# taz.de -- Union Berlin in patriarchaler Hand: Einer entscheidet | |
> Dass sich Union von Trainer Urs Fischer getrennt hat, ist letztlich | |
> Fußballbusiness. Ein Problem ist eher die patriarchale Art des | |
> Präsidenten Dirk Zingler. | |
Bild: Das Oberhaupt der Unionfamilie: Dirk Zingler, Präsident des Klubs | |
Urs Fischer ist nicht mehr Trainer des 1. FC Union Berlin. Kein Wunder, mag | |
sich denken, wer einen Blick auf die Tabelle der Männerbundesliga wirft. | |
Ganz unten auf Platz 18 stehen dort die sogenannten Eisernen. Jetzt wird | |
ein Retter gesucht, damit der Klassenerhalt noch erreicht wird. So ist das | |
eben im Fußballbusiness. Das kann gut gehen oder in die Hose. | |
Moment mal? War Union nicht der etwas andere Verein, der Kultklub aus dem | |
Osten, die bodenständige Fußballfamilie, die zueinanderhält in guten wie in | |
schlechten Tagen? [1][Und jetzt macht der Klub], was alle machen, die in | |
sportliche Nöte geraten. Er trennt sich keine zwei Wochen nach einem | |
schwülstigen Treueschwur von Präsident Dirk Zingler in der | |
Stadionzeitschrift von seinem Trainer. | |
Man kann dem Klubchef schon glauben, dass es ihm nicht leicht gefallen ist, | |
den Trainer, der den einstigen Problemverein von der Zweiten Liga bis in | |
die Champions League geführt hat, zu verabschieden. Und es ist ganz sicher, | |
dass sie in Köpenick noch lange [2][von der Zeit unter Urs Fischer] | |
sprechen werden, der einen Klub nach Europa geführt hat, der 2006 in der | |
Oberliga des Nordostdeutschen Fußballverbands noch gegen einen Klub namens | |
SV Falkensee-Finkenkrug gespielt hat. | |
Dirk Zingler hat am Mittwoch auf einer Pressekonferenz versucht zu | |
erklären, wie es zur Trennung von dem auf den Tribünen der Alten Försterei | |
messianisch verehrten Schweizer gekommen ist. Fischer habe nicht aufgeben | |
wollen, er habe Fischer auch nicht entlassen wollen, und doch sei man sich | |
einig gewesen, dass eine Trennung am besten für den Klub sei. Das mag | |
originell klingen, im Ergebnis ist es alles andere als originell: der | |
Trainer geht. | |
Union hat sich für die einfachste aller Lösungen entschieden. Statt alles | |
dafür zu tun, den verdientesten Mitarbeiter, den der Klub je hatte, zu | |
halten, ihm vielleicht auch nach einem Abstieg weiter zu vertrauen, hat | |
Zingler sich dafür entschieden, ihn aus der Union-Familie zu entlassen. Und | |
er hat klargemacht, dass das jedem passieren kann, der an verantwortlicher | |
Stelle beim Verein arbeitet. Sportmanager Oliver Ruhnert, der mit seiner | |
Kaderplanung die Grundlage für die großen Union-Erfolge gelegt hat, stehe | |
unter Beobachtung, hat er gesagt. Die Unionfamilie, sie kann ganz schön | |
brutal sein. | |
Da gibt es keinen Familienrat, in dem die Probleme verhandelt werden. Da | |
gibt es ein Oberhaupt, das im Zweifel die Entscheidungen trifft. | |
Mal betreffen sie die großen sportlichen Dinge wie im Fall Urs Fischer, mal | |
die kleinen Angelegenheiten im Stadionalltag. Sie sind in jedem Fall | |
identitätsstiftend. Und Zingler ist der Präsident, der immer wieder aufs | |
Neue die Identität des Klubs definiert. Statt die Fans darüber entscheiden | |
zu lassen, was sie im Stadion konsumieren, legt er fest, dass erstmal | |
[3][keine vegane Wurst gegrillt wird]. Er entscheidet, dass im Klub nicht | |
gegendert wird, weil die Sprache im Stadion rau bleiben soll. Und als | |
guter, alter Ossi macht er sich in einem Gastbeitrag zum Tag der Deutschen | |
Einheit für die Berliner Zeitung darüber Sorgen, dass Andersdenkende in der | |
Bundesrepublik bald ähnlich ausgegrenzt werden könnten, wie es in der DDR | |
der Fall war. | |
Wie es sportlich weitergeht bei Union, entscheidet er sowieso. Zingler ist | |
der Patriarch in der Unionfamilie. Er hat das Sagen. Neben ihm darf es | |
keine Götter geben. Das mag in der Tat anders sein als anderswo, | |
vorbildlich ist es gewiss nicht. | |
17 Nov 2023 | |
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## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
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