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# taz.de -- Insolvenz des Start-ups WeWork: Ihr wollt es doch auch
> Das Scheitern des Gründers Adam Neumann ist der neueste Beweis für die
> Ära der Hochstapler. Für diese sind wir selbst verantwortlich.
Bild: 2010 gründerte Adam Neumann WeWork
Schon wieder ein Versprechen gebrochen. WeWork hat am Montag in New York
Insolvenz angemeldet. WeWork, das war mal das wertvollste Start-up der USA,
47 Milliarden Dollar wert. Das Unternehmen, das die Immobilienwelt
aufmischen wollte, versprach Gründer Adam Neumann. Auf der ganzen Welt, New
York, London, Paris, Berlin, vermietete WeWork anderen Start-ups schicke
Büros und damit eine angemessene Umgebung für diejenigen, die nach den
Sternen greifen. Wer hier einen Space mietete, sagte der Welt: Ich will es
zu was bringen. So wie Neumann.
Der flog im Privatjet um die Welt, rauchte Gras, bekam von einem
japanischen Tycoon Milliarden geschenkt. [1][Geiler Typ.] Nur blöd:
Offensichtlich fußte das Geschäftsmodell auf den niedrigen Zinsen, die seit
der globalen Finanzkrise Unmengen an, wie Finanzanalysten es im Fachjargon
nennen, dumb money in die Märkte spülten. Jetzt, da die Zinsen steigen,
kollabiert so manches Unternehmen, bei dem sich herausstellt, dass es auf
Sand gebaut ist.
Bei WeWork konnte man das schon länger wissen. Bereits 2019 zeigte sich,
dass die Bücher ziemlich leer waren. Neumann wurde geschasst, bald füllten
sich die Magazine mit Reportagen über Neumanns bizarren Lebensstil und
seine offensichtlichen Flunkereien, Übertreibungen und den Größenwahn.
[2][Als ein Reporter ihn mit Elizabeth Holmes] verglich, klagte Neumann.
Dabei ist der Vergleich treffend: Holmes hatte Silicon Valley und
Großinvestoren davon überzeugt, dass sie eine Maschine entwickelt hatte,
die aus nur einem Tropfen Blut eine genau Analyse des Gesundheitszustands
gewinnen kann. Sogar Krebs wollte sie so entdecken. Doch das war Betrug.
Holmes wurde mittlerweile zu gut 11 Jahren Knast und 400 Millionen Dollar
Strafe verurteilt. Holmes und Neumann zeigen: Wir leben in der Ära der
Hochstapler.
## Eine Frage des Glaubens
Um in den USA zu bleiben, haben uns die vergangenen Jahre einige
hochkarätige Betrugsfälle beschert: Billy McFarlane legte Tausende reiche
Partywillige mit einem nicht existierenden [3][Fyre Festival] rein, was er
mit 6 Jahren Knast büßte. Der republikanische Abgeordnete George Santos log
sich seinen Lebenslauf so dreist zusammen und benutzte die Kreditkarten
seiner Kampagnenspender, dass ihm jetzt eine langjährige Haftstrafe droht.
Und zuletzt machte die Verurteilung von Sam Bankman-Fried, dem Gesicht von
Kryptospekulation, Schlagzeilen, der 10 Milliarden Dollar seiner Investoren
in Luft aufgehen ließ.
Nicht zu vergessen [4][die Hochstaplerin unserer Herzen, Anna Sorokin.] Als
Anna Delvy hatte sie jahrelang die New Yorker High Society glauben lassen,
sie sei eine reiche Erbin aus Deutschland, deren Kreditkarten gerade nicht
funktionieren. Sorokin haute sogar den Fyre-Fraudster übers Ohr. Belohnt
wurden beide mit Netflix-Serien. Und Sorokin mit 12 Jahren Haft.
Nick Bilton, der Journalist, der Elizabeth Holmes' Betrug aufdeckte, sagt,
dass diese Art von Hochstapelei in einem System begünstigt wird, in der
alle glauben wollen, dass die nächste weltverändernde Erfindung gleich um
die Ecke liegt. Auch die Tech-Presse hat ihren Teil zu dem Hype
beigetragen. Wo es nur darum geht, Zugang zu den Berühmten und Mächtigen zu
erhalten und das nächste Gadget zum Besprechen zugeschickt zu bekommen,
werden Nachfragen und kritisches Denken zum Hindernis für den
Karriereaufstieg.
Neumann, Bankman-Fried und Konsorten hören nicht auf davon zu prahlen, wie
sie die Verhältnisse umstürzen, die Branche umkrempeln und ihren Investoren
die Taschen richtig voll machen. Das muss man ihnen glauben wollen.
## Auch in Deutschland ein Problem
Das klingt alles sehr amerikanisch, nach dem Land der unbegrenzten
Möglichkeiten und des unendlich tiefen Falls. Aber aus dem Land, dessen
Hauptstadt bis vor Kurzem von einer Bürgermeisterin und
Wissenschaftssenatorin regiert wurde, [5][die ihre Doktorarbeit plagiiert
hatte], sollte man nicht so arrogant in die USA blicken. Insbesondere weil
das bei Weitem nicht die einzige Politiker:in dieses Landes ist, die es
mit der Wahrheit nicht so genau nimmt.
Und auch anderen wird gerne Glauben geschenkt: [6][Immobilienkönig René
Benko] hat in diesem Land Karriere gemacht. Die öffentliche Hand hat ihm
großzügig Milliarden in den gepuderten Hintern geblasen, Städte überließen
ihm Filetgrundstücke, hebelten geltendes Baurecht aus und übergingen
Stadtteilinitiativen und Lokalpolitiker:innen. Man wollte sich auch im
Glanz dieses aufstrebenden Unternehmers sonnen. Sie wollten seine
Geschichte glauben. Anna Sorokin ist deutsche Staatsbürgerin. Eigentlich
soll sie aus den USA abgeschoben werden. Wenn man sich in Berlin, in der
Techszene oder der Kunstwelt so umsieht, auf welche Idiotien und
Betrügereien hier die Leute so reinfallen, dann darf man sich sicher sein:
Anna Sorokin würde in Berlin eine großartige Zukunft haben. WeWork war
hierzulande ja auch sehr beliebt.
7 Nov 2023
## LINKS
[1] /Serie-WeCrashed-bei-Apple-TV/!5842926
[2] /Serie-The-Dropout-bei-Disney/!5846184
[3] https://blogs.taz.de/popblog/2019/02/04/netflix-doku-ueber-das-fyre-festiva…
[4] /Hochstaplerin-Anna-Sorokin/!5583307
[5] /Giffey-verzichtet-auf-Doktortitel/!5728466
[6] /Immoblienmogul-Benko-gefeuert/!5970771
## AUTOREN
Caspar Shaller
## TAGS
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