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# taz.de -- Start-up-Kultur in Deutschland: Mit einem Bein im Gefängnis
> Unser*e Kolumnist*in erzählt ungern über das eigene Start-up, zu
> verpönt ist das Gründen. Das muss sich ändern.
Bild: Schlechtes Vorbild für die Gründeszene: Theranos-Gründerin Elizabeth H…
Deutschland ist kein Gründerland. Dabei braucht es dringend mehr Menschen,
die Start-ups gründen. Menschen, die innovative Ideen etwickeln. Eine Hürde
ist die „[1][Gründerszene]“ selbst und das, was man gemeinhin damit
assoziiert. Zu oft verkommt das Gründen zu hohlen Phrasen von
Politiker*innen und fragwürdigem Sozialdarwinismus.
Wenn ich auf Partys erzähle, was ich beruflich so mache, sage ich oft, dass
ich selbstständig bin oder ein Softwareunternehmen habe. Mir ist es dann
manchmal unangenehm, zu sagen, dass ich ein Start-up habe. Das klingt dann
eher nach Krypto-Bro, nicht sonderlich seriös.
Fehlt mir das „Mindset“ zum guten „Start-up-Entrepreneur“? In sozialen
Medien träumen viele Menschen von Dingen, die mit Begriffen wie
„Entrepreneurship“ und „Start-up“ beworben werden. Nur bewegen sich die
vermeintlichen Gurus irgendwo zwischen völligem Scam und zweifelhafter
Selbstdarstellung. Oft ist es vom Social-Media-Entrepreneurship nur ein
kleiner Schwenk zum Multi-Level-Marketing-Netzwerk.
Bei Start-ups häufen sich die schwarzen Schafe, etwa [2][auf der „Forbes
under 30“-Liste]. Das ist sozusagen der heilige Gral für
Unternehmer*innen unter 30. Wäre da nicht ein kleines Problem: Vielen
ihrer Mitglieder drohen rechtliche Auseinandersetzungen. Auf dieser Liste
landen augenscheinlich sehr erfolgreiche junge Unternehmer*innen –
deren „Erfolg“ sich später als Betrug entpuppt.
## Im großen Stil betrügen
Elizabeth Holmes etwa betrog mit ihrem Unternehmen Theranos im
Multimilliardenbereich. Die [3][Krypto-Börse FTX] musste 2021 zugeben, dass
ihre Reserven nicht gedeckt waren. Das Start-up Frank erfand 4 Millionen
Kund*innen, um eine höhere Bewertung zu erhalten. Alles keine Ausnahmen.
Natürlich landet nicht die Hälfte aller Gründer*innen im Gefängnis. Aber
es gibt ein Problem in der Industrie und ihrer Kultur: Die Investmentwelt
rund um Venture Capital ist zu einem nicht unerheblichen Teil Scam. Große
Kapitalgeber rechnen mittlerweile damit, hin und wieder im großen Stil
betrogen zu werden.
Auf der Suche nach revolutionären Ideen prüfen die Investor*innen die
Versprechen der Start-ups kaum. Erst war [4][Blockchain] im Trend, jetzt
ist es [5][KI]. Bei den Kapitalgebern fehlt die Expertise und die
Bereitschaft, sich diese für eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit
einzukaufen. Nach kurzer Zeit kommt schon der nächste Trend. Cloud
Computing, KI und sogar Blockchain können spannende Technologien sein,
lösen aber kein Problem. Innovative Software braucht eine innovative Idee.
## Es besser machen als alle anderen zuvor
Die „Gründerkultur“ zieht keine Ingenieur*innen an, die aus realen
Problemlösungen profitable Unternehmen mit seriösen Geschäftsmodellen
machen. Stattdessen ist sie attraktiv für junge Menschen, die für schnelles
Geld bereit sind, zu lügen und zu schummeln. Wer ohne große Übertreibungen
ein Investment sucht, wird von denjenigen ausgestochen, die diesen
Realismus als Dorn im Auge für ihren schnellen Reichtum sehen.
Die größte Disruption in der Softwarewelt ist meistens die, die ein
bestehendes Problem besser löst als bisher. Weder Facebook noch Twitter
oder Tesla waren die Ersten auf ihrem Gebiet: Sie haben es nur besser
gemacht als alle anderen zuvor. Diese gefährliche Kultur betrifft mittelbar
alle, die vielleicht ohne Bling-Bling und dreifacher
KI-Blockchain-Technologie wirklich gründen wollen und dafür Unterstützung
benötigen. Für sie wird diese Szene zunehmend unattraktiv, sie gründen eher
nicht. Und das ist furchtbar schade.
Transparenzhinweis: In einer früheren Version dieser Kolumne hieß es, dass
mehr als der Hälfte der Mitglieder der „Forbes unter 30“-Liste eine
Gefängnisstrafe droht. Richtig ist, dass vielen Mitgliedern rechtliche
Auseinandersetzungen, aber nicht zwangsläufig Gefängnisstrafen drohen.
22 Apr 2024
## LINKS
[1] /Effektiver-Altruismus/!5998956
[2] https://www.theguardian.com/business/2023/apr/06/forbes-30-under-30-tech-fi…
[3] /Urteil-im-Fall-Bankman-Fried/!6001176
[4] /Blockchain/!t5467337
[5] /Schwerpunkt-Kuenstliche-Intelligenz/!t5924174
## AUTOREN
Maurice Conrad
## TAGS
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