# taz.de -- Haushaltsstreit und Migrationsberatungen: Beratung, der das Geld fe… | |
> Im kommenden Jahr sollte ohnehin schon bei Hilfsangeboten gespart werden. | |
> Die Haushaltssperre mache die Situation nun noch prekärer. | |
Bild: Kaum Geld und leere Stühle: Ist das bald der Alltag in der Migrationsber… | |
BERLIN taz | Der Haushaltsstreit der Bundesregierung wirkt sich aktuell | |
massiv auf die Migrationspolitik aus. „Die Integrationsleistungen stehen | |
auf tönernen Füßen“, erklärt ein Sprecher der Arbeiterwohlfahrt (AWO). | |
Wegen [1][der vom Finanzministerium verhängten Haushaltssperre] können | |
derzeit keine Arbeitsverträge in der Migrationsberatung verlängert werden. | |
Außerdem ist wegen des fehlenden Haushaltsplans für 2024 bei den | |
Orientierungskursen, die oftmals das erste Angebot für Geflüchtete in | |
Deutschland sind, das Finanzierungskonzept nicht gesichert. | |
„Mit jedem Tag verlieren wir mehr Leute“, sagt AWO-Sprecher Lukas | |
Hochscheidt. Integrationsprojekte sind oft nur projektfinanziert, dadurch | |
sind viele Beschäftigten nur befristet angestellt. Die AWO bietet | |
verschiedene Angebote für die Integration von Geflüchteten an: die | |
Asylverfahrensberatung, die Migrationsberatung für erwachsene Zuwanderer | |
sowie psychosoziale Zentren, in denen Geflüchtete psychologische | |
Unterstützung erhalten. | |
Ohnehin will das Innenministerium bei den Beratungsangeboten 2024 deutlich | |
sparen. Am massivsten ist die Kürzung bei der Migrationsberatung für | |
Erwachsene. Dort sollen die Mittel von 81,5 auf 57,5 Millionen Euro sinken. | |
Ein Minus von fast einem Drittel. Auch in den psychosozialen Zentren sei | |
man extrem unterfinanziert, sagt Hochscheidt. Man erreiche gerade einmal 4 | |
Prozent der Geflüchteten, gehe aber davon aus, dass vier von fünf die | |
psychologische Unterstützung benötigten. Auch in den Bereichen, in denen | |
die Kürzungen geringer ausfallen, gibt es Probleme. „Es bräuchte mindestens | |
einen Inflationsausgleich, um das Angebot aufrechtzuerhalten“, so | |
Hochscheidt. | |
Ein weiteres Integrationsangebot, bei dem die Strukturen zu bröckeln | |
drohen, sind die Erstorientierungskurse (EOK). Für viele Geflüchtete sind | |
sie die Grundlage, überhaupt an weiterführenden Integrationskursen | |
teilnehmen zu können. Serena Blecke verantwortet die EOK für die | |
Johanniter in Hessen. „In keinem der Bundesländer kann im nächsten Jahr der | |
gemeldete Bedarf gedeckt werden“, sagt sie der taz. | |
## Die Bundesregierung hält sich bedeckt | |
Im Vorjahr und im laufenden Jahr standen den EOK jeweils etwa 40 Millionen | |
Euro zur Verfügung. Für 2024 sind im Haushalt 25 Millionen Euro eingeplant. | |
In Hessen könne man so voraussichtlich nicht einmal die Hälfte der | |
benötigten Kurse anbieten, sagt Blecke. | |
Bereits in den vergangenen Jahren kämpften die EOK-Träger für | |
Mittelerhöhungen. Nur durch erstrittene nachträgliche Zusagen kamen die 40 | |
Millionen Euro in diesem Jahr zustande. Bereits im Sommer 2023 befürchtete | |
man in Hessen, das EOK-Angebot einstellen zu müssen. Das verlorene Personal | |
habe man nun mühsam wieder zusammenbekommen, berichtet Blecke. „All dies | |
droht nun wieder zusammenzufallen: Träger ziehen sich zurück, Lehrkräfte | |
ebenso.“ | |
Blecke ist auch darüber besorgt, dass das EOK-Bundesprogramm zum Ende des | |
Jahres 2025 ausläuft. Möglicherweise deuten die Kürzungen darauf hin, dass | |
die Bundesregierung das Programm danach nicht weiter finanzieren will. Ein | |
Sprecher des Innenministeriums schreibt auf Anfrage: „Zu gegebener Zeit | |
wird über die weitere Finanzierung entschieden werden.“ | |
Der Linken-Abgeordnete Victor Perli kritisiert die Regierung für die | |
geringere Finanzierung der EOK: „Die Ampel lässt vorsätzlich einen | |
Stützpfeiler der Integrationsarbeit ausbluten“, sagt Perli zur taz. „Mit | |
Unterfinanzierung und Unsicherheit provoziert die Ampel, dass weiter | |
Fachkräfte das Weite suchen, bevor erneut Kurse gestoppt werden müssen.“ | |
Das Innenministerium gibt auf Anfrage keine Gründe für die Kürzungen an und | |
verweist darauf, dass der Haushalt 2024 weiterhin Gegenstand | |
parlamentarischer Beratungen sei. Aufgrund des Urteils des | |
Bundesverfassungsgerichts, das die Aufstellung des Klima- und | |
Transformationsfonds für grundgesetzwidrig erklärte, muss die Regierung | |
ihren Finanzplan umschichten. | |
[2][Dies hat auch Auswirkungen auf den Haushaltsplan für 2024, von dem | |
nicht klar ist, ob er noch in diesem Jahr verabschiedet wird.] Die | |
angespannte Lage ist kein gutes Vorzeichen für die Integration von | |
Geflüchteten. | |
3 Dec 2023 | |
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[1] /Budgetstreit-in-der-Regierung/!5971429 | |
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## AUTOREN | |
Moritz Müllender | |
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