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# taz.de -- Chemieprofessor über Batteriealternative: „Es ist schon ein Ries…
> Sie sollen E-Autos antreiben und Strom aus Erneuerbaren speichern.
> Maximilian Fichtner erklärt, warum Batterien für die Energiewende so
> wichtig sind.
Bild: Nicht alle haben das Potenzial von neuen Batteriemodellen erkannt
wochentaz: Herr Fichtner, das Wichtigste zuerst: Wann gibt es endlich
Smartphones, die man nur noch einmal die Woche laden muss?
Maximilian Fichtner: Aktuell sehe ich diese Entwicklung nicht. Bei
Handybatterien sind kompakte Materialien sehr wichtig, sie können ein
bisschen schwerer sein, aber dürfen eben nicht größer werden. Dort gibt es
derzeit wenig Fortschritt, weil die verwendeten Rohstoffe schon eine sehr
hohe Energiedichte haben. Dafür tut sich viel bei den Ladezeiten: Mein
neues Handy ist in zwanzig Minuten vollständig geladen.
Dann sprechen wir eben über große Batterien. Welche Rolle spielen die bei
der Energiewende?
Eine wachsende. Stationäre Batteriespeicher sind ausschlaggebend für eine
zuverlässige [1][Stromversorgung mit erneuerbaren Energien]. Vor einiger
Zeit wurde ja fast noch kategorisch ausgeschlossen, dass sie eine
bedeutende Aufgabe übernehmen können. Doch in solchen großen Anlagen
benötigt man keine Hochleistungsmaterialien, wie Kobalt und Nickel. Das
drückt den Preis.
Wann können riesige Batteriespeicher helfen?
Wenn große Verbraucher in kurzer Zeit viel Strom brauchen, kann das die
Netzstabilität gefährden. Die zusätzliche Energie, mit der man solche
Schwankungen ausgleicht, nennt man Regelenergie. Und dafür sind Batterien
ideal geeignet. Mit ihnen kann man eine Viertelstunde locker puffern, bevor
ein Gaskraftwerk einspringen muss. In diesem Bereich tut sich gerade sehr
viel.
Von welchen Größen reden wir dabei?
Derzeit steht die größte Batterie in Monterey County im US-Bundesstaat
Kalifornien. Da hat die Bevölkerung dagegen gestimmt, zwei ausgemusterte
Gaskraftwerkblöcke neu zu bauen, die solche Zwischenlasten übernehmen. Also
hat man die alten Kraftwerkhallen entkernt und einfach eine riesige
Batterie reingestellt. Die Anschlüsse an das Stromnetz waren ja schon da.
Die Batterie hat eine geplante Kapazität von sechs Gigawattstunden. Damit
könnte man eine Million Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen. Das
ist kein Kindergeburtstag mehr.
Und wie sieht es damit in Deutschland aus?
Aktuell sind die Speicher hier noch relativ klein. Nimmt man alle zusammen,
kommt man auf etwas mehr als die Kapazität der Batterie in Kalifornien.
Doch der Bereich wächst stark, im letzten Jahr ist die gesamte Kapazität um
mehr als das Eineinhalbfache gestiegen.
Dabei kommen meist Lithium-Ionen-Akkus zum Einsatz, der heutige
Goldstandard. Was macht sie so erfolgreich?
Dazu muss man erst einmal verstehen, wie so eine Batterie funktioniert.
Eine Batterie hat einen Plus- und einen Minuspol. Die sind wie zwei Regale,
zwischen denen das Lithium hin- und herwandert. Dabei ist auch immer ein
Elektron involviert, welches im Stromkreis außerhalb der Batterie zwischen
den Polen hin- und herwandert – wir wollen ja eigentlich kein Lithium
speichern, sondern Elektrizität. Da Lithiumatome ziemlich klein sind, passt
es zudem in großen Mengen in die kleinen Regalfächer. Diese Anordnung hat
also eine sehr hohe Kapazität, das heißt: viele elektrische Ladungen pro
Raum und Gewicht. Hinzu kommt, dass mit dem Lithium sozusagen der
Höhenunterschied zwischen den Regalfächern – die Spannung – energetisch
gesehen relativ hoch ist. Und Spannung mal Kapazität ist Energie. Mit
Lithium-Ionen-Batterien bekommt man die größten Energien, die derzeit
erreichbar sind.
Trotzdem hat die Lithium-Ionen-Batterie inzwischen einen ziemlich
schlechten Ruf.
In den letzten fünf bis zehn Jahren ist die nachhaltige Zusammensetzung der
Batteriematerialen immer wichtiger geworden. Aber mit der Nachhaltigkeit
der Lithium-Ionen-Batterie ist das so eine Sache. Viele Menschen meinen
etwa, dass sich darin seltene Erden befinden.
Stimmt das etwa nicht?
Nein, diesen Mythos haben Thinktanks der Ölindustrie in die Welt gesetzt.
In anderen Batterien gibt es seltene Erden, aber nicht in
Lithium-Ionen-Akkus.
Bei der Kritik an Lithium-Ionen-Akkus geht es nicht nur um ihren Inhalt.
Die Kobaltminen im Kongo sind berüchtigt für Kinderarbeit.
1991 brachte Sony die erste Lithium-Ionen-Batterie auf den Markt – mit
einem Pluspol aus Kobalt. Das Metall ist für große Batterien aber keine
besonders gute Lösung, es ist teuer, giftig und kann Sicherheitsprobleme
verursachen. Deshalb versucht man es seit Anfang der 90er Jahre zu
ersetzen. Ende der 90er hatte der Pluspol noch 30 Prozent Kobaltanteil.
Seit 2019 produziert Tesla Batterien mit einem Kobaltanteil von 2,8
Prozent. Ein Großteil der [2][neuen E-Autos] fährt bereits jetzt ohne
Kobalt.
Trotzdem gehen Expert:innen davon aus, dass die Nachfrage nach Kobalt in
den nächsten Jahren noch wachsen wird.
BASF hat im brandenburgischen Schwarzheide gerade ein Werk für die
Herstellung von Materialien im Minuspol von Batterien eröffnet. Das ist die
größte Fabrik in Europa, dort wird immer noch Kobalt verbaut. Allerdings
kommt die Hälfte davon aus Finnland und die andere Hälfte aus dem
Recycling. Es gibt nach wie vor Kinderarbeit im Kongo, aber dieses Kobalt
landet größtenteils in chinesischer Billigelektronik.
Die Lithium-Ionen-Batterie steht auch wegen des hohen Wasserverbrauchs in
der Kritik.
Chile ist der zweitgrößte Lithium-Produzent weltweit und zum dortigen Abbau
gibt es wirklich erschreckende Dokus. Ich habe aber selbst mal beim
chilenischen Bergbauministerium nachgefragt, die die Wasserrechte vergeben.
Der Lithiumabbau verbraucht ungefähr so viel Wasser wie die Hotels in der
Region, das ist achtmal weniger als für den Kupferabbau. Der
[3][Lithiumabbau für einen modernen Auto-Akku] benötigt etwa 4.000 Liter
Wasser; das entspricht der Wassermenge, die man braucht, um ein T-Shirt
herzustellen – oder eine halbe Jeans.
Nun ist es aber so, dass in Chile das Lithium aus den Salzseen der
Atacama-Wüste gewonnen wird. Sie gilt als eine der trockensten Regionen der
Erde und der Wassermangel in der Region nimmt zu.
Ja, die Grundwasserbestände sinken – allerdings schon seit den 1960er
Jahren. Damals gab es noch keinen Lithiumabbau, wohl aber Kupferproduktion.
Die Lithiumproduktion trägt sicherlich zum Süßwasserverbrauch bei. Sie als
Verursacher dieses Wassermangels zu brandmarken, ist aber falsch und
widerspricht dem Sachstand.
Und was hat es mit der drohenden Lithiumknappheit auf sich?
Theoretisch liegt in der Erde noch eine große Menge Lithium. Im Augenblick
wird es aber nur an wenigen Orten abgebaut, etwa in Chile oder Australien.
Andere Lagerstätten werden jetzt erst erschlossen. In den USA wurde gerade
ein riesiges Depot entdeckt. Von der Entdeckung bis zur Förderung dauert es
allerdings ungefähr zehn Jahre. Wenn es zu einer Knappheit kommt, liegt das
daran, dass zu wenig gefördert wurde und auf dem Markt ist.
Lustig: Ausgerechnet von einem Forscher für Lithiumalternativen hören wir
hier ein Plädoyer für den Lithium-Ionen-Akku. Warum brauchen wir dann
überhaupt alternative Batterietechnologien?
Ich kann nicht ausschließen, dass es zwischenzeitlich einen Lithiummangel
geben wird. Um Druck aus der Rohstoffsituation zu nehmen, werden wir
Alternativtechniken brauchen. Außerdem gibt es eine politische Komponente:
Es geht darum, weniger von anderen Ländern abhängig zu sein und die
Rohstoffe für die Energie- und Verkehrswende auch bei uns zu finden. Und
schließlich ist die Suche nach Lithiumalternativen auch eine faszinierende
Wissenschaft.
Woran arbeiten Sie da?
Wir sind damit beschäftigt, neue Speicherprinzipien und die dazugehörigen
Materialien zu entwickeln. Dabei spielt neben der Performance auch die
Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.
Und gibt es einen lokalen und nachhaltigen Ersatz für den
Lithium-Ionen-Akku?
Aktuell geht es hauptsächlich um die Natrium-Ionen-Batterie. Da sind keine
kritischen Rohstoffe drin, sondern hauptsächlich Natrium und Aluminium.
Natrium ist ein Bestandteil von Kochsalz und Aluminium ist das
dritthäufigste Element auf der Erde.
Wie beurteilen Sie die aktuellen Entwicklungen?
Es ist schon ein Riesendurchbruch. Ich glaube zwar nicht, dass der
Natrium-Ionen-Akku die Lithium-Ionen-Technologie komplett verdrängen wird,
aber er wird wichtige Aufgaben übernehmen, etwa bei den stationären
Speichern. Es wird in Kürze mehrere Autos chinesischer Hersteller geben,
die mit Natriumbatterien fahren.
Wie sieht es in Europa aus?
Die Hauptakteure sind derzeit Faradion aus Großbritannien und Tiamat aus
Frankreich. Faradion wurde jetzt von einem indischen Investor aufgekauft,
der die Firma finanziell kräftig unterstützt. Sie baut derzeit eine
Batteriefabrik und möchte demnächst in größeren Stückzahlen
Natrium-Ionen-Akkus produzieren.
In Deutschland sorgte eine Kooperation zwischen dem Fraunhofer-Institut für
Keramische Technologien und Systeme und der Altech Group für Schlagzeilen:
Sie wollen 2024 Natriumbatterien im großen Stil produzieren.
Ihre Idee dafür basiert eigentlich auf einer alten Erfindung, [4][der
Zebra-Batterie]. So eine Batterie muss man bei erhöhter Temperatur
betreiben. Es kann sein, dass das für den stationären Bereich ein
sinnvoller Beitrag ist, man kann solche Batterien aber nicht in ein Auto
packen. Für Natriumbatterien im Bereich der E-Mobilität gibt es hierzulande
derzeit noch nichts. Ansonsten muss man aber sagen, dass sich Deutschland
bei der Batterieproduktion vom großen Zauderer zum Musterknaben entwickelt
hat. Bis 2030 ist eine Produktion in 14 sogenannten Gigafactorys auf
deutschem Boden geplant, das wäre etwa die Hälfte des europäischen Bedarfs.
Süddeutschland geht dabei relativ leer aus.
[5][Die großen Fabriken] gehen alle in den Norden oder in den Osten
Deutschlands, weil dort vor Ort erneuerbare Energien verfügbar sind. Die
Firmen wollen ihren CO2-Fußabdruck möglichst gering halten und dafür grünen
Strom nutzen. Baden-Württemberg und Bayern sind da vergleichsweise
[6][schlechter aufgestellt].
Auf dem Weg zur nachhaltigen Batterie der Zukunft muss sich auch beim
Recycling noch viel tun. Wie sieht es in diesem Bereich aus?
Traditionell werden Batterien geschreddert und im Hochofen geschmolzen, um
Leicht- und Schwermetalle zu trennen. In Zukunft sollen Roboter sie in ihre
Einzelteile zerlegen. Wirklich wichtig sind die großen Recyclingkapazitäten
aber erst in den 2030er Jahren. Eine [7][Batterie in einem Elektroauto]
schafft heutzutage ungefähr 2.000 Ladezyklen, bis sie auf 80 Prozent ihrer
ursprünglichen Leistung runter ist. Bei einer Reichweite von 500 Kilometern
sind das eine Million Kilometer. Und danach bekommt die Batterie ja noch
ihr sogenanntes zweites Leben, wo sie noch einmal zehn Jahre arbeitet, in
einem Windpark oder eine Photovoltaikanlage. Im Augenblick haben wir
eigentlich zu viele Recyclingunternehmen in Europa, die eher zu wenig
Batterien kriegen. Trotzdem ist es natürlich wichtig, sich auf die
wachsende Nachfrage vorzubereiten.
15 Nov 2023
## LINKS
[1] /Energiewendepionier-ueber-den-Fortschritt/!5966360
[2] /Tesla-und-Northvolt-in-Deutschland/!5914285
[3] /Umstrittenes-Lithium-aus-Serbien/!5899786
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/Zebra-Batterie
[5] /Regionen-werben-um-Batteriefabrik/!5572096
[6] /Ausbau-der-Windkraft-in-Sueddeutschland/!5962693
[7] /Einbruch-bei-Neuzulassungen-von-E-Autos/!5964874
## AUTOREN
Anton Benz
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