# taz.de -- BND-Prozess gegen Doppelagent: „Natürlich eine Katastrophe“ | |
> Im Prozess gegen einen russischen Maulwurf beim BND sagt | |
> Geheimdienst-Chef Bruno Kahl aus. Den Fall nennt er „mit das schlimmste, | |
> was passieren kann“. | |
Bild: Der Präsident des Bundesnachrichtendienstes BND, Dr. Bruno Kahl, zu Gast… | |
BERLIN taz | Bruno Kahl macht keine Umschweife. Der Fall sei „natürlich | |
eine Katastrophe“ für sein Amt, erklärt der BND-Präsident am Mittwoch im | |
Berliner Kammergericht, an einem kleinen Holztisch sitzend, eine schwarze | |
Aktentasche neben sich. „Ein Innentäter ist mit das Schlimmste, was einem | |
Nachrichtendienst passieren kann.“ | |
Kahl sagt dies am Mittwoch als Zeuge in einem Prozess, der seit Dezember | |
[1][den wohl größten deutschen Spionagefall der jüngsten Zeit] verhandelt. | |
Im Dezember 2022 war ein Referatsleiter festgenommen worden, Carsten L., | |
zuständig für Technische Aufklärung und Personelle Sicherheit. Der Vorwurf: | |
schwerer Landesverrat. Im Herbst 2022 soll Carsten L. interne BND-Dokumente | |
an den russischen Inlandsgeheimdienst FSB weitergegeben haben – mitten im | |
[2][Angriffskrieg auf die Ukraine]. Wenig später wurde ein mutmaßlicher | |
Komplize festgenommen, Arthur E. – ein windiger Geschäftsmann und Bekannter | |
von Carsten L. Er soll die Papiere nach Moskau gebracht haben. | |
Kahl hatte kurz danach die Brisanz des Falls eingeräumt: Mit Russland habe | |
man es mit einem Akteur zu tun, der mit „Skrupellosigkeit und | |
Gewaltbereitschaft“ auftrete. In einem Interview mit dem Tagesspiegel im | |
Juli 2023 beschwichtigte er: Es seien nur „sehr überschaubar“ Informationen | |
weitergegeben worden, auch kein Material von Partnerdiensten. Das Vertrauen | |
dieser Dienste sei inzwischen sogar „eher gestärkt“ durch die offene | |
Aufarbeitung. | |
Im Gerichtssaal wird das von den Verteidigern der Angeklagten bereitwillig | |
aufgegriffen: Der vorgeworfene Verrat sei also gar nicht so schlimm | |
gewesen? Kahl mäandert und bemüht einen Vergleich: Auch ein | |
Flugzeugabsturz, bei dem von 100 Passieren 20 überlebten, bleibe eine | |
Katastrophe. Schlimmer noch hätte etwa ein über Jahre in den BND | |
eingeschleuster Agent eines gegnerischen Dienstes sein können. So aber | |
seien nur über kurze Zeit, im Herbst 2022, wenige Daten nach Russland | |
gelangt, beteuert Kahl. | |
## 450.000 Euro für den Verrat | |
Dennoch hätten nach dem Verrat Partnerdienste weniger Informationen | |
geteilt, der BND habe einen „schweren Reputationsschaden“ erlitten. Auch | |
für die Bundesregierung sei der Fall „ein Unglück“ gewesen. Mit dem | |
Interview habe er dies wieder einfangen wollen. Als die Verteidiger | |
nachbohren, welcher Schaden genau eintrat, macht Kahl dicht: Dies dürfe er | |
nur in nichtöffentlicher Sitzung sagen. Die Verteidigung pocht auf | |
Öffentlichkeit, aber das Gericht entscheidet am Nachmittag: Es wird | |
nichtöffentlich weiterverhandelt. | |
Zuvor aber räumte Kahl noch ein, dass Carsten L. im Amt „ein gutes | |
Standing“ hatte. Er sei als kompetent angesehen worden, als „gute | |
Führungskraft“. Erst später sei ihm kolportiert worden, dass der 53-Jährige | |
eigentlich unzufrieden mit seiner Arbeit gewesen sei – ein mögliches Motiv | |
für den angeklagten Verrat. Ein anderes wäre ein finanzielles: 450.000 Euro | |
soll Carsten L. von Russland für seine Dienste bekommen habe. | |
Carsten L. selbst schweigt zu den Vorwürfen, die Ausführungen seines | |
früheren Präsidenten verfolgt er aufmerksam, macht Notizen. Dafür packte im | |
Prozess sein Mitbeschuldigter Arthur E. aus: So soll Carsten L. ein | |
privates Handy mit in den BND genommen und damit Fotos der Dokumente | |
gemacht haben – Erkenntnisse aus einer russischen Messenger-App, welche die | |
Wagner-Gruppe nutzte. Kahl will sich auch zu dem weitergereichten Material | |
nur nichtöffentlich äußern. | |
Laut Johannes Eisenberg, der Verteidiger von Carsten L., der auch die taz | |
presserechtlich vertritt, bleibe jedoch unklar, ob die durchgestochenen | |
Daten wirklich von Carsten L. kämen. Möglich sei auch, dass die Sache von | |
einem fremden Geheimdienst inszeniert worden sei, um die Bundesregierung in | |
Zugzwang zu bringen, die Ukraine stärker mit Waffen zu unterstützen. Der | |
Prozess ist noch bis Juli terminiert. | |
13 Mar 2024 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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