# taz.de -- Mutmaßlicher Doppelagent für Russland: BND-Mann weist Vorwürfe z… | |
> Ein BND-Mitarbeiter soll Interna an Russland durchgestochen haben. Sein | |
> Anwalt spricht von „Geheimnishuberei“. | |
Bild: Der Fall Carsten L. bleibt für den Bundesnachrichtendienst heikel | |
BERLIN taz | Carsten L. schweigt von Beginn an. Im Dezember 2022 war er | |
[1][festgenommen worden], gerade erst wurde gegen ihn [2][Anklage erhoben]. | |
Der Vorwurf: Als BND-Mitarbeiter soll er Interna seines Geheimdienstes an | |
Russland durchgestochen haben, mitten im Angriffskrieg auf die Ukraine. Nun | |
äußert sich der 52-Jährige erstmals zu den Vorwürfen, zumindest über seinen | |
Anwalt. | |
Carsten L. werde kein Geständnis ablegen, teilte am Donnerstag sein Anwalt | |
Johannes Eisenberg, der auch die taz presserechtlich vertritt, mit. Der | |
Beschuldigte werde vielmehr „massiv vorverurteilt“, die Vorwürfe würden | |
„durch manipulierte Ermittlungen konstruiert“. So sei bis heute unklar, wer | |
das angebliche „Verratsmaterial“ in Russland gefunden habe und dem BND | |
weitergereicht haben soll, so Eisenberg. Auch gehe die Verteidigung davon | |
aus, dass dieses Material „wertlos“ war und keine Folgen hatte. Zudem | |
basiere die Anklage auf „Behördenerklärungen“ des BND, die nicht | |
überprüfbar seien. | |
Auch die Aussagen des Mitbeschuldigten Arthur E., einem befreundeten | |
Geschäftsmann von Carsten L., der diesen belastet hatte, weist Eisenberg | |
zurück. Arthur E. habe seine Einlassungen immer wieder angepasst und | |
„nachweislich verschiedentlich gelogen“. Die Bundesanwaltschaft und das | |
Bundeskriminalamt wiederum hätten es weitgehend unterlassen, mit | |
Ermittlungen dessen Aussagen zu überprüfen. | |
Eisenberg weist auch zurück, dass Carsten L. politisch rechtsgerichtet sei. | |
Dies habe sich trotz Ermittlungen angeblich „nicht erhärtet“. Medien hatten | |
unter anderem von einer Bekanntschaft von Carsten L. mit einem AfD-Mann | |
berichtet und über eine Unzufriedenheit über seine Arbeit beim BND. | |
## „Willkürliche Geheimnishuberei“ | |
Der Verteidiger beklagt auch, dass seine Arbeit durch die hohe | |
Geheimhaltung des Falls stark behindert werde. Fast der gesamte | |
Aktenbestand – rund 40 Ordner – sei als geheim eingestuft worden, | |
kritisiert Eisenberg. Auch bei der Anklage seien von den 118 Seiten ganze | |
106 als „geheim“ klassifiziert. Eisenberg spricht von „willkürlicher | |
Geheimnishuberei“: Einzelheiten der Vorwürfe seien so öffentlich nicht | |
benennbar und kritisierbar. | |
Eisenberg hatte in der Vergangenheit schon die Gegenseite vertreten und im | |
NSA-Untersuchungsausschuss im Bundestag BND-Zeugen juristisch begleitet. | |
BND-Chef Bruno Kahl hatte von Beginn an „Diskretion“ in dem Fall angemahnt. | |
Mit Russland habe man es mit einem Akteur zu tun, „mit dessen | |
Skrupellosigkeit und Gewaltbereitschaft wir zu rechnen haben.“ Jedes Detail | |
des Falls, das an die Öffentlichkeit gelange, bedeutet einen Vorteil | |
Russlands in seiner Absicht, Deutschland zu schaden. | |
Die Anklage wirft Carsten L. und seinem Bekannten Arthur L. | |
[3][Landesverrat in besonders schwerem Fall] vor. Im September 2022 hätten | |
beide zusammen mit einem russischen Unternehmer, der Kontakt zum russischen | |
Inlandsgeheimdienst FSB hat, beschlossen, BND-Interna nach Moskau | |
durchzustechen. Daraufhin habe Carsten L. neun BND-Dokumente an seinen | |
Dienstrechnern in Pullach und Berlin ausgedruckt oder vom Bildschirm | |
abfotografiert. Dabei sei es um ein Projekt „zur technischen | |
Informationsgewinnung“ gegangen, so die Bundesanwaltschaft. | |
## Russland zahlte fast eine Million Euro | |
Das Material habe Carsten L. an Arthur E. übergeben, der wiederum Fotos der | |
Ausdrucke nach Moskau gebracht und dem FSB im September und Oktober 2022 | |
übergeben habe. Vermittelt habe hier der russische Unternehmer, der auch | |
die Flugreisen von E. bezahlt habe. Für eine zweite Übergabe habe der FSB | |
dann eine Liste mit Fragen vorgelegt, die ihn interessierten. Hierzu habe | |
Carsten L. erneut BND-Informationen rausgesucht und über Arthur E. dem | |
russischen Dienst übergeben. | |
Der FSB belohnte die Dienste von Carsten L. [4][laut Anklage] mit 450.000 | |
Euro in bar. Arthur E. soll 400.000 Euro bekommen haben. Der Prozess gegen | |
die beiden Männer soll vor dem Kammergericht in Berlin verhandelt werden. | |
14 Sep 2023 | |
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## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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