# taz.de -- Die Wahrheit: Skandal: Wähler rauben AfD den Sieg | |
> Einen einzigen wie Urinstein funkelnden Moment gab es am ansonsten | |
> düsteren Abend der Brandenburg-Wahl – und den lieferte ausgerechnet Alice | |
> Weidel. | |
Nicht, dass es am Brandenburger Wahlergebnis viel Erfreuliches gäbe: Linke | |
und Grüne fliegen hochkant aus dem Parlament, die SPD freut sich ernsthaft, | |
dass sie knapp 1,7 Prozent vor der AfD liegt, und zusammen erringen die | |
Rechts- und Linksnationalisten die Hälfte der Sitze. | |
In der Konsequenz hat noch nicht mal das, was man einst „große Koalition“ | |
nannte, eine regierungsfähige Mehrheit. Die einzig mögliche Koalition | |
jenseits der AfD und ihrem rechtsextremen Spitzenkandidaten Hans-Christoph | |
Berndt wäre eine zwischen Dietmar „Wir brauchen eine schärfere Asylpolitik�… | |
Woidke und Sahra „Wir brauchen eine schärfere Asylpolitik“ Wagenknecht. | |
Sahra Wagenknecht hat übrigens eine neue Kategorie in unser Parteiensystem | |
eingeführt: Schrödingers Politikerin. Sie stand bei den letzten drei | |
Landtagswahlen gar nicht auf dem Wahlzettel, zumindest nicht als wählbare | |
Kandidatin, durch die nach ihr benannte Partei dann aber doch. Die Menschen | |
konnten sie also gleichzeitig wählen und nicht wählen. Und das taten sie | |
dann auch: Sie trotzdem wählen. Die jeweiligen Spitzenkandidaten des BSW | |
wurden von der Wählerschaft nur als Platzhalter Wagenknechts wahrgenommen. | |
Völlig zu Recht, denn wer jetzt wo auch immer mit dem BSW regieren will, | |
muss zuerst mit dem Ein-Frau-Zentralkomitee im Saarland reden. Man braucht | |
nur bei Lenin unter dem Oxymoron „Demokratischer Zentralismus“ | |
nachzuschlagen, dann versteht man das Prinzip der Wagenknecht’schen | |
Parteiführung. | |
Dennoch gab’s am Sonntagabend einen schönen Moment. Und der hatte mit Alice | |
Weidel zu tun, der Erfinderin des paradoxen Kombi-Sounds zwischen | |
beleidigter Leberwurst und schnöselnder Perlenkettchen-Arroganz. Reizt man | |
sie zu sehr, etwa mit einer seriösen journalistischen Frage, würzt sie das | |
Ganze noch mit einer Prise „Wartet mal ab, bis wir an der Macht sind“-Hass. | |
Am Sonntag erklärte sie ihre Partei dann auch bewundernswert wirr | |
gleichzeitig zum souveränen Wahlsieger und zum bemitleidenswerten Opfer der | |
Ränkespiele der … nein, diesmal nicht der Alt-Parteien, sondern eines noch | |
viel hinterhältigeren Kollektivs: der fiesen Dreckswählerschaft. Die es zum | |
Teil doch tatsächlich gewagt hat, aus taktischen Gründen SPD zu wählen, | |
obwohl sie die SPD doof findet, aber eben der AfD ihren verdienten Sieg | |
nicht gönnt. | |
Für Weidel ist klar: Wenn 30 Prozent sich für die AfD entscheiden, darf man | |
den so geäußerten Volkswillen nicht einfach ignorieren. Wenn aber eine | |
Mehrheit von 70 Prozent andere Parteien wählt, oft aus purer Verzweiflung – | |
Hauptsache, die AfD wird so von der Regierung ferngehalten –, dann ist das | |
eine Verschwörung. Allein für die dummdreiste Präsentation dieser wie | |
Urinstein funkelnden rechtsradikalen Argumentation hat sich der Wahlabend | |
dann doch gelohnt. Zumindest kurz. | |
25 Sep 2024 | |
## AUTOREN | |
Hartmut El Kurdi | |
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