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# taz.de -- Froschart in Kolumbien: Klein, laut und invasiv
> Für Kolumbiens Artenvielfalt ist der laut pfeifende „Schickimickifrosch“
> eine Bedrohung. Politikerïnnen sehen seiner Ausbreitung tatenlos zu.
Bild: Man hat ihn buchstäblich von seiner Karibikinsel weggetragen: Johnstones…
Bogotá taz | Der Eindringling ist mit seiner braunen Haut optisch
unauffällig, der Gesang von Johnstones Pfeiffrosch (Eleutherodactylus
johnstonei) ist dagegen sehr laut. Nicht nur deshalb ist der Winzling ein
Problem für Kolumbien. Ursprünglich stammt der Pfeiffrosch von den Kleinen
Antillen. Mittlerweile ist er die verbreitetste Froschart der Karibik und
weltweit auf Platz zwei. Wie und wann genau er nach Kolumbien kam, ist
nicht klar. Nachgewiesen wurde er erstmals 1992 in der Hafenstadt
Barranquilla.
Hüpfen kann er maximal drei bis vier Meter weit. Man hat ihn buchstäblich
von seiner [1][Karibikinsel] weggetragen – auf exotischen Zierpflanzen. Da
diese vor allem in den Vorgärten in reicheren Vierteln Kolumbiens landeten,
betiteln einheimische Medien den Frosch deshalb als „rana gomela“ –
Schickimickifrosch.
Längst ist er auch in ärmeren Wohngegenden zu finden. Und er hat sich aus
den warmen Städten im Tiefland bis auf 1.700 Meter Höhe verbreitet. Die
Sorge von Forscherïnnen ist, dass er in einmalige Ökosysteme gelangt wie
den tropischen Trockenwald und Andenausläufer.
Kolumbien ist nach Brasilien das zweitartenreichste Land der Welt. [2][Wenn
Fremdlinge einfallen], kann das schlimme Folgen haben. Laut einem aktuellen
Bericht der UN-Plattform für zwischenstaatliche Biodiversität und
Ökosystem-Dienstleistungen (IPBES) sind tierische, pflanzliche und
mikrobiotische Invasoren eine der fünf Hauptursachen für das Schwinden
biologischer Vielfalt. Die anderen vier sind: veränderte Land- und
Meeresnutzung, Ausbeutung von Arten, Klimawandel und Umweltverschmutzung.
## Amphibien sind anfällig für Krankheiten
Amphibien sind besonders anfällig für Parasiten oder Krankheitserreger, die
sie über ihre Haut aufnehmen. Auf Eleutherodactylus johnstonei wiesen
Forscherïnnen einen Pilz nach, der in den 90ern für ein Massensterben unter
Amphibien in Australien, den USA und der Andenregion sorgte – und diese
weltweit zur bedrohtesten Wirbeltier-Klasse machte. In Kolumbien dezimierte
der Pilz Amphibienarten massiv und rottete manche sogar aus, sagt Sandra
Galeano, Frosch-Expertin am Humboldt-Institut in Bogotá.
Neben Krankheiten besteht immer die Gefahr, dass die Fremdlinge den
einheimischen Fröschen die Nahrung wegfressen oder diese mit ihrem
penetranten Gepfeife vertreiben. Ihr Vorteil: Sie brauchen kein Gewässer,
um sich fortzupflanzen. Aus den Eiern schlüpfen direkt kleine Frösche. Das
Kaulquappen-Stadium überspringen sie.
Und wie geht’s Frosch und Mensch? Auf Hawaii ist eine Pfeiffrosch-Art aus
Puerto Rico ein Problem für Immobilienbesitzerïnnen geworden. Weil
Urlauberïnnen Ruhe statt penetrantes Gepfeife im Karibikparadies suchen,
fielen die Eigentumspreise.
Von den lärmresistenteren Kolumbianerïnnen fühlen sich laut einer Umfrage
des Biologen Daniel Osorio von der Universität Javeriana in Cali nur elf
Prozent gestört vom Gesang – 47 Prozent gefällt er sogar. „Sie fühlen si…
dadurch der Natur näher“, sagt Biologe Daniel Osorio.
## Bei invasiven Arten gilt das Vorsorgeprinzip – eigentlich
Längst müsste etwas passieren. Doch auf der Liste des Umweltministeriums
steht der [3][Frosch] bis heute mit einem falschen Namen. Ein erster
Schritt müsste sein, sie zu aktualisieren und das Risiko neu einzuschätzen,
sagt María Piedad Baptiste, Spezialistin für invasive Arten am
Humboldt-Institut. In Sachen invasive Arten gilt das Vorsorgeprinzip: Auch
wenn die Wissensbasis unvollständig ist, müssen denkbare Schäden für die
Umwelt im Voraus vermieden oder verringert werden. Das ist zudem am
effektivsten und billigsten.
Doch laut einer Studie der Stanford-Universität hat die
Biodiversitätspolitik Kolumbiens der letzten 60 Jahre große Schwächen.
Lücken gab es vor allem beim Wildtierschmuggel – und bei invasiven Arten.
Auch die Pläne für den Kampf gegen den Pfeiffrosch verstauben. Würden die
Behörden loslegen, bliebe für Biologe Daniel Osorio ein Problem: „Was
machen wir mit den Leuten und ihrer Liebe zur Natur, selbst zu einer
invasiven Art?“ Da könnte sich Widerstand regen.
25 Oct 2023
## LINKS
[1] /US-Invasion-in-Grenada-vor-40-Jahren/!5965395
[2] /Tropenkrankheiten-wandern-nach-Europa/!5927191
[3] /Studie-zu-Froeschen/!5965037
## AUTOREN
Katharina Wojczenko
## TAGS
Biodiversität
Schwerpunkt Artenschutz
Frosch
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