| # taz.de -- Sensationsfund Säbelzahntiger-Baby: Tiefkühlkatze aufgetaut | |
| > Forscher haben in Sibirien ein gefrorenes Säbelzahntiger-Baby entdeckt. | |
| > Seine Familie ist ausgestorben, aber die Säbelzahnfrösche haben noch eine | |
| > Chance. | |
| Bild: Kopf eines drei Wochen alten Säbelzahntigers, der vor etwa 36.000 Jahren… | |
| Das musste ja irgendwann mal schiefgehen! Wer die „Ice Age“-Filme kennt, | |
| weiß, dass ein Eiszeitgeschöpf bei [1][all dem Gerenne und Geschliddere | |
| über Gletscher und Schneefelder irgendwann steckenbleiben oder einbrechen | |
| kann] und dann schockgefrostet wird. Ice Ages Säbelzahnkater Diego entkam | |
| diesem Schicksal häufig nur knapp. Einen seiner Artgenossen in der | |
| Realität, ein unerfahrenes, erst drei Wochen altes Jungtier, hat es | |
| hingegen erwischt. | |
| So lag das Kätzchen etwa 35.500 bis 37.000 Jahre lang tiefgefroren im Eis, | |
| [2][bis russische Forscher es 2020 in Jakutien oberhalb des Polarkreises | |
| entdeckt und geborgen haben.] Wo viele Verharmloser derzeit so inbrünstig | |
| nach den positiven Folgen des Klimawandels suchen – immerhin eine hätten | |
| wir hier: Mit zunehmender Betätigung der globalen Abtautaste taucht, | |
| ähnlich wie beim vergleichbaren Vorgang im heimischen Tiefkühlfach, so | |
| manche Überraschung aus den Eisschichten auf. | |
| Die Tiefkühlkatze ist ein wissenschaftlicher Sensationsfund. Kopf und | |
| Vorderbeine des Tiers sind mit Haut und vor allem sehr vielen Haaren | |
| komplett erhalten. So konnten Forschende nun erstmals überhaupt einen | |
| Vertreter einer ausgestorbenen Tiergruppe ohne heute noch lebende, analoge | |
| Verwandte nicht nur in Form von Knochen oder Zähnen, sondern im Ganzen – | |
| beziehungsweise im vorderen Drittel – in Augenschein nehmen, inklusive | |
| Fell, Muskeln und Ohren. Ohne heute lebende Verwandte übrigens, weil die | |
| Säbelzahnkatzen nicht, wie ihr verbreiteter Name „Säbelzahntiger“ | |
| suggeriert, mit den Tigern direkt verwandt wären, sondern einen eigenen, | |
| aber vollständig ab- bzw. ausgestorbenen Zweig des großen Katzenstammbaums | |
| bilden. | |
| So eine Säbelzahnkatze war mitunter ein ziemlicher [3][Trumm]. Einige der | |
| auch in Europa verbreiteten Arten erreichten Löwengröße. Ganze 400 Kilo wog | |
| ein ausgewachsenes Tier der nun aus dem Eis geborgenen, auch Scimitarkatze | |
| genannten Art Homotherium latidens. Zwar sieht das Kitty aus wie ein | |
| kuscheliges Kälbchen, hat aber eine erstaunlich kräftige Nackenmuskulatur, | |
| die die von heutigen Löwenjungen um das doppelte übertrifft. | |
| ## Riesige Katzen mit Sonderausstattung | |
| Man ahnt schon: Mit diesen Katzen war nicht gut Kirschen essen. Dabei | |
| hätten die langen Säbelzähne, zwei stark vergrößerte Reißzähne, um | |
| vermutlich büffelgroße Beutetiere und womöglich junge Mammuts | |
| aufzuschlitzen, auch bloß gestört. Weitere Besonderheiten der kleinen | |
| Säbelzahnkatze waren kleine Öhrchen, übergroße Pfoten, lange Beine und ein | |
| besonders dichtes Fell – Anpassungen an das eiszeitliche Leben auf Schnee, | |
| Eis und in großer Kälte. | |
| Heutige Schneeleoparden, die in den eisigen Höhenzügen Asiens leben, zeigen | |
| ähnliche Sonderausstattungen. Das extrem dichte Fell isoliert bestens auch | |
| bei arktischen Temperaturen, die kleinen Ohren verhindern übermäßige | |
| Wärmeabfuhr über eine zu große Oberfläche, während die riesigen Tatzen das | |
| Einsinken im Schnee oder das Einbrechen im Eis durch die größere | |
| Aufsetzfläche verhindern. | |
| Was einen Hinweis geben mag, warum die einst so erfolgreichen und weit | |
| verbreiteten Säbelzahnkatzenarten gegen Ende der Eiszeit ausgestorben sind. | |
| Der Klimawandel war schuld, damals noch nicht vom Menschen gemacht. | |
| Außerdem sei den Großkatzen die Nahrung ausgegangen, denn gleichzeitig | |
| verschwanden auch viele andere große Säugerarten. Allerdings sprechen | |
| neuere Untersuchungen an den Zähnen nordamerikanischer Säbelzahnkatzen | |
| dafür, dass die Räuber bis kurz vor Schluss reichlich zu futtern hatten. | |
| Das nährt den Verdacht, dass neben dem Klimawandel auch der Mensch | |
| beziehungsweise seine Vorgänger Schuld am Katzenexitus haben könnten. Denn | |
| anders, als heutige Naturromantiker gerne verklären, gab es die edlen | |
| Wilden, die im Einklang und nachhaltig von und mit der Natur lebten, in | |
| Wirklichkeit nie. Der Mensch war immer schon ein im Zweifel auch seine | |
| eigenen Lebensgrundlagen zerstörender Killer, das Elend fing vermutlich | |
| schon an, als wir von den Bäumen gestiegen sind. Und von so alten | |
| Gewohnheiten lässt man ja nicht gern. Sodass das Aussterben der | |
| Säbelzahnkatzen am Ende womöglich doch wieder die unheilvolle Kombination | |
| von „menschengemacht“ und „Klimawandel“ war. | |
| ## Rettet die Säbelzahnfrösche! | |
| Aber andererseits: Es waren ja nur Katzen. Wenden wir uns interessanteren | |
| Tieren zu: Frösche! Anders als die Säbelzahnkatzen gibt es noch heute | |
| [4][quicklebendige Säbelzahnfrösche], die auf den schönen Namen | |
| Odontobatrachus hören. Die leben an schnell fließenden Gewässern in | |
| Westafrika und haben tatsächlich ebenfalls zwei große reißzahnartige | |
| Fortsätze am Unterkiefer. | |
| Was sie damit machen? Wohl keine Büffel reißen. Vielleicht ritzen sie sich | |
| damit gegenseitig an, um sich mit chemischen Lockstoffen, die in ihrem | |
| Drüsengewebe entdeckt wurden, geil zu machen. Aber wir wissen es nicht. | |
| Denn die meisten der Arten wurden überhaupt erst vor ein paar Jahren | |
| entdeckt und sogar in eine eigene Familie gestellt. | |
| „Eine eigene Familie, na toll“, mögen Sie denken, „davon habe ich ein | |
| Dutzend allein bei mir in der Straße“. Aber seien Sie versichert: In der | |
| Zoologie ist so etwas eine ziemliche Sensation – die Säbelzahnfrösche sind | |
| sogar die einzige nur in Westafrika heimische Froschfamilie, sie hat sich | |
| also sehr isoliert entwickelt. Und nun drohen sie unglücklicherweise | |
| auszusterben. Schuld ist diesmal die Lebensraumzerstörung. Menschengemacht, | |
| versteht sich. | |
| Aber anders als bei den eiszeitlichen Katzen können wir diesen Verlust noch | |
| verhindern. In einem „Ice Age“-Film würde Diego, Sid und ihren Verbündeten | |
| sicherlich etwas einfallen, um die bedrohten Säbelzahnkollegen zu retten. | |
| In der Realität müssen wir das wohl selbst schaffen. | |
| 20 Nov 2024 | |
| ## LINKS | |
| [1] https://www.youtube.com/watch?v=4V13FfAaa3M | |
| [2] https://www.sueddeutsche.de/wissen/archaeologie-entdeckung-mumifizierter-sa… | |
| [3] https://www.duden.de/rechtschreibung/Trumm_Stueck | |
| [4] https://www.spektrum.de/news/mehr-saebelzahnfroesche-aus-westafrika/1357942 | |
| ## AUTOREN | |
| Heiko Werning | |
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