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# taz.de -- Feminismus in der DDR: Eingaben auf Augenhöhe
> Eine Ausstellung in der Gethsemanekirche erinnert an die
> DDR-Frauenbewegung. „Gemeinsam sind wir unerträglich“ stellt Initiativen
> und Orte vor.
Bild: In Schautafeln ist die Geschichte der unabhängigen Frauenbewegung der DD…
Die Gethsemanekirche ist am 23. November 1989 voller Frauen. In einem Foto
stehen sie eng beieinander. In den Gesichtern spiegeln sich Ungeduld und
Anspannung. Gut 34 Jahre später wird dieses Foto vom Frauenforum zum
Aufhänger der Ausstellung „Gemeinsam sind wir unerträglich“ und verstellt
den Blick auf den Altar.
[1][Dieser in den 1980ern für DDR-Fraueninitiativen überaus wichtige
Kirchenraum] ist auch die erste Station einer Wanderausstellung über die
unabhängige Frauenbewegung in der DDR. Auf den zehn Schautafeln wechseln
sich Schwarzweißfotos ab mit Dokumenten aus der Bewegung. Es sind
verwaschen aussehende Zettel, häufig bis auf den letzten Zentimeter mit der
Schreibmaschine gefüllt oder locker mit Notizen beschmiert, um dann
plötzlich in Zeichnungen überzugehen.
Die Kuratorinnen Ulrike Rothe und Rebecca Hernandez Garcia haben über
sieben Monate recherchiert mit dem Ziel, sich der DDR-Frauenbewegung über
deren eigene Dokumente anzunähern. Sie stellen die verschiedenen
Initiativen vor und beleuchten [2][den schwierig-gefährlichen Raum der
begrenzten Öffentlichkeit unter dem fragilen Dach der evangelischen Kirche]
– immer im Fokus der Stasi.
Und sie erzählen im Herzstück der Ausstellung, wie aus vielen
unterschiedlichen, regionalen Frauengruppen in den letzten DDR-Jahren eine
Frauenbewegung entsteht, die in der Wendezeit vor Aktivität schier
explodiert.
Neben „Frauen für den Frieden“, die sich 1982 dezentral in verschiedenen
Städten als Reaktion auf das neue Wehrgesetz vernetzen, wird die
komplizierte Gemengelage der Lesben in der späten DDR beleuchtet. [3][Sie
leiden unter einer doppelten Diskriminierung – als Frauen und als nicht
heterosexuelle Menschen]. Es sind [4][die „Lesben in der Kirche“], die für
sich den Slogan „Gemeinsam sind wir unerträglich“ entdecken, ihn mit einem
kämpferischen Logo ausstatten und als Postkarte verbreiten.
Debatten über feministische Theologie
Gleichzeitig wird in der protestantischen Kirche, gefördert durch
Pastorinnen und Ehefrauen von Pfarrern, immer mehr über feministische
Theologie debattiert. Die Kulturwissenschaftlerin Irene Dölling bringt die
Diskrepanz zwischen offizieller Ideologie und Lebensrealität 1980 auf den
Punkt: „Die Erwerbstätigkeit der Frau ist nicht gleichzusetzen mit ihrer
Emanzipation, jene ist eine wesentliche Voraussetzung für diese, aber nicht
diese selbst.“
Beeindruckend ist die unglaubliche Vielzahl an Tagungen – gezeigt an einer
speziellen Landkarte –, die von den unterschiedlichsten Frauengruppen an
allen erdenklichen Orten der DDR im Schutz der Kirche abgehalten wurden und
die maßgeblichen Anteil daran hatten, dass in der DDR eine unabhängige
Frauenbewegung entstehen konnte.
SED und Frauenbewegung treffen aufeinander, indem die Frauen das einzige
ihnen zur Verfügung stehende Mittel, ihr Anliegen an die Öffentlichkeit zu
bringen, nutzen: die Eingabe. So schreibt Bärbel Bohley 1982 an Erich
Honecker: „Wir Frauen erklären uns nicht bereit, in die allgemeine
Wehrpflicht einbezogen zu werden.“ Was alle Eingaben, die in der
Ausstellung zu sehen sind, vereint, ist die Kommunikation auf Augenhöhe,
die die Frauen von der SED-Nomenklatura einfordern.
Welcher Gefahr sie sich dadurch in einem repressiven Staat aussetzen, war
den Frauen bewusst. Für den Fall einer Verhaftung hatten Mütter Vollmachten
für den Verbleib der Kinder ausgestellt. Die Frauengruppe Karl-Marx-Stadt
bricht 1988 auseinander: von 14 IMs „zersetzt“ und betrauert in der
Samisdat-Zeitschrift Lila Band. Von einem Mitglied, das den wahren Grund
nicht ahnt und so überlegt, ob andere Frauengruppen „besser“ arbeiten.
12 Dec 2023
## LINKS
[1] /Im-Interview-Pfarrerin-Jasmin-El-Manhy/!5688502
[2] /Bericht-eines-Zeitzeugen/!5635641
[3] /Lesbische-Aktivistin-ueber-die-DDR/!5796975
[4] /Aktivist-ueber-1-East-Pride-Berlin/!5782684
## AUTOREN
Katja Kollmann
## TAGS
Feminismus
DDR
Frauenbewegung
Ausstellung
Berlin Ausstellung
Christopher Street Day (CSD)
Lesestück Interview
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