| # taz.de -- Die Wahrheit: Das Publikum bestellt, Gottschalk serviert | |
| > Und es gibt immer noch etwas zu Alt-Boomer Thommy Gottschalk zu sagen. | |
| > Wetten, dass…? | |
| Thomas Gottschalk ist super. Weil er genau das tut und sagt, was man von | |
| ihm erwartet. Das beruhigt und schafft Vertrauen in den Lauf der Welt. | |
| Deswegen erscheint mir auch die allgemeine Erregung über sein neues Buch | |
| „Ungefiltert“ und über seine dieser Tage in Interviews getätigten | |
| Begleitäußerungen ehrlich gesagt völlig rätselhaft. | |
| Selbstverständlich war das immer schon Gottschalks Geschäftsmodell: Er | |
| bläst einfach alles, was ihm in den Sinn kommt, in die Welt hinaus. Ohne | |
| Filter. Andere Bühnenkünstler, überlegen sich vielleicht: Ist diese Pointe | |
| wirklich witzig? Oder jener Gedanke interessant? Oder vielleicht auch | |
| provozierend und wenn ja, möchte ich in diesem Moment solchermaßen | |
| provozieren? Oder vielleicht sogar noch mehr? | |
| Aus Gottschalk hingegen suppt es unkontrolliert heraus. Er kann den Rand | |
| einfach nicht halten, und es ist ihm letztlich auch egal, was er da von | |
| sich gibt. Hauptsache sein Mund macht ein Geräusch. Vermutlich sieht und | |
| hört sich Gottschalk in seinen Albträumen selbst schweigen: Er blickt in | |
| sein eigenes Gesicht, erkennt sich aber zunächst gar nicht, weil seine | |
| Lippen sich nicht bewegen. Als er schließlich kapiert, wer ihn da stumm | |
| anschaut, wacht er schreiend und schweißgebadet auf – um dann seine Frau in | |
| einer zweistündigen Moderation über den Albtraum zuzutexten. | |
| ## Pipikacka | |
| Im letzten Jahrtausend hielt man die Gottschalksche Sprachdiarrhöe für | |
| spontan und locker. Und unerklärlicherweise für originell. Und am | |
| unerklärlichsten: für komisch. Aber wenn Gottschalk eins nicht ist, dann | |
| ist es Letzteres. Weil er nie überrascht, sondern immer berechenbar ist. | |
| Sein Hirn rattert und assoziiert zwar ständig, kommt aber stets nur auf die | |
| belangloseste naheliegende Geschmacklosigkeit. | |
| Dabei können Geschmacklosigkeiten und Tabubrüche durchaus ihren | |
| humoristischen Reiz haben. Aber sie müssen schon aus dem scheinbaren Nichts | |
| kommen, in der Pointe muss etwas formuliert werden, was der Zuhörer | |
| allerhöchstens geahnt hat, aber selbst nie hätte formulieren können oder | |
| wollen. Gottschalk sagt aber einfach das, was jedem Sprücheklopfer nach | |
| zwei bis fünf Schnäpsen so einfällt. Meistens irgendwas mit Untenrum. | |
| Wenn’s sein muss auch mit Pipikacka. | |
| Wer sich jetzt über Gottschalks Buch ereifert, hat offensichtlich | |
| vergessen, dass „Thommy“ in seiner langen Karriere nicht nur jede sich | |
| bietende Gelegenheit nutzte, schlüpfrige Bemerkungen zu machen oder | |
| weibliche Gäste „dienstlich“ anzufassen, sondern dass er zum Beispiel im | |
| Jahr 2009 im ZDF mit sichtbarem analen Spaß eine Wette moderierte, in der | |
| eine Tierpflegerin und ein Tierpfleger tierische Kot-Proben am Geruch | |
| erkennen mussten. | |
| Dazu servierte Gottschalk, als Kellner verkleidet – mit weißen | |
| Butlerhandschuhen – dem an einem Restauranttisch sitzenden Kandidatenpaar | |
| die diversen Haufen, Köttel und Würste auf einem Silbertablett. Was für | |
| eine grandiose Metapher! | |
| 30 Oct 2024 | |
| ## AUTOREN | |
| Hartmut El Kurdi | |
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