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# taz.de -- Die Wahrheit: Tanz die Performanz
> Ob im Alltag, in der Politik oder in der Wirtschaft, überall wird nur
> noch „performed“ oder ein „Narrativ“ produziert, um vom Eigentlichen
> abzulenken.
Im Gegensatz zu Teilen meiner Generation, glaube ich nicht, dass früher
alles besser war. Wenn man in der Bundesrepublik der Siebzigerjahre
aufwuchs, wusste man, dass parallel zur poppigen
Afri-Cola-Sinalco-Werbewelt, zur sozialliberalen „Mehr Demokratie
wagen“-Koalition und zu den antiautoritären Kinderläden noch ein anderes
Deutschland existierte. Im Untergeschoss.
Allen war klar: Wenn man nicht aufpasste, würde das bisschen
Seventies-Buntheit und WM-74-Weltoffenheit schnell wieder verschwinden –
und die Dumpf-Deutschen rumpelten sofort in Kompaniestärke die Kellertreppe
hoch, um sich ihr Land zurück zu holen. Heute hat man zu Recht Angst vor
den wutbürgerlichen Neo-Faschisten der AfD, damals saßen überall noch alte,
reuelose Original-Nazis und warteten auf ihren Einsatzbefehl.
Obwohl ich also sehr skeptisch gegenüber nostalgischen Gefühlen bin, muss
ich zugeben, dass ich manchem doch nachtrauere. Zum Beispiel dem Umstand,
dass man „früher“ noch keine Notwendigkeit sah, das Leben komplett
durchzuinszenieren. Es gab tatsächlich noch ungestaltete Momente. So wie es
sogar im Showbusiness unkorrigierte Überbisse gab.
Inzwischen wird überall „präsentiert“, „dargestellt“ und „performed…
die Performanz. Ob im Alltag, in der Politik oder in der Wirtschaft. Oder
es wird ein „Narrativ“ produziert, um vom Eigentlichen abzulenken und eine
Zweitrealität zu möblieren. Alles ist „Storytelling“.
Absurderweise wird diese Täuschung ständig thematisiert. Medienberater
machen Werbung für sich, indem sie erklären, wie sie Politikern beibringen,
in Interviews keinesfalls auf Fragen zu antworten, sondern ohne Rücksicht
auf den Gesprächspartner ihre „Erzählung“ zu „präsentieren“. Alle sp…
allen etwas vor und reden auch noch offen darüber. Trotzdem funktioniert
es. Das ist eine Form von Meta-Behumsungs-Diskurs, der mich in der
Paradoxie seiner Wirkung sehr beeindruckt.
Sicher, auch früher haben sich Menschen präsentiert. Absichtlich und
unabsichtlich: „All the world’s a stage.“ Dennoch gibt es einen
Unterschied, ob der Schwerpunkt auf dem „Was“ oder auf dem „Wie“ liegt.…
denen, die etwas tun, aber auch bei denen, die das Tun interpretieren.
Das unterscheidet die Künste, aus denen die meisten der oben erwähnten
Begriffe stammen, übrigens von anderen Bereichen. In der Kunst sind Sinn
und Form, Inhalt und Darstellung nicht voneinander zu trennen, sie bedingen
sich. Die Qualität der Kunst hängt davon ab, wie gut und angemessen sie
ihre Inhalte darstellt.
Das ist in der Politik anders. Die Art, wie ein Gesetz oder eine politische
Handlung „kommuniziert“ und aufgenommen wird, sagt eigentlich nichts über
die Qualität des Gesetzes oder der Handlung aus. Das sollte man bei dem –
letztlich ja auch nur performativen – Gerede über die Gründe für das
Scheitern der Ampel zumindest kurz mal bedenken.
27 Nov 2024
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Zivilgesellschaft
BRD
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