# taz.de -- Umweltaktivist über Hitze in Spanien: „Spanien wird weniger beli… | |
> Hitze mache Ferien im Sommer an vielen Tagen unmöglich, sagt Javier | |
> Andaluz von Ecologistas en Acción. Die Bevölkerung werde sich im Land | |
> verlagern. | |
Bild: 42 Grad Celsius: Im Juli suchen Touristen in Malaga Schatten | |
taz: Herr Andaluz, Spanien reißt Jahr für Jahr einen Hitzerekord nach dem | |
anderen. Dieses Jahr vermeldeten die Kanarischen Inseln, bekannt für ihr | |
mildes Klima, 44,8 Grad und eine Temperatur von 41 Grad um ein Uhr in der | |
früh. Der Norden Spaniens erlebte Hitzewellen mit knapp unter 40 Grad. Ist | |
das jetzt immer so? | |
Javier Andaluz: Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass wir die | |
Folgen des Klimanotstands immer deutlicher zu spüren bekommen. Wir werden | |
wohl weitere Jahre einen Rekord nach dem anderen vermelden, denn die | |
CO2-Emissionen nehmen ja nicht ab. Und vom Augenblick des Ausstoßes bis zu | |
den Wirkungen, die sie zeigen, vergehen rund 20 Jahre. Das heißt, auch wenn | |
wir heute kein CO2 mehr ausstoßen würden, gingen die Temperaturen erst | |
einmal nicht zurück. Doch nicht nur die Temperaturen sollten uns Sorgen | |
bereiten, sondern die Wetterabweichungen, die wir im Sommer verzeichnen. | |
Was meinen Sie damit? | |
Dieses Jahr hatten wir bereits im Mai und Juni Hitzewellen wie sonst nur im | |
Hochsommer. Die sogenannten tropischen Nächte, also Nächte, in denen die | |
Temperaturen nicht unter 25 Grad fallen, nehmen zu. In den 1980er Jahren | |
waren das im Landesinnern eine Handvoll Tage im Hochsommer. Jetzt gibt es | |
tropische Nächte mehrere Wochen lang. Hinzu kommen Starkregen, die | |
sogenannte Gota Fría. Diese sind in Spanien normal, aber erst im Spätsommer | |
und begrenzt auf einen schmalen Streifen entlang des Mittelmeers im Osten. | |
Jetzt verzeichnen wir solche Regenfälle mit Hagel und Überschwemmungen | |
immer häufiger, und das bereits im Mai. Das betroffene Gebiet weitet sich | |
ins Landesinnere aus. Das hängt ganz direkt mit der Zunahme der | |
Wassertemperatur im Mittelmeer zusammen. | |
Wie lange werden die Touristen angesichts dessen noch nach Spanien kommen? | |
Die Mittelmeerküsten im Süden und im Südosten Spaniens werden zunehmend | |
unter der Hitze leiden. Mancherorts in Spanien ist es bereits jetzt | |
unmöglich, zwischen 12 Uhr und 18 Uhr etwas außer Haus zu unternehmen. Wann | |
sich das auf den Tourismus auswirkt, kann ich nicht vorhersagen, aber es | |
wird sich auswirken. Die Beliebtheit Spaniens als Urlaubsziel wird aus | |
Angst vor der Hitze und vor Unwettern zurückgehen. [1][Da wir vor einem | |
globalen Klimawandel stehen], werden andere Länder und Regionen, die bisher | |
nicht so attraktiv sind, an Beliebtheit gewinnen. Zum Beispiel die Strände | |
an der französischen Atlantikküste oder die im Süden Großbritanniens. Dort | |
werden wir plötzlich Bedingungen vorfinden wie in Südspanien vor 20 Jahren. | |
Verändert sich die Klimazonen? Wir hatten im Mai und Juni fast Tag für Tag | |
Quellwolken auf der spanischen Hochebene, die pünktlich jeden Nachmittag zu | |
starken Gewittern führten. Rutscht Spanien in eine andere Klimazone, mehr | |
Richtung subtropisch? | |
Vermutlich ist das so. Aber, um das tatsächlich bestätigen zu können, | |
müssen wir die Entwicklungen mindestens zwei Jahrzehnte lang beobachten. | |
Ärzte sorgen sich weniger um die hohen Tagestemperaturen als um die heißen | |
Nächte. Ab 30 Grad erholt sich der menschliche Körper im Schlaf nicht mehr. | |
Ist die Hitze in Großteilen Spaniens schon bald mit dem menschlichen Leben | |
unvereinbar? | |
Das hängt von der Kapazität ab, uns anzupassen. Natürlich können wir in | |
klimatisierten Häusern leben. Die Frage ist, was mit den Ökosystemen als | |
solchen passiert. | |
Die Bodentemperatur nimmt zu. Das europäische Überwachungssystem Kopernikus | |
hat in großen Teilen Spaniens Temperaturen von 50 bis über 60 Grad | |
gemessen. Ist das mit Landwirtschaft – einem wichtigen wirtschaftlichen | |
Sektor – noch vereinbar? | |
Das, was Kopernikus zeigt – nicht nur für die Böden, [2][sondern auch für | |
die Temperaturen der Meere] –, ist besorgniserregend. Wir sind am Limit | |
dessen, was die meisten unserer Ökosysteme vertragen. Das große Problem in | |
Spanien ist Versteppung und Wüstenbildung. Wenn die Durchschnittstemperatur | |
tatsächlich um 2 Grad ansteigt, sind davon über 60 Prozent des Landes | |
betroffen. Die hohen Bodentemperaturen lassen den Boden austrocknen. In den | |
letzten Monaten hat es immer wieder geregnet, aber die Böden speichern das | |
Wasser nicht, es verdampft. | |
Wird das zu einer Verlagerung der Bevölkerung innerhalb Spaniens führen, | |
etwa vom Süden in den Norden? | |
Natürlich, es gibt viele Orte, in denen alle von der Landwirtschaft leben | |
oder auch vom Tourismus. Brechen die beiden Branchen ein, haben die | |
Menschen keine Perspektive mehr und müssen gehen. | |
19 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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