# taz.de -- BND-Spionage-Prozess: Liebesgrüße nach Moskau | |
> Ein BND-Mitarbeiter soll Informationen an Russland weitergereicht haben. | |
> Er und sein Bekannter stehen nun wegen Landesverrats vor Gericht. | |
Bild: Prozessbeginn in Berlin: Spionagefall erschüttert BND | |
BERLIN taz | BND-Mann Carsten L. schaut angestrengt, in Hemd und Jackett, | |
hinter dem Sicherheitsglas in den Saal, schüttelt bisweilen den Kopf, als | |
ein Vertreter der Bundesanwaltschaft die Anklage verliest. Auch der | |
Mitangeklagte Arthur E. blickt ernst drein. [1][Besonders schwerer | |
Landesverrat wird beiden vorgeworfen], mehrere Jahre Haft drohen ihnen | |
dafür. Und als würde das nicht reichen, macht Richter Detlev Schmidt auch | |
noch bekannt, dass ein verbotener Briefwechsel zwischen den Inhaftierten | |
aufgeflogen ist. | |
Es ist der Auftakt eines brisanten Großprozesses am Mittwoch vor dem | |
Berliner Kammergericht. Ende Dezember 2022 hatte die Bundesanwaltschaft | |
Carsten L. festnehmen lassen, wenig später auch Arthur E., im Januar 2023. | |
Carsten L., BND-Referatsleiter, zuletzt zuständig ausgerechnet für | |
„Personelle Sicherheit“, soll im Herbst 2022 interne Dokumente des Dienstes | |
an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB weitergegeben haben – mitten im | |
Angriffskrieg auf die Ukraine. Überbracht haben soll diese sein Bekannter | |
und Mitangeklagter Arthur E. | |
[2][Wie heikel die Materie ist], wird am Mittwoch sofort spürbar: | |
Journalist*innen und Besucher*innen werden penibel kontrolliert, | |
nicht mal eigene Stifte sind im Saal erlaubt. Der Prozessbeginn verzögert | |
sich um fast eine Stunde. Für die Anwälte stehen abhörsichere Boxen bereit, | |
in die sie ihre Handys und Laptops einschließen müssen, sobald es um | |
geheime Inhalte geht. | |
Der Verrat war erst durch einen Hinweis eines ausländischen | |
Nachrichtendiensts aufgeflogen. BND-Chef Bruno Kahl sprach zwar von „sehr | |
überschaubaren“ Informationen, die weitergegeben wurden. Die Brisanz aber | |
räumte er ein: Mit Russland habe man es mit einem Akteur zu tun, der mit | |
„Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft“ auftrete. | |
Carsten L. schweigt bisher zu der Anklage, Arthur E. dagegen packte in | |
Vernehmungen aus. Laut Anklage lernten sich beide im Mai 2021 im bayrischen | |
Weilheim kennen, wo Carsten L. lebte. Arthur E., ein windiger | |
Geschäftsmann, bot ihm an, sich an Erzgeschäften in Afrika zu beteiligen. | |
Später sprach er von einem russischen Geschäftsmann, Visa M., der | |
FSB-Kontakte habe und sich für Hilfe revanchieren würde. | |
## Fast eine Million Euro sollen die Russen gezahlt haben | |
Tatsächlich soll Carsten L. dann im September und Oktober 2022 selbst oder | |
über eine [3][Mitarbeiterin neun interne BND-Dokumente] in den Dienstsitzen | |
in Pullach und Berlin abgerufen haben. Teils habe der 53-Jährige die | |
Papiere vom Bildschirm abfotografiert oder ausgedruckt. Arthur E. habe | |
diese dann nach Moskau geflogen und dort dem FSB übergeben, auf Vermittlung | |
von Visa M. Als der russische Geheimdienst eine Liste mit ihn auch noch | |
interessierenden Fragen vorlegte, habe Carsten L. weitere Dokumente | |
geliefert. | |
Die Russen sollen Arthur E. im Gegenzug vier Umschläge mit Bargeld | |
übergeben haben – 450.000 Euro für Carsten L. und 400.000 Euro für Arthur | |
E. Der BND-Mann habe dann dafür gesorgt, dass Arthur E. am Flughafen in | |
München an der Zollkontrolle vorbeigeschleust wurde. | |
Die Vertreter der Bundesanwaltschaft tragen all das vor, dann kommt es zum | |
Streit. Für den Part, in dem genannt wird, welche genauen Inhalte an | |
Russland weitergereicht wurden, wollen die Ankläger die Öffentlichkeit | |
ausschließen. Diese Informationen seien „geheim“ eingestuft. Laut Spiegel | |
geht es etwa um Infos aus einem internen Messengerdienst der Wagner-Gruppe | |
– der nach dem Verrat nicht mehr weitergenutzt worden sei. | |
Jony Eisenberg, der Verteidiger von Carsten L., der auch die taz | |
presserechtlich vertritt, fordert, die Anklage komplett zu verlesen und ein | |
Ende der „Geheimniskrämerei“. Schon im Ermittlungsverfahren sei die | |
Verteidigung dadurch „entrechtet und gedemütigt“ worden. Ein öffentlicher | |
Widerspruch zu den Vorwürfen sei so nicht möglich. | |
Das Gericht zieht sich länger zurück, dann erklärt Richter Schmidt, diese | |
Frage gründlich beraten zu müssen und nicht mehr an diesem Tag zu | |
entscheiden – denn die Thematik werde sich durch den ganzen Prozess ziehen. | |
Die Verlesung der Anklage wird unterbrochen. | |
Zuvor aber macht Schmidt noch öffentlich, dass in der U-Haft bei einem | |
Mitgefangenen ein Brief beschlagnahmt wurde, den offenbar Carsten L. | |
verbotenerweise Arthur E. zukommen lassen wollte. Er solle alle seine | |
Aussagen zurücknehmen, sonst drohten „8 Jahre plus“, heißt es darin. „Du | |
warst nie beim FSB und hast nie Geld erhalten.“ | |
Alle Aussagen seien ihm vom FBI in den USA, wo Arthur E. zunächst | |
festgesetzt wurde, in den Mund gelegt worden, die Dateien auf sein Handy | |
„draufgespielt“. Er sei erpresst worden, habe um seine Familie und | |
Geschäfte gefürchtet. Es gehe darum, „die Beweiskette zu zerstören“. Für | |
den Richter zeigt der Brief, dass die Angeklagten versuchten, mögliche | |
Aussagen abzustimmen. Er verkündet eine Erweiterung der Haftbefehle: nun | |
auch wegen Verdunklungsgefahr. | |
Verteidiger Eisenberg fordert später in einer Erklärung Freispruch für | |
Carsten L. Es gebe keine Beweise für einen Verrat. Die Ermittlungen habe | |
weitgehend der BND geführt, dessen Behördenzeugnisse nicht überprüfbar und | |
widersprüchlich seien. Es bleibe unklar, ob die durchgestochenen Daten | |
wirklich von Carsten L. kämen, welcher Dienst den BND darüber informiert | |
habe und woher dieser die Daten habe. Auch sei Arthur E. ein „Hochstapler“, | |
der seine Aussagen immer wieder geändert habe. | |
Ob das Gericht das auch so oder anders sieht, wird sich in den nächsten | |
Monaten zeigen. Angesetzt ist der Prozess vorerst bis Juni 2024. | |
13 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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