# taz.de -- Drohnen über Atommülllager: Leichtes Ziel für Luftangriffe | |
> Drohnen verletzten seit Wochen die Flugverbotszone in Brunsbüttel. Dort | |
> steht viel kritische Infrastruktur – und ein Atommüll-Zwischenlager. | |
Bild: Gegen Bedrohungen aus der Luft möglicherweise unzureichend geschützt: A… | |
Rendsburg/Hamburg taz | Seit Wochen kreisen Drohnen unbekannter Herkunft | |
über dem Industriestandort Brunsbüttel, die Staatsanwaltschaft Flensburg | |
ermittelt wegen des Verdachts der „Agententätigkeit zu Sabotagezwecken“. | |
Die nächtlichen Überflüge sollen seit Anfang August stattfinden, wie zuerst | |
der Spiegel und die Bild berichteten. Möglicherweise handelt es sich um | |
russische Drohnen vom Typ Orlan-10. Versuche, sie abzufangen, sind bisher | |
gescheitert. | |
Wie lange es von der ersten Sichtung dauerte, bis einem Spionageverdacht | |
nachgegangen wurde, wie viele Drohnenüberflüge registriert worden sind, ob | |
es sich tatsächlich um russische Drohnen handelt oder ob es andere Hinweise | |
auf Typus und Herkunft der Drohnen gibt? Zu all dem wollte die | |
Staatsanwaltschaft Flensburg, die für Staatsschutzbelange in | |
Schleswig-Holstein zuständig ist, am Montag auf taz-Nachfrage nichts sagen. | |
Aus „ermittlungstaktischen Gründen“, so Oberstaatsanwalt Thorkild | |
Petersen-Thrö. Auch das Innenministerium hält sich mit dem Hinweis auf | |
laufende Ermittlungen bedeckt. | |
Dabei ist das von den Drohnen überflogene Gebiet ein sensibles: Bei | |
Brunsbüttel mündet der Nord-Ostsee-Kanal in die Elbe, zahlreiche Firmen | |
haben sich angesiedelt, darunter aus der chemischen und Mineralöl-Industrie | |
im Chemcoast-Park. Ein LNG-Terminal entsteht gerade. Ebenfalls in | |
Brunsbüttel liegt ein Atomkraftwerk, das sich im Rückbau befindet. Die | |
Anlagen gelten als Teil der kritischen Infrastruktur. | |
Zunächst war die Polizei vor Ort nur von nicht angemeldeten Drohnenflügen | |
in der Flugverbotszone ausgegangen. Solche Flugverbote gelten um | |
kerntechnische Anlagen grundsätzlich, so das Bundesaufsichtsamt für | |
Flugsicherung. In Brunsbüttel ist es besonders heikel, denn auf dem Gelände | |
lagern Castorbehälter, seit 2015 ohne Genehmigung. Der Grund, aus dem ein | |
Gericht das Zwischenlager verboten hatte, ist die Sorge darüber, dass die | |
Kavernen, also die unterirdischen Lagerstätten, nicht ausreichend gegen | |
Terrorangriffe gesichert sein könnten. | |
## Genehmigung für Atommüll-Zwischenlager enzogen | |
Im Jahr 2004 hatte ein Anwohner aus Angst vor zufälligen oder geplanten | |
Flugzeugabstürzen geklagt – seit dem Angriff auf das New Yorker World Trade | |
Center am 11. September 2001 ein denkbares Szenario. Mehr als zehn Jahre | |
lang stritt der Kläger, unterstützt von Naturschutzvereinen, vor Gericht. | |
In den Verfahren erklärte das Bundesamt für Strahlenschutz, es habe „die | |
potentiellen radiologischen Auswirkungen eines Flugzeugabsturzes“ umfassend | |
geprüft, sogar gegen „den Widerstand der kernkraftwerkbetreibenden | |
Stromversorger“ mehr Szenarien untersucht, als gesetzlich vorgeschrieben | |
gewesen sei. Grundsätzlich seien in Folge des 11. September bei allen | |
Standort-Zwischenlagern gezielte Flugzeugabstürze als Gefahr einbezogen | |
worden, heißt es seitens des Bundesamtes. | |
Dennoch sahen sowohl das Ober- als auch das Bundesverwaltungsgericht Fehler | |
im Prüfverfahren und entzogen dem Zwischenlager in Brunsbüttel die | |
Genehmigung. Seit 2015 ist das Lager per ministerieller Anordnung also nur | |
noch „geduldet“. Die Castorbehälter stehen bloß deshalb noch dort, weil es | |
keinen anderen Ort gibt, der sie aufnehmen könnte. Im Jahr 2014 kam heraus, | |
dass mehrere Fässer rosten, aus ihnen tritt strahlende Flüssigkeit aus. | |
Alles gute Gründe für ein besonderes Schutzkonzept für den Himmel über | |
Brunsbüttel. Aber auch Tage nach dem Bekanntwerden der Drohnenüberflüge ist | |
die Informationslage dürftig. Das schleswig-holsteinische Innenministerium | |
erklärte bloß, die Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder hätten | |
schon vor Längerem vor Spionage und Sabotage gewarnt und man sei sehr | |
wachsam. Und die Bundeswehr stellt der Polizei laut | |
Verteidigungsministerium Radardaten zur Verfügung, um das Lagebild zu | |
vervollständigen, heißt es. | |
Aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Februar zur Gefahr durch | |
Drohnen in Schleswig-Holstein geht unter anderem hervor, dass die | |
Landesregierung plant, die Landespolizei mit Geräten zur Drohnenabwehr | |
auszustatten. Auf die Frage, ob die angeschafften Geräte Drohnen orten und | |
verfolgen können und warum sie bisher offenbar nicht eingesetzt worden | |
sind, antwortet ein Sprecher des Innenministeriums lediglich, dass es | |
verschiedene Geräte zur Drohnendetektion und -abwehr auf dem Markt gebe. | |
„Ein wesentliches Element beim Einsatz der Mittel bei der Landespolizei ist | |
es, dass wir aus Rücksicht auf schützenswerte taktische Entscheidungen | |
keinerlei Aussage dazu treffen, für welche Technik und Wirkungsweise sich | |
die Landespolizei entschieden hat“. Auf die Frage, wie die Abläufe im Falle | |
von Drohnensichtungen in Brunsbüttel sind, heißt es: Dazu sage man nichts, | |
um die Maßnahmen nicht zu gefährden. | |
Am kommenden Mittwoch sind Drohnen Thema im Innen- und Rechtsausschuss. Da | |
kommen die Drohnen über Brunsbüttel sicher auf den Tisch. | |
Hinweis: Wir haben den Text um die Statements der Staatsanwaltschaft und | |
des Kieler Innenministeriums ergänzt. | |
23 Aug 2024 | |
## AUTOREN | |
Esther Geißlinger | |
Ilka Kreutzträger | |
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