließlich hält diese sich weiterhin für eine
Volkspartei, auch wenn das Volk das gerade anders sieht. Würden die Grünen
dann kneifen, müssten sie zugeben, dass das Projekt Kanzleramt doch eine
Nummer zu groß für sie ist. Und Scholz mit Merz, Söder, Wüst – oder welch…
Unionsmann auch immer – die Fernsehduelle allein zu überlassen,
schlimmstenfalls noch gemeinsam mit Alice Weidel von der AfD? Das wollen
sie auch nicht.
Als Kandidat*innen kommen nur zwei infrage, aber wetten, dass es Robert
Habeck wird? Der Mann also, der beim letzten Mal den Kürzeren gegen
Annalena Baerbock zog und uns nachträglich via Zeit-Interview alle an
seinem Leiden an dieser Entscheidung teilhaben ließ. Und der in diesem Jahr
so manchen derben Fehler begangen hat, zuallererst beim Heizungsgesetz.
Warum Habeck also? Die einfache Antwort: Baerbock hatte ihre Chance und hat
sie vergeigt. Deshalb ist Habeck nun auch Vizekanzler, der Wichtigste aus
der grünen Ministerriege also, der sich mit Scholz und FDP-Finanzminister
Lindner im Kanzleramt [10][die Nächte um die Ohren schlagen darf,] obwohl
die Ampel Nachtsitzungen doch eigentlich nicht vorgesehen hat. Aber Habeck
ist nun einmal auch das größte politische Talent, das die Grünen haben.
Wenn es gut läuft, kann er Menschen fischen, das können bei den Grünen
nicht viele. Außerdem hat er uns ohne russisches Gas gut durch den letzten
Winter gebracht und im Klimaministerium den Reformstau aufgelöst. Und wenn
es schlecht läuft? Ach, das lief es bei Baerbock doch auch.
Die hat übrigens auch noch eine Chance: wenn sie das Feld nicht freiwillig
räumt und auf eine Mitgliederbefragung besteht, die neuerdings bei den
Grünen im Konfliktfall vorgesehen ist. In der Partei ist die
Außenministerin deutlich besser vernetzt. Nur: in diesen Zeiten einen
parteiinternen Wahlkampf um die Kanzlerkandidatur? Das will bei den Grünen
wohl auch niemand. Deshalb wird es Habeck werden. Wetten, dass..?
Sabine am Orde
## Wetten, dass Donald Trump nicht Sachsen regieren wird?
Okay, die Wette klingt albern. Aber es ist so ziemlich die einzige, die
abzuschließen der hier schreibende taz-US-Redakteur vor dem US-Wahljahr
2024 bereit wäre. Vor Beginn der Vorwahlen im Januar deutet absolut alles
darauf hin, dass Donald Trump erneut Präsidentschaftskandidat der
Republikanischen Partei wird und im November gegen den amtierenden
Präsidenten Joe Biden antritt. Jedenfalls, sollte der bis dahin
gesundheitlich noch fit genug sein. Auch etwas übrigens, auf das zu wetten
überaus riskant erschiene.
Was noch viel bedrückender ist: [11][Trotz oder wegen all der Straf- und
zivilrechtlichen Verfahren, die der Ex-Präsident am Hals hat,] liegt er in
nahezu allen Umfragen gegen Joe Biden vorne – national wie in den
wahlentscheidenden Bundesstaaten, den Swing States. Trumps
Wahlkampfveranstaltungen sind wie früher gespickt von Lügen,
Falschinformationen und einem [12][noch härteren Rassismus gegen
Migrant*innen.] Sagte er 2016, es handele sich um Vergewaltiger, die da
über die US-Südgrenze kämen, spricht er heute davon, die Migration vergifte
US-amerikanisches Blut. Jene derzeit im Gefängnis sitzenden oder
angeklagten militanten und rechtsextremen Anhänger, die am 6. Januar 2021
das Kapitol in Washington stürmten, um zu verhindern, dass Trumps
Wahlniederlage endgültig aktenkundig und damit bestätigt wird, sind für
Trump „Geiseln des Systems“, Staatsanwälte, Sonderermittler und Richter
allesamt Marionetten des von Demokraten kontrollierten Establishments, um
ihn, den wahren Vertreter des Volkes, von der Macht fernzuhalten.
Lange haben die US-Medien kaum noch von Trump-Veranstaltungen berichtet.
Nach über viereinhalb Jahren Trump-Wahlkampf und Präsidentschaft waren auch
die meisten Journalist*innen psychisch angeschlagen und warfen sich
außerdem vor, Trump durch Medienöffentlichkeit überhaupt erst groß gemacht
zu haben.
Soll Trump 2 verhindert werden, werden sie wieder berichten müssen. Bidens
Chance ist die Angst vor Trump. Aber auch darauf würde ich nicht wetten.
Bernd Pickert
## Wetten, dass Markus Söders Platz in Bayern bleibt?
2024 wird das Jahr eines politischen Neuanfangs in Deutschland. So mancher
hat das Szenario klar vor Augen: Angesichts seiner widerspenstigen
Koalitionspartner stellt Olaf Scholz zu Jahresbeginn im Bundestag genervt
die Vertrauensfrage, verliert sie und setzt Neuwahlen für den Tag der
Europawahl an. Ganz so, wie von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder seit
einiger Zeit gefordert.
In der Union macht man sich daraufhin eiligst auf die Suche nach einem
Kanzlerkandidaten. Bei der CDU winkt man jedoch schnell ab: „Eine Option,
den Kanzlerkandidaten zu stellen, bietet sich der CDU Nordrhein-Westfalen
höchstens einmal im Jahrzehnt“, sagt Hendrik Wüst. „Mein Platz ist an der
Küste“, tönt Daniel Günther. Friedrich Merz findet sich zu alt für den Jo…
und als Michael Kretschmer murmelt „Na gut, dann mach ich’s halt“, hört
dummerweise gerade niemand hin.
Schnell kommt man also überein (2021 darf sich nicht wiederholen!), dass
nur einer das Format zur Kanzlerkandidatur hat: Markus Söder. Er ist in der
ganzen Republik beliebt, steht im Zenit seiner Macht, und hat gezeigt, dass
er souverän mit dem schlechtesten CSU-Ergebnis seit über 70 Jahren umgehen
kann. Und dass er koalitionsfähig ist, hat er auch bewiesen: [13][Wer einen
Aiwanger als Vize erträgt,] braucht einen Scholz nicht zu fürchten. Fazit:
Am 9. Juni wird die Union als stärkste Kraft in den Bundestag, wenig später
Söder zum Chef einer schwarz-roten Regierung gewählt.
Auch geschätzte Kollegen sind überzeugt, dass es so kommen wird. Die Wette
nehme ich an. Ich bin mit Prognosen sehr zurückhaltend, doch hier lehne ich
mich aus dem Fenster: Söders Platz bleibt in Bayern. Ein kluger Kopf hat
mal gesagt, die Ampel werde nicht hinschmeißen, denn Macht schweiße ja
zusammen. Ach ja, der Söder war das. Und der sollte es wissen. Auch dass
die CDU nach der Erfahrung von 2021 tatsächlich auf ihn zukommen wird –
kann man glauben, muss man nicht.
Übrigens: Vor dreieinhalb Jahren hat mich an dieser Stelle der Münchner
Kabarettist Helmut Schleich schon einmal zur selben Wette verleitet. Es
kostete ihn einen Kasten Bier.
Dominik Baur
## Wetten, dass Unteilbar zurückkommt – ausgerechnet im Osten?
Die extrem rechte AfD ist in Umfragen überall im Osten Deutschlands
stärkste Kraft und es stehen drei Landtagswahlen an: Am 1. September in
Sachsen und Thüringen und am 22. September in Brandenburg. Sowohl der Kopf
des völkischen Flügels, Björn Höcke, als auch der Bundessprecher Tino
Chrupalla haben bereits großspurig angekündigt, sogar auf die absolute
Mehrheit zu zielen.
Tatsächlich stehen die Vorzeichen derzeit auf Faschismus und bröckelnde
Brandmauer. Die AfD wird normalisiert und faschisiert sich gleichzeitig
selbst, und die CDU erpresst in Thüringen Rot-Rot-Grün mit den Stimmen der
AfD. Wenn im September 2024 Grüne und FDP aus dem Thüringer Landtag
rausfliegen würden, die anderen Parteien schwach bleiben, könnte Höcke
vielleicht sogar mit nur 40 Prozent eine absolute Mehrheit erreichen – und
allein als Ministerpräsident regieren. Das wäre das Worst-Case-Szenario.
Aber:
Wetten, dass es anders kommt? [14][Apokalyptische Niedergangserzählungen
führen zu nichts außer Ohnmachtsgefühlen und damit wiederum zu
AfD-Erfolgen.] Deswegen nützt es doch alles nichts: [15][Anstatt in der
deutschen Linken den Nahost-Konflikt lösen zu wollen], müssen fürs
Superwahljahr handfeste Bündnisse gegen rechts her. Und zwar von lokaler
Antifa über die Erinnerungsinitiative, Flüchtlingshilfe, Sozialverbände,
Gewerkschaften, Unternehmer*innen bis hin zu den Kirchen und all
denjenigen, denen einfach nur die trommelnden Fascho-Flitzpiepen von den
Freien Sachsen schon seit drei Jahren mit ihrem stumpfen rassistischen
Parolen auf den Sack, die Eierstöcke oder alles dazwischen gehen.
Wir wetten, dass es im nächsten Jahr wieder ein starkes
zivilgesellschaftliches Bündnis gibt – eine Neuauflage des 2022 aufgelösten
[16][Unteilbar]-Bündnisses. [17][Erste Ansätze und Zusammenschlüsse gibt es
bereits]. Und es wird eine laute, wahrnehmbare und außerparlamentarische
Stimme gegen die Faschisierung der Politik geben. Mit ihrem Momentum wird
das neue Bündnis auch die Wahlen beeinflussen. Dank des gesellschaftlichen
Drucks klappt es dann auch mit der Brandmauer der CDU.
Gareth Joswig
29 Dec 2023
## LINKS
[1] /Heizungsgesetz-der-Ampel/!5932829
[2] /Die-Haushaltseinigung-und-ihre-Folgen/!5977535
[3] /Proteste-gegen-Netanjahu/!5968224
[4] /Israels-Offensive-in-Gaza/!5978237
[5] /Auslosung-der-Fussball-EM-2024/!5973872
[6] /DFB-Elf-unterliegt-Oesterreich/!5971469
[7] /Nagelsmann-wird-Fussball-Bundestrainer/!5958254
[8] /Buendnis-Sahra-Wagenknecht/!5976147
[9] /Viktor-Orban-beim-EU-Gipfel/!5977586
[10] /Einigung-im-Haushaltsstreit/!5976249
[11] /Die-Republikaner-in-den-USA/!5959319
[12] /Migranten-an-US-mexikanischer-Grenze/!5957589
[13] /Bayerns-neue-Regierung/!5966846
[14] /Nach-der-Klimakonferenz-in-Dubai/!5977587
[15] /AfD-in-Regierung-verhindern/!5977533
[16] /GruenderInnen-ueber-Unteilbar-Aufloesung/!5879676
[17] https://www.belltower.news/jahresrueckblick-2023-sachsen-ein-rechtsextreme…
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lieber einen Poncha – und ihr habt den Geschmack von Meer im Mund.
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