| # taz.de -- Nur noch Parkplätze für Anwohner: Herr Begemann geht vor Gericht | |
| > Der Bewohner eines autoarmen Viertels in Altona möchte seinen Wagen in | |
| > der benachbarten Anwohnerparkzone abstellen. Dafür provoziert er einen | |
| > Prozess. | |
| Bild: Autoreduziert: Straßenzug in der (Neuen) Mitte Altona | |
| Hamburg taz | Joachim Begemann sitzt vor dem Saal 101 des Amtsgerichts | |
| Altona und wartet auf einen großen Auftritt. Er hält Schriftstücke und | |
| Fotos in Klarsichtfolie bereit, hat seine Frau als Unterstützerin | |
| mitgebracht und die Presse eingeladen. | |
| Der Rentner hat Einspruch gegen eine Reihe von Strafzetteln erhoben. Jetzt | |
| will er erklären, was ihn dazu getrieben hat, immer wieder falsch zu | |
| parken. Es ist ein Mini-Feldzug gegen die rot-grüne Verkehrspolitik in | |
| Hamburg – auch wenn Begemann das abstreiten würde. | |
| Im Mai 2020 ist Joachim Begemann mit seiner zu 50 Prozent gehbehinderten | |
| Frau in das autoarme Neubauviertel Mitte Altona gezogen, wie er erzählt. | |
| Obwohl Eigentümer eines Kleinwagens, habe er auf einen der wenigen | |
| Tiefgaragenplätze verzichtet – „zu gunsten unserer vielen Familien mit | |
| Kindern“. Schließlich hätten die Familien einen viel größeren | |
| Transportbedarf als er. Für seine Baugemeinschaft ist ein Tiefgaragenplatz | |
| auf vier Wohnungen vorgesehen. | |
| Begemann ging davon aus, dass er sein Auto in der Nachbarschaft parken | |
| könnte. Im Dezember 2020 wurde das Nachbarquartier allerdings zum | |
| [1][Bewohnerparkgebiet] erklärt. Solche Sperrzonen werden eingerichtet, um | |
| in dicht bebauten Gebieten mit vielen Autos und wenig Platz | |
| sicherzustellen, dass die Anwohner in der Näher ihrer Wohnungen Parkplätze | |
| finden. | |
| ## Vom Anwohnerparken überrascht | |
| Wer in so einem Gebiet nicht wohnt, kann allenfalls ein Tagesticket kaufen, | |
| sein Auto also nicht über Nacht abstellen. Das Anwohnerparken sei | |
| „überraschend“ eingeführt worden, kritisiert Begemann, „ohne uns | |
| Neue-Mitte-Altona-Anwohner zu informieren“. | |
| Dass er in der Nachbarschaft [2][nicht mehr parken darf, bewertet Begemann | |
| als „unsozial, familien- und behindertenfeindlich“]. Es verstoße „grob | |
| gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz“, schreibt er in einer Petition, die | |
| er von den Mitgliedern seiner Baugemeinschaft unterzeichnen lassen will. | |
| Das Verbot für die Neue-Mitte-Bewohner das [3][Bewohnerparkgebiet zu | |
| nutzen], müsse aufgehoben werden. | |
| Natürlich finde er es „[4][völlig richtig, Städte autoarm zu gestalten]“, | |
| versichert Begemann. Autoreduziert zu wohnen, habe er sich aber nicht | |
| ausgesucht – das habe sich mit dem Grundstück so ergeben, das der Senat | |
| seiner Baugemeinschaft Flickwerk angeboten habe. | |
| In seiner derzeitigen Lebenssituation sei jedoch ein völliger PKW-Verzicht | |
| kaum machbar, argumentiert Begemann. Schließlich habe er eine 92jährige | |
| Mutter auf dem Lande in Ostwesfalen-Lippe, die er regelmäßig besuche, eine | |
| gehbehinderte Frau und ab und zu einen Wocheneinkauf zu machen. Einen | |
| Mietwagen zu nehmen oder Carsharing zu nutzen, sei ihm als Rentner und mit | |
| seinem abgeschriebenen Kleinwagen zu teuer, sich ein Auto mit andern zu | |
| teilen unangenehm und der Weg ins nächste Parkhaus zu weit. | |
| In seiner Not wich Begemann ins wenige Hundert Meter entfernte | |
| Gewerbegebiet aus – und weil er da nicht der einzige ist, stellte er seinen | |
| Wagen ein paar Male neben den gepflasterten Parkplatz. Die Stelle, auf der | |
| regelmäßig geparkt wird, könnte genauso gut zum Parkplatz gehören, bloß, | |
| dass sie nicht befestigt ist. „Da, wo Sie geparkt haben, hätte ich wohl | |
| auch geparkt“, räumt die Richterin ein. | |
| ## Richterin macht kurzen Prozess | |
| Trotzdem: In puncto Illegalität gebe es kein Vertun. Die Richterin macht | |
| Begemann ein Angebot: Zum ersten Parkverstoß werde sie das Verfahren | |
| einstellen; möglicherweise sei Begemann ja nicht bewusst gewesen, dass er | |
| dort nicht parken dürfe. Die weiteren Verstöße werde sie zu einem | |
| zusammenfassen – davon ausgehend, dass Begemann mehrere Strafzettel | |
| erhielt, während er das Auto falsch geparkt stehen ließ. Wenn er den | |
| Einspruch dagegen zurücknehme, käme er mit 25 Euro Verwarngeld und den | |
| Kosten des Verfahrens davon. | |
| Begemann schlägt ein, ein bisschen enttäuscht. Schließlich hätte er dem | |
| Gericht ja gerne seine Position vorgetragen. Die Klarsichtfolien dazu hat | |
| er vor sich auf dem Tisch. Das Angebot, seine Petition zu den Akten zu | |
| nehmen, schlägt die Richterin aus. | |
| Würde er wieder an der beanstandeten Stelle parken? – Ja, wenn es die Not | |
| gebiete, sagt er vor dem Saal. „Ich habe das Problem, dass ich ein Auto | |
| besitze, das ich nicht in Luft auflösen kann.“ Gegen künftige Knöllchen | |
| würde er auch wieder Einspruch einlegen. Man sieht sich wohl wieder vor | |
| Gericht. | |
| 3 Nov 2023 | |
| ## LINKS | |
| [1] /DUH-will-teureres-Anwohnerparken/!5847025 | |
| [2] /Mobilitaetsexperte-ueber-Verkehrswende/!5909690 | |
| [3] https://www.hamburg.de/lbv-parken/12659420/faqs/ | |
| [4] /Das-Ringen-um-den-Parkraum/!5807133 | |
| ## AUTOREN | |
| Gernot Knödler | |
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