| # taz.de -- Kommt der Bahnstreik?: Nächste Tarifrunde mit Bahn und GDL | |
| > Bei der Bahn steht der nächste Arbeitskampf an – mit der | |
| > Lokführergewerkschaft GDL. Die Bahn bietet zum Auftakt der Verhandlungen | |
| > 11 Prozent mehr Lohn. | |
| Bild: GDL-Gewerkschafter: Bereit zum Arbeitskampf? | |
| Berlin taz/dpa | Viele Fahrgäste dürften sich noch erinnern: Gerade mal | |
| drei Monate ist es her, dass sich die [1][Deutsche Bahn und die Eisenbahn- | |
| und Verkehrsgewerkschaft (EVG)] nach zähen Verhandlungswochen und [2][einer | |
| Schlichtung auf einen Tarifkompromiss einigten.] Zweimal legte die EVG | |
| seinerzeit per Warnstreik den Bahnverkehr in Deutschland lahm. Nun müssen | |
| Kundinnen und Kunden wieder bangen, ob ihre Züge fahren. An diesem | |
| Donnerstag beginnt die nächste Tarifrunde bei der Bahn, dieses Mal mit der | |
| Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) unter [3][ihrem Chef Claus | |
| Weselsky]. Die GDL ist zwar die weit kleinere Bahngewerkschaft, einfacher | |
| macht das die Verhandlungen aber nicht. | |
| ## Drohen bald wieder Streiks und Stillstand auf der Schiene? | |
| Ja, Fahrgäste müssen sich darauf einstellen, dass die GDL zügig in den | |
| Arbeitskampf geht. Weselsky hat bereits angekündigt, sich [4][nicht lange | |
| mit Warnstreiks aufhalten zu wollen], für die es enge Vorgaben gibt. Er | |
| setzt auf eine rasche Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern, um | |
| unbefristete Streiks realisieren zu können. Konkret kündigte die GDL noch | |
| keine Aktionen an. Aber Weselsky hat bislang stets betont, dass auch die | |
| Feiertage über Weihnachten nicht tabu sind für Arbeitskämpfe. | |
| Der Fahrgastverband Pro Bahn rief die Gewerkschaft bereits zur Besinnung | |
| auf: „Die GDL sollte sich hüten, Millionen Menschen das Weihnachts- und | |
| Silvesterfest durch Streiks zu verderben“, sagte der Verbandsvorsitzende | |
| Detlef Neuß dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Wenn zu den | |
| weihnachtlichen Familientreffen keine Züge fahren, wäre das eine extreme | |
| Belastung für sehr viele Menschen.“ | |
| Die GDL hat zwar deutlich weniger Mitglieder als die EVG. Doch sie vertritt | |
| traditionell vor allem die Lokführer und das Zugpersonal. Wenn sie | |
| streiken, fahren auch keine Züge. Die Gewerkschaft hat in früheren | |
| Tarifrunden oft bewiesen, auch über längere Zeit den Bahnverkehr bundesweit | |
| vollständig lahmlegen zu können. | |
| ## Worum wird gestritten? | |
| Die Gewerkschaft fordert 555 Euro mehr pro Monat sowie eine | |
| Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro – abzüglich eines bereits | |
| gezahlten Teils dieser steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung. Die | |
| Laufzeit soll zwölf Monate betragen. Als Knackpunkt der Verhandlungen gilt | |
| aber vor allem die Forderung, die Arbeitszeit für Schichtarbeiter von 38 | |
| auf 35 Stunden bei vollem Lohnausgleich abzusenken. Weselsky will damit | |
| eigenen Aussagen zufolge die Attraktivität des Berufs angesichts des | |
| flächendeckenden Fachkräftemangels erhöhen. | |
| „Wir haben zu wenig Lokführer, zu wenig Zugbegleiter, jetzt zu wenig | |
| Fahrdienstleiter, zu wenig Werkstattmitarbeiter“, sagte der GDL-Chef vor | |
| wenigen Wochen der Deutschen Presse Agentur. Das liege nicht am | |
| demografischen Wandel. „Sondern es ist die Unattraktivität der Berufe, der | |
| Tätigkeiten, die im Eisenbahnsystem nun mal 24 Stunden, sieben Tage die | |
| Woche und 365 Tage im Jahr laufen.“ | |
| ## Was bietet die Bahn? | |
| Die Bahn hat die GDL-Forderungen bereits als „unerfüllbar“ zurückgewiesen. | |
| „Wenn wir das vollumfänglich umsetzen würden, müssten wir im Schichtdienst | |
| rund 10.000 Mitarbeiter zusätzlich einstellen“, sagte Personalvorstand | |
| Martin Seiler kürzlich in Berlin. | |
| Zum Auftakt der Gespräche am Donnerstag hat die Hand ausgestreckt und ein | |
| Angebot vorgelegt. Demnach bietet die Bahn 11 Prozent mehr Lohn sowie eine | |
| Inflationsprämie von bis zu 2.850 Euro an, wie das Unternehmen am | |
| Donnerstag mitteilte. Eine Vier-Tage-Woche mit 35 Stunden bei vollem | |
| Lohnausgleich – eine der Kernforderungen der GDL – sei hingegen der | |
| „falsche Weg“. | |
| ## Gibt es weitere Knackpunkte? | |
| Ja. Wie schon bei vergangenen Tarifrunden der GDL ist dieser Konflikt | |
| geprägt von der Debatte um das sogenannte Tarifeinheitsgesetz. Es sieht | |
| vor, dass in einem Betrieb mit mehreren Gewerkschaften nur der Tarifvertrag | |
| der mitgliederstärkeren Arbeitnehmervertretung umgesetzt wird. Bei den rund | |
| 300 Betrieben der Deutschen Bahn ist das in der Regel die EVG. | |
| In lediglich 18 Bahn-Unternehmen kommen derzeit die GDL-Verträge zur | |
| Anwendung. Doch aus Sicht der Lokführergewerkschaft gibt es kein | |
| gesichertes Feststellungsverfahren der Mitgliederzahl in den jeweiligen | |
| Betrieben. Sie klagt deshalb in mehreren Verfahren gegen die Festlegungen | |
| des Konzerns, bei einigen bereits in letzter Instanz vor dem | |
| Bundesarbeitsgericht. | |
| Die GDL ist deshalb darum bemüht, ihren Einflussbereich bei der Bahn | |
| auszuweiten. In dieser Tarifrunde will sie auch für die Beschäftigten der | |
| Infrastruktursparte verhandeln. Die Bahn lehnt das ab. Bislang hat die GDL | |
| dort keine eigenen Tarifverträge. | |
| ## Was hat es mit der neuen Genossenschaft der GDL auf sich? | |
| Auch mit Blick auf das Tarifeinheitsgesetz hat die Gewerkschaft im Sommer | |
| angekündigt, eine eigene Leihfirma in Form einer Genossenschaft gründen zu | |
| wollen. Laut Weselsky ist das bereits geschehen. Derzeit liefen | |
| Einstellungsgespräche, betonte er kürzlich. Die Beschäftigten dieser Firma | |
| könnten nun zu GDL-Konditionen an die Bahn ausgeliehen werden. Auf diese | |
| Weise könnten auch in den Betrieben die GDL-Tarifverträge angewendet | |
| werden, in denen eigentlich die EVG eine Mehrheit unter den Beschäftigten | |
| hat. | |
| Denn die Genossenschaft handelt ihre Tarifverträge nicht mit der Bahn aus, | |
| sondern mit der GDL. Ein entsprechender Haustarifvertrag sei bereits | |
| vereinbart worden, sagte Weselsky. „Die Genossenschaft ist die Lösung für | |
| diese Unverschämtheit“, sagte Weselsky der Süddeutschen Zeitung mit Blick | |
| auf das Tarifeinheitsgesetz. | |
| 9 Nov 2023 | |
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