# taz.de -- Reform des Berliner Schulgesetzes: „Wir legen ein Veto ein“ | |
> Das Probejahr am Gymnasium muss weg, sagt Maja Lasic (SPD). Sie ist in | |
> mehrerer Hinsicht unzufrieden mit dem geleakten Entwurf zum Schulgsetz. | |
Bild: Das Probejahr am Gymnasium muss weg | |
taz: Frau Lasic, wie finden Sie den Entwurf der CDU-Bildungsverwaltung zum | |
Schulgesetz, der jetzt öffentlich wurde? Was sagen Sie etwa zur Abschaffung | |
des Elternwillens beim Übergang nach der Grundschule? | |
Maja Lasic: Ja, leider ist der Entwurf schon draußen, bevor wir in der | |
Koalition gesprochen haben. Tatsächlich ist die Neuausgestaltung des | |
Übergangs zur Oberschule wichtig, das hat die SPD in den Koalitionsvertrag | |
hinein getragen. Das Probejahr in der bisherigen Form hat sich als | |
Steuerungsinstrument als problembehaftet erwiesen. | |
Warum? | |
Das Probejahr an Gymnasien ist vor allem für die Kinder, die „zurück“ | |
müssen auf die Sekundarschule, eine extreme psychische Belastung. Bei der | |
Abschaffung sind wir uns in der Koalition also einig. | |
Aber was dann? | |
Wir als SPD würden gerne nah am Brandenburger Modell bleiben, also mit der | |
Förderprognose der Grundschule anfangen. Wenn Familien, wo die Prognose | |
nicht positiv beschieden wird, dennoch das Gymnasium besuchen wollen, gibt | |
es eine zweite Chance die Eignung des Kindes festzustellen. | |
Wie? | |
Auch der Punkt ist nicht geeint in der Kollektion. Es kann eine Art | |
Probeunterricht sein oder ein Test, der sich an Kompetenzen orientiert, | |
oder individuelle Gespräche zur Eignungsfeststellung. Wir können uns | |
verschiedenes vorstellen. | |
Was ist also Ihr Problem mit dem Referenten-Entwurf? | |
Dass eine Probezeit weiter drin ist, genau das wollen wir ja laut | |
Koalitionsvertrag abschaffen! Das ist für uns unverhandelbar. Im | |
CDU-Entwurf ist der Elternwille zudem komplett gestrichen. Im SPD-Entwurf | |
lassen wir den Elternwillen so wie bislang bestehen. | |
Wie das? Wenn man doch einen Eignungstest braucht fürs Gymnasium oder | |
ähnliches? | |
Auch jetzt gilt der Elternwille nicht absolut: Wer das Probejahr am | |
Gymnasium nicht bestanden hat, konnte keinen Elternwillen mehr geltend | |
machen. Wir ersetzen jetzt nur diese Einschränkung durch die | |
Leistungserstellung im Vorfeld des Gymnasiumsbesuchs. | |
Ein anderer Streitpunkt: Die CDU möchte mehr Religion an Schulen. Wie | |
finden sie das? | |
Gegen die jetztige Formulierung im Entwurf müssen wir ein klares Veto | |
einlegen. Denn da wird nun das Bedürfnis von Familien nach | |
Religionsunterricht gestrichen zugunsten des Bedürfnisses der | |
Religionsgemeinschaften Unterricht anzubieten. Sobald eine Gemeinschaft das | |
will, soll eine Schule das einrichten müssen. Das wird es mit uns nicht | |
geben. Wir müssen eine andere Formulierung finden, die weiterhin vom | |
Elternwillen ausgeht. Die Verhandlungen werden zeigen, wie wir uns da | |
annähern können. | |
Dritter Punkt: Es soll ein 11. Pflichtschuljahr geben. Warum? Ist das nicht | |
nur eine verlängerte Warteschleife vor der Ausbildung? | |
Im Gegenteil. Wir haben ja das Problem, dass uns jedes Jahr tausende | |
Abgänger nach der zehnten Klasse komplett verloren gehen, die weder eine | |
Ausbildung machen noch eine Berufsvorbereitung besuchen. Wir als SPD würden | |
gerne eine Verpflichtung im Gesetz haben, die diesen Jugendlichen neue, | |
sehr praxisorientierte Angebote macht. Das ist das, was wir am | |
Referentenentwurf bemängeln. Das 11. Pflichtschuljahr ist für uns überhaupt | |
nicht problematisch – aber das zentrale Angebot, was dann für die | |
Betroffenen reformiert werden muss, die IBA, bleibt im Entwurf unverändert | |
und damit nicht ausreichend für künftige Bedarfe. | |
Was ist IBA? | |
IBA ist die Integrierte Berufsausbildungsvorbereitung, da kommt man rein, | |
wenn man nach der 10. Klasse abgeht und einen Mittleren Schulabschluss | |
(MSA), die erweiterte Berufsbildungsreife (EBBR) oder die | |
Berufsbildungsreife (BBR) nachholen will. Auch Willkommensklasse-Schüler, | |
die älter sind als 10. Klasse, kommen da rein. Aber zu viele Schulabgänger | |
kommen da bislang eben nicht rein, sie gehen „verloren“. | |
Was wollen Sie also tun? | |
IBA hat super Erfolgsquoten, auch wegen der Berufseinstiegsbegleiter. Wir | |
würden dieses Angebot gerne stärker differenzieren und ausweiten. Die Idee | |
dahinter ist, je größer die Schulferne desto mehr Praxisanteile muss die | |
Begleitung durch IBA haben. Im Mittelpunkt steht Anschluss vor Abschluss, | |
Schule ist kein Selbstzweck. | |
Das 11. Pflichtschuljahr heißt also: IBA für alle? | |
Genau! Alle, die keinen Anschluss nach der 10. Klasse haben, müssen in die | |
IBA gehen – und die muss sich dafür weiterentwickeln. Damit die | |
Jugendlichen dort, im praxisorientierten System der Oberstufenzentren, | |
erfahren, dass sie Spaß haben können am Arbeiten – und eigentlich gar nicht | |
so schulfern sind, wie sie denken. | |
Und wenn man nach der 10. Klasse eine Ausbildung macht? | |
Ja, das geht auch. Das 11. Pflichtschuljahr ist nur für Jugendliche, die | |
noch nicht den eigenen Weg gefunden haben. | |
6 Dec 2023 | |
## AUTOREN | |
Susanne Memarnia | |
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