# taz.de -- Mercosur-Abkommen kurz vor dem Aus: Erneutes Scheitern als Chance | |
> Das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den Mercosur-Staaten ist | |
> immer noch nicht unterschrieben worden. Streit gibt es über | |
> Umweltschutzauflagen. | |
Bild: Geht da noch was: Brasiliens Präsident und Bolivien Präsident Arce bei … | |
BUENOS AIRES taz | Beim Gipfeltreffen der südamerikanischen | |
Wirtschaftsgemeinschaft Mercosur herrschte Katerstimmung. Ganz oben auf der | |
Tagesordnung stand am Donnerstag in Rio de Janeiro das | |
[1][Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union]. „Ich habe mit fast | |
allen Präsidenten der EU gesprochen. Ich habe Macron gedrängt, nicht so | |
protektionistisch zu sein, aber es hat nicht funktioniert“, sagte der | |
Gastgeber, Brasiliens Präsident Lula da Silva in der Eröffnungsrede. „Der | |
Widerstand in Europa ist wirklich stark.“ | |
Spaniens Ministerpräsident und EU-Verhandlungsführer Pedro Sánchez und | |
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen waren trotz Einladung gar | |
nicht erst zum Gipfel angereist. Wäre nicht Bolivien als fünftes | |
Mercosur-Vollmitglied aufgenommen und ein Freihandelsabkommen mit Singapur | |
verabschiedet worden, wäre der Gipfel zu einem Routinetreffen geworden, bei | |
dem lediglich die Präsidentschaft von Brasilien an Paraguay übergeben | |
wurde. | |
Das EU-Abkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay | |
und Uruguay [2][ist seit 2019 fertig ausgehandelt], allerdings noch nicht | |
ratifiziert. Streit gibt es vor allem über Umweltauflagen für | |
südamerikanische Landwirte. Frankreich und Österreich dringen zum Schutz | |
der eigenen Bauern auf strikte Vorgaben. Deutschland setzt sich für eine | |
rasche Ratifizierung ein. Auf südamerikanischer Seite werden die | |
Umweltforderungen als kolonialistische Bevormundung abgelehnt. Zudem steht | |
Argentinien seit Jahren auf der Bremse, um seine heimische Industrie zu | |
schützen. | |
## Gespräche seit 25 Jahren | |
Der am Sonntag aus dem Amt scheidende argentinische Präsident Alberto | |
Fernández wiederholte seine bekannten Argumente: Ein Freihandelsabkommen | |
mit der EU sei begrüßenswert, um nicht in der Bipolarität zwischen China | |
und den Vereinigten Staaten gefangen zu sein. „Aber es setzt voraus, dass | |
wir alle gewinnen, sonst ist es kein gutes Abkommen.“ Uruguays Präsident | |
Luis Lacalle Pou würdigte die „große Leistung“ Lulas, um dann zu fragen, | |
„ob es wirklich sinnvoll ist, weiter auf Gesprächen zu bestehen, die nun | |
schon seit fast 25 Jahren geführt werden“. | |
Mit etwas Spannung war die Rede von Paraguays Präsident Santiago Peña | |
erwartet worden. Peña [3][hatte angekündigt], dass er die Verhandlungen als | |
Präsident des Mercosur im kommenden Jahr nicht fortsetzen werde. Die EU | |
versuche, „uns Maßnahmen aufzuzwingen, die für unsere eigene Entwicklung | |
nicht geeignet sind“, so Peña. Dass Umweltfragen die Handelsdiskussion | |
dominieren, sei „auf ein mangelndes Verständnis unseres Entwicklungsmodells | |
zurückzuführen“, sagte er. | |
Noch eine andere Stimme am Rand des Gipfels war aufschlussreich. „2010 | |
dachten wir, wir könnten das Abkommen in zwei Jahren abschließen“, erklärte | |
Welber Barral, der damalige brasilianische Chefunterhändler. „Selbst wenn | |
das Abkommen heute angenommen worden wäre, hätte es juristisch überprüft, | |
in alle EU-Sprachen übersetzt und von allen EU-Parlamenten gebilligt und | |
ratifiziert werden müssen“, so Barral. Mit ein wenig Optimismus würde dies | |
mindestens fünf Jahre dauern. | |
Dass der Gipfel trotzdem nicht als das Datum in die Geschichte eingehen | |
sollte, an dem das Mercosur-EU-Abkommen beerdigt wurde, ist auch in der | |
Abschlusserklärung zu lesen. „Die Verhandlungen werden mit dem Ziel | |
fortgesetzt, den Prozess abzuschließen und eine Vereinbarung zu erzielen, | |
die für beide Regionen von Vorteil ist und den Anforderungen und | |
Bestrebungen ihrer jeweiligen Gesellschaften entspricht“, heißt es darin. | |
Ein Zeithorizont wird nicht genannt. | |
Eine Chance im Scheitern sehen Umweltverbände. „Nach mehr als 20 Jahren | |
gescheiterter Verhandlungen sollte die Bundesregierung endlich anerkennen, | |
dass das Abkommen in der jetzigen Form die [4][falsche Grundlage für eine | |
faire und nachhaltige Partnerschaft] zwischen der EU und dem Mercosur ist“, | |
erklärte Greenpeace-Handelsexpertin Lis Cunha. „Handel darf den Planeten | |
nicht gefährden, sondern muss ihn schützen. Statt ein totes Pferd zu | |
reiten, muss Wirtschaftsminister Robert Habeck sich für Neuverhandlungen | |
für ein ökologisches, postkoloniales Abkommen einsetzen.“ | |
8 Dec 2023 | |
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## AUTOREN | |
Jürgen Vogt | |
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