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# taz.de -- Die Wahrheit: Kaiserliche Teckel-Trauer
> Kassel, Heimat unseres Kolumnisten, beherbergt den überaus schönen Park
> Wilhelmshöhe, in dem sich das Grab eines berühmten Dackels befinden soll.
Kürzlich fuhr ich mal wieder in meine Heimatstadt Kassel. Diese Ausflüge
sind für mich eine Art privat-anekdotische Forschungsreise. Am liebsten
unternehme ich sie mit meiner Tochter. Wir latschen dann so herum und
labern uns Blutergüsse ans Ohr. Meine Ausführungen spannen den Bogen vom
Persönlichen zum Allgemeinen, quasi vom Mikro- zum Makrokosmos; meine
Tochter ist unbelasteter, deswegen ordnet sie die nordhessischen Phänomene
ohne private Umwege und Befangenheiten direkt in den aktuellen
kulturwissenschaftlichen Diskurs ein.
So besuchten wir am letzten Wochenende Wilhelmshöhe, den „größten und
schönsten Bergpark Europas“. Das mit dem „größten und schönsten“ war …
Teil der Eigenwerbung Kassels, was nicht unbedingt für die
Marketingabteilung der Stadt spricht. „Groß“ kann man ja immerhin noch
irgendwie messen, aber wenn man behauptet, man hätte irgendwas „Schönstes�…
klingt das immer nach provinziellem Minderwertigkeitskomplex.
Dabei ist der Park tatsächlich so hübsch, dass man gar keinen Superlativ
braucht. Noch nicht mal einen Komparativ. Einfach spazieren gehen und
genießen reicht. Diesmal waren wir allerdings auf der Suche nach etwas
Besonderem, nach dem Grab des einzigen Dackels der Welt, der einen eigenen
Wikipedia-Eintrag hat: Erdmann, der Lieblingsdackel von Kaiser Wilhelm II.
Der Kaiser verbrachte nämlich gerne einen Teil seiner Sommerfrische auf
Schloss Wilhelmshöhe und ließ sich dabei von diversen Dackeln begleiten.
Erdmann aber war ihm wohl der Liebste von allen. Es gibt ein Foto, auf dem
Wilhelmzwo mit Erdmann auf einer Bank sitzt und beide nachdenklich in die
Ferne schauen. Man spürt sofort, dass es sich hier um zwei Seelenverwandte
handelt, weswegen Erdmanns Tod den Kaiser wohl auch tief getroffen hat. So
tief, dass er einen Grabstein für ihn anfertigen ließ, mit den
preußisch-knappen, aber in ihrer Kürze umso wuchtigeren Trauer-Worten:
„Andenken an meinen treuen Dachshund / Erdmann 1890 – 1901 / W. II.“
## Hessen Kassel Heritage
Die Inschrift kenne ich allerdings nur aus der Literatur. Denn obwohl ich
gefühlt die Hälfte meiner Kindheit in diesem Park verbrachte, konnten meine
Tochter und ich Erdmanns Grab auch nach intensiver Suche nicht finden. Beim
Blitzgoogeln stießen wir aber auf die Info, dass die HKH, die „Hessen
Kassel Heritage“, regelmäßig einen „Großen Dackelspaziergang“ anbietet…
Erinnerung an Erdmann“. Eine Parkrallye mit zehn Stationen inklusive
Grabbesuch und in Zusammenarbeit mit dem „Deutschen Teckelklub 1888 e. V.,
Sektion Kassel“.
Die nächste dieser Veranstaltungen findet am 21. September statt. Ich werde
dabei sein. Mit irgendeinem Leihhund. Denn erfreulicherweise dürfen nicht
nur Dackelbesitzer mit ihren Gefährten am Spaziergang teilnehmen. In der
Ankündigung heißt es vorbildhaft diskriminierungsfrei: „ALLE Hunde sind
willkommen“.
26 Jun 2024
## AUTOREN
Hartmut El Kurdi
## TAGS
Kolumne Die Wahrheit
Kassel
Kaiser
Grabmal
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