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# taz.de -- Lula-Besuch in Berlin: Werben fürs Handelsabkommen
> Brasiliens Präsident ist zu Gast im Kanzleramt. Ziel ist, die Beziehungen
> zu vertiefen und das EU-Freihandelsabkommen mit Lateinamerika zu retten.
Bild: Der Lula-Launebär zu Besuch in Berlin, 4.12.2023
Berlin taz | Inmitten der stockenden Verhandlungen über den Abschluss des
EU-Mercosur-Handelsvertrags werben Bundeskanzler Olaf Scholz und der
brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva für stärkere Beziehungen
der beiden Länder. Dafür lud Scholz am Montag nach acht Jahren Pause wieder
zu Deutsch-Brasilianischen Regierungskonsultationen ins Kanzleramt.
Und das nicht zu knapp: Neben Scholz nahmen neun deutsche Minister und
Ministerinnen teil. Die hatten im Vorfeld mit ihren brasilianischen
Kolleg*innen um die 20 Vereinbarungen vorbereitet, die am Montag
unterzeichnet werden sollten. Unter anderem zu Biodiversität und
Meeresschutz, zur Wiederaufforstung von Regenwäldern, zu erneuerbaren
Energien und grünem Wasserstoff und der Gewinnung von Rohstoffen sowie zum
Schutz der Indigenen.
Die bilateralen Vereinbarungen flankieren ein umstrittenes
[1][Handelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten] Brasilien,
Argentinien, Uruguay und Paraguay. Sie sind ein weiterer Versuch, das
Freihandelsabkommen mit Regenwaldschutz und Klimapolitik zu vereinen sowie
Investitionen in den Mercosur-Staaten in Aussicht zu stellen – ein Versuch,
das Abkommen zu retten.
Erst Ende November hatte der Grünen-Parteitag gegen den Willen des
Bundesvorstands [2][Nachverhandlungen des Handelsabkommens verlangt] und
rechtlich verbindliche Verpflichtungen im Bereich des Umwelt-, Sozial-, und
Klimaschutzes gefordert. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne)
hatte zuvor seine Zustimmung zum Abkommen an eine Zusatzerklärung
gekoppelt, die dem Vertragstext angehängt werden sollte. In ihr sollten
sanktionsbewehrte Verpflichtungen zum Regenwaldschutz und den Zielen des
Pariser Klimaabkommens festgelegt werden.
Akteure aus der Zivilgesellschaft kritisieren diese als unzureichend. Auch
die Mercosur-Staaten lehnen die zusätzlichen Verpflichtungen bislang
vehement ab, einzig Lula lenkte in den letzten Wochen ein und zeigte sich
nun aufgeschlossen gegenüber der Erklärung.
## Agrarlobby blockiert
Doch die Grünen sind das kleinere Problem der Freihandelsverfechter: In der
EU blockieren Frankreich und Österreich. Neben Umweltbedenken geht es ihnen
vor allem um die eigene Agrarlobby, die sich von vergünstigten
Rindfleischimporten gefährdet sieht. Die EU-Kommission verweist hingegen
darauf, dass der Vertrag Schutzzölle beinhaltet, es also starke
Begrenzungen der Mengen gebe, die mit Zollbegünstigungen importiert werden
könnten.
Seit Längerem geht das Gerücht um, die Kommission wolle zur Not den
Handelsteil vom politischen Teil des Abkommens abkoppeln. Der könnte
einfach ratifiziert werden, denn er benötigt keine Zustimmung der
Parlamente der Mitgliedstaaten. Auch die Abstimmung im Rat wäre
vereinfacht.
Aber es bleiben Widerstände in Lateinamerika. Mit [3][der Wahl von Javier
Milei als Präsident Argentiniens] gibt es im Mercosur-Bündnis einen neuen
Kritiker des Abkommens. Und auch [4][Paraguay hatte zuletzt ein Ultimatum
gestellt]: Sollte das Abkommen bis zum Ende des brasilianischen
Mercosur-Vorsitzes nicht beschlossen werden, werde Paraguays Präsident
Santiago Peña die Verhandlungen abbrechen. Der übernimmt am Donnerstag den
Vorsitz.
Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mercosur wird seit über 20
Jahren verhandelt. Es soll die größte Freihandelszone der Welt schaffen.
Profiteure wären die großen Exporteure, Pestizid- und Autohersteller in
Europa etwa und Fleisch-, Soja- und Rohstoffproduzenten in den
Mercosur-Staaten. Die EU erhofft sich günstige Rohstoffe, um die
batteriegetriebene Energiewende zu finanzieren. Gleichzeitig will sie den
Einfluss Chinas am lateinamerikanischen Markt bremsen und die eigene
Rohstoffabhängigkeit eindämmen durch Diversifizierung der Lieferländer.
BDI-Präsident Siegfried Russwurm drängte am Montag in Berlin die Politik zu
„Flexibilität und Kompromissbereitschaft“, um das EU-Mercosur-Abkommen zu
verabschieden. Auch die Mercosur-Staaten können wirtschaftlich profitieren,
neue Absatzmärkte erschließen, Investitionen locken und vielleicht auch
Schutzgelder für den Regenwald erwirken, wie es Lula vorschwebt.
Ob die Zusatzerklärung und weitere bilaterale Vereinbarungen die sozialen
und ökologischen Auswirkungen des exportfördernden Handelsabkommens dämpfen
können, ist umstritten. Ob Lula und Scholz das Handelsabkommen „retten“
können auch.
4 Dec 2023
## LINKS
[1] /EU-Handelsabkommen-mit-Suedamerika/!5976471
[2] /Streit-um-Migration-bei-Gruenen-Parteitag/!5972831
[3] /Wahlsieg-von-Javier-Milei/!5971315
[4] /EU-Abkommen-mit-Mercosur-Laendern/!5959841
## AUTOREN
Leila van Rinsum
## TAGS
Klimakonferenz in Dubai
Mercosur
Brasilien
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Olaf Scholz
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Schwerpunkt Klimasabotage
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Javier Milei
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