# taz.de -- Der unterschätzte Monat November: Ganz schön grau | |
> Unsere Autorin liebt den November. Aus dem Grund, aus dem die meisten ihn | |
> hassen: Alles ist grau. | |
Bild: Der Wald steht still und … grau. Und aus den Wiesen steiget … grau | |
Im Novembernebel liegt ein Ton aus Glas – weich, hell, jedes Echo dämpfend. | |
In der Novembersonne liegen alle Farben der Erde. Ocker, Umbra, Siena, | |
Venezianischrot, Safrangelb. Ein dunkles Grün am Rande von Schwarz auch. | |
Im Novemberwind sind die Töne des verblassenden Sommers zu hören. Luftig | |
treibend – nicht in die Ekstase, sondern ins Verweilen. | |
Im Novemberblues liegt die Angst, sich selbst zu begegnen. | |
Im Novemberhimmel sind die Vögel erst recht schwarz. | |
Im Novembergrau wird alles festgehalten, was noch da ist, aber vergeht. Es | |
ist ein Schweben, das die Zeit verlangsamt. | |
Der November ist der Monat der Adjektive, abgeleitet vom Grau. Grau wird | |
allerhand zugeschrieben, was ins Verderben führt. Die Farbe wirke alt, | |
drohend, emotionslos, ermüdend, hoffnungslos, langweilig, nichtssagend, | |
schmutzig, traurig, trüb. | |
Ich aber liebe den November, ich finde, was novembergrau ist, leicht, sogar | |
schön. Weil es Weite hat. Und weil es eine Ankündigung ist, die auf ein | |
Innen verweist, ohne schon wirklich innen zu sein. | |
Grau sei die Lieblingsfarbe von nur einem Prozent der Deutschen, schrieb | |
die Schriftstellerin und Sozialwissenschaftlerin Eva Heller in ihrem Buch | |
„Wie Farben wirken“ vor zwanzig Jahren. Die Freunde des Grau seien fast | |
ausschließlich Steinmetze oder Informatiker. | |
In der Novemberliebe versteckt sich auch Eigensinn. Der nämlich, nicht in | |
den einfachen Gesang einzustimmen. | |
Novembermusik wiederum ist schwer multiplizierbar. Während ich dies | |
schreibe, höre ich „Key“ von Meredith Monk. Da wird der Schmerz gesungen, | |
den die Geschichte dem Monat aufbürdet mit Pogrom und klirrendem Glas. Da | |
wird der Atem gesungen und das Miauen der Katzen, das im Dunst verhallt. | |
23 Nov 2024 | |
## AUTOREN | |
Waltraud Schwab | |
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