| # taz.de -- Tuncay Özdamar einen Tag in U-Haft: WDR-Journalist in Türkei ver… | |
| > Die Staatsanwaltschaft warf Tuncay Özdamar einen Verstoß gegen das | |
| > Antiterrorgesetz vor, inzwischen ist er wieder frei – doch nicht ohne | |
| > Sorge. | |
| Bild: WDR-Journalist Tuncay Özdamar | |
| Der [1][WDR]-Redakteur Tuncay Özdamar (56) wurde am Flughafen in Ankara | |
| kurzzeitig festgenommen. Gegen ihn lag ein Haftbefehl wegen des Verstoßes | |
| gegen das Antiterrorgesetz vor. | |
| Er musste eine Nacht in U-Haft verbringen, nachdem Haftprüfungstermin | |
| konnte er das Gefängnis aber wieder verlassen. Ihm wird vorgeworfen, auf | |
| Twitter „eine Person zur Zielscheibe gemacht zu haben, die in der | |
| Terrorbekämpfung aktiv ist“. [2][Das Ermittlungsverfahren] gegen ihn ist | |
| wohl das Ergebnis schlampiger Ermittlungen und einer Verwechselung. | |
| Ein politisch motiviertes Verfahren ist aber nicht ganz ausgeschlossen, | |
| denn Tuncay Özdamar ist seit vier Jahren Leiter der türkischen Redaktion | |
| von „Cosmo“ und setzt sich in dieser Funktion auch kritisch mit der Politik | |
| der Türkei auseinander. Er ist seit 20 Jahren ausschließlich deutscher | |
| Staatsbürger. | |
| Der Vorfall in Ankara fand bereits Ende September statt. Eine Woche nach | |
| seiner vorübergehenden Festnahme reiste Özdamar wieder [3][aus der Türkei] | |
| nach Deutschland aus. Der WDR hat die Festnahme und das | |
| Ermittlungsverfahren gegen seinen Redakteur aber erst jetzt publik gemacht, | |
| weil zunächst abgewogen werden musste, ob Özdamar oder seine in der Türkei | |
| lebenden Angehörigen dadurch gefährdet werden könnten. | |
| Özdamar möchte nach der Aufhebung des Haftbefehls nun auch die Einstellung | |
| des Ermittlungsverfahrens erreichen und hat deshalb in der Türkei den | |
| Presseanwalt Veysel Ok mit seiner Vertretung beauftragt. Aufgrund der von | |
| Ok vorgenommenen Akteneinsicht, lässt sich der Hintergrund der Festnahme | |
| und des Ermittlungserfahrens einigermaßen rekonstruieren. | |
| ## Angst vor Rückreise in Türkei | |
| Anlass sind zwei Tweets von Özdamar vom 9. September 2018, in denen er von | |
| personellen Veränderungen bei der türkischen Oppositionszeitung Cumhuriyet | |
| berichtete. Damals wurde vom Vorstand von Cumhuriyet ein neuer | |
| Chefredakteur ernannt, dem ein Teil der Redaktion eine Nähe zur | |
| Erdoğan-Regierung vorwarf, weshalb mehrere Journalisten das Blatt | |
| verließen. | |
| Özdamar berichtete darüber und listete auch die Namen der Journalisten auf, | |
| die Cumhuriyet aus Protest verließen. Im März 2022, fast vier Jahre später, | |
| wurde laut Akten ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet, weil er | |
| einen Richter Namens Murat Erten zur Zielscheibe gemacht haben soll. | |
| Das basiert auf einer Internetrecherche der Polizei, die bei Twitter nach | |
| Erwähnung des Namens von Murat Erten nach diesem gesucht hat. Özdamer hat | |
| ihn zwar nie erwähnt und auch nie mit ihm zu tun gehabt, doch in der | |
| Namensreihe der protestierenden Cumhuriyet-Journalisten tauchen die Namen | |
| Murat Sabuncu und zehn Namen später Bagis Erten auf. | |
| Der Anwalt vermutet, dass das System die Namen Murat und Erten daraus | |
| zusammengesetzt hat. Obwohl der Haftbefehl gegen Özdamar aufgehoben wurde, | |
| befürchtet der Journalist so lange nicht mehr in die Türkei reisen zu | |
| können, bis das Ermittlungsverfahren gegen ihn nicht eingestellt wurde. | |
| Schließlich sitzen in der Türkei rund 120 deutsche Staatsbürger fest, die | |
| wegen laufender Ermittlungsverfahren nicht ausreisen dürfen. Das Auswärtige | |
| Amt warnt seit Längerem davor, keine kritischen Tweets über die Türkei zu | |
| posten, wenn man in das Land fahren will. | |
| 29 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Jürgen Gottschlich | |
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