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# taz.de -- Negativlauf von Union Berlin: Verlieren als Extremsport
> Der 1. FC Union Berlin muss gegen Eintracht Frankfurt die zwölfte
> Niederlage in Serie hinnehmen. Die Fans feiern ihren Trainer Urs Fischer
> trotzdem.
Bild: Wird schon wieder: Leonardo Bonucci weiß, dass Urs Fischer sein Trainer …
Bereits eine halbe Stunde vor Anpfiff, fünf Minuten Fußweg vom Stadion
entfernt, wusste man in Köpenick, wer der Mann des Tages werden würde und
dass daran dieses Fußballspiel gegen Eintracht Frankfurt nicht das
Geringste ändern könnte. „Urs Fischer“, schallte es mehrfach aus der Alten
Försterei. Der Schweizer hatte wohl gerade erstmals den Rasen betreten.
Und als kurz vor der Partie bei der Mannschaftsvorstellung die Union-Fans
traditionell lautstark ihrer 20 Fußballgötter, die im Kader standen,
gehuldigt hatten, legten sie bei der Nennung des Trainers noch einmal
etliche Dezibel drauf. Trotzig und bestimmt.
Es häufen sich die Anfragen an den Verein, [1][welche Zukunft Urs Fischer]
noch hat. Eigentlich muss man das nach nun zwölf Niederlagen in Serie –
gegen Eintracht Frankfurt unterlag das Team mit 0:3 – nicht für
ungewöhnlich halten. Doch beim tonangebenden Union-Anhang erfüllt dies
schon den Tatbestand der Gotteslästerung. Mit einem Transparent wurde
deshalb die Presse geschmäht.
Dieser Verein ist grundsätzlich nicht so einfach zu verstehen. Selbst die
Experten rätselten in den vergangenen drei Bundesligajahren, wie es nur
sein konnte, dass Union mit seinen bescheidenen Mitteln trotz großer
personeller Umbrüche immer mehr dieser knappen Spiele auf seine Seite
ziehen konnte und sich erst für die Conference League, dann die Europa
League [2][und jüngst die Champions League] qualifizieren konnte. Nun
versteht keiner so genau, weshalb diesem mittlerweile prominent verstärkten
Team kein Sieg mehr gelingen mag.
## Rekordverdächtige 40 Flanken
„Wenn man sieht, was die Mannschaft aufwendet und was am Schluss dabei
herauskommt, ist das so kurz nach dem Spiel schon frustrierend“,
bilanzierte Urs Fischer. Die Glückskinder von einst scheinen mittlerweile
das Pech anzuziehen. Gleich der erste Schuss von Gästestürmer Omar Marmoush
fand in der 2. Minute durch Verteidigerbeine den Weg ins Tor, und sofort
gesellte sich die Verunsicherung wieder ins Spiel von Union. Die Werbung
für Sicherheitsschuhe auf der LED-Bande am Spielfeldrand wirkte wie ein
Hilferuf. Nach einer knappen Viertelstunde traf erneut Marmoush begünstigt
durch Unstimmigkeiten in der Abwehrzentrale.
Danach mühte sich Union nach Kräften. Rekordverdächtige 40 Flanken standen
im Statistikbogen auf der Habenseite von Union. Gefährlich wurden sie
jedoch nur selten. David Datro Fofana köpfte nach einer Flanke an die
Latte, der eingewechselte Kevin Behrens später dann neben das Tor.
Dreimal hintereinander hat Union seine Heimspiele nun ohne eigenen Treffer
verloren. Kapitän Christopher Trimmel sagte: „Wir versuchen es, wir
trainieren, wir machen, wir tun.“ Am Ende sei man weder vorne noch hinten
gut genug, so sein bitterer Befund. Von der einst gefürchteten
Standardstärke ist beim Team von Urs Fischer nichts mehr zu sehen.
Zunehmend klingen auch die Statements der gegnerischen Trainer so, wie man
sie früher von Union kannte. Eintracht-Coach Dino Toppmöller räumte ein:
„Wir waren heute nicht viel auf Ballbesitz aus.“ Man habe vorgehabt,
„extrem stabil“ in den Zweikämpfen zu sein. Bedenkt man zudem die hohe
Effizienz und dass der erste Eintracht-Treffer durch einem Standard, der
zweite nach einem langen Ball eingeleitet wurde, schaut das schon nach
einer Raubkopie des Matchplanes aus, den Union lange Zeit so perfekt
umzusetzen wusste.
## Raus aus der Misere
Aber wie findet man nun aus der Misere heraus? Eine Antwort auf diese Frage
versuchen die Unioner schon seit etlichen Spieltagen zu geben. „Irgendwie“
soll es gelingen. Die Ratlosigkeit nagt an den Betroffenen. Nur Urs Fischer
begegnet aufgeregten Fragen mit Gelassenheit: „Man muss sich nicht Sorgen
machen, wir müssen es besser hinbekommen.“ Schnelle Lösungen stellt er
nicht in Aussicht. Er spricht von einem „Marathon“.
Die Zeit dafür scheint er zu haben. Wegen der zahlreichen Umbrüche in den
Erfolgsjahren ist Urs Fischer die herausstechende Konstante im Verein.
Neben der gern gepflegten Andersartigkeit der Union-Fans erklärt dieser
Umstand, weshalb der Trainer, das eigentlich schwächste Glied in Zeiten des
Misserfolgs, so eine starke Stellung einnimmt. „Toll“, fand es Fischer,
„wenn man in so einer schwierigen Situation die Unterstützung spürt.“
Auch Präsident Dirk Zingler bekannte sich zu Fischer, weil der ein
„hervorragender Trainer“ sei. [3][Die Wagenburg steht beim 1. FC Union
Berlin.] In dieser Atmosphäre wäre keinem Trainer die Nachfolge von Fischer
zuzumuten. Angesichts des Punktestandes des Drittletzten kann man einen
Trainerwechsel für eine Option halten, aber eine wirkliche Wahl scheint die
Vereinsführung von Union gar nicht zu haben. Urs Fischer müsste schon dem
Beispiel seines Kollegen Bo Svensson folgen, der gerade beim 1. FSV Mainz
05 zu der Überzeugung kam, dass das Team neue Impulse braucht.
5 Nov 2023
## LINKS
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## AUTOREN
Johannes Kopp
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