| # taz.de -- Nestroy-Theaterpreis für Emmy Werner: Erfindet euch immer wieder | |
| > Emmy Werner wurde 1988 erste Direktorin des Wiener Volkstheaters. Für | |
| > ihre künstlerischen Erfolge erhält sie den begehrten | |
| > Nestroy-Theaterpreis. | |
| Bild: Emmy Werner, 1987, etablierte feministische Diskurse in der Wiener Thea… | |
| Wien Als Emmy Werner 1988 Direktorin des Wiener Volkstheaters wurde, | |
| gehörte sie als Intendantin eines großen Hauses zu den „Ersten ihrer Art“: | |
| Frauen, die in männliche Domänen vordringen, die stille Zirkulation der | |
| [1][Macht innerhalb der Männerbünde] unterbrechen und sichtbar machen, dass | |
| institutionelle Hierarchien zwar aus Verdiensten hervorgehen, im hohen Maß | |
| aber von informellen Zugangsschranken reguliert werden. | |
| Die Jahreszahl lässt aufhorchen. War [2][das deutschsprachige | |
| Repertoiretheater], das sich doch immer als zeitgemäße Inkarnation der | |
| Aufklärung ansah und in den 1970er und 1980er Jahren weiter politisierte, | |
| in der Führungsebene tatsächlich so lange ein hermetischer Männerclub? Wie | |
| erklärt sich, dass dieser Widerspruch im Theater zwischen Struktur und | |
| Programmatik, zwischen feudalen Hierarchien und gesellschaftskritischem | |
| Pathos nicht früher ein Thema war? | |
| Umso interessanter erscheinen die Momente, in denen diese Phalanx gebrochen | |
| wurde, und vor allem wie. Genau genommen war Emmy Werner nicht die erste | |
| Intendantin im deutschsprachigen Theaterbetrieb. Am Berliner Ensemble | |
| gingen ihr mit [3][Helene Weigel] und Ruth Berghaus große Vorbilder voran. | |
| Aber sie war die Erste, die nicht die Kontinuität einer männlich | |
| dominierten Ensemblearbeit fortsetzte. | |
| Sie kämpfte künstlerisch und politisch auf eigene Rechnung. Am Volkstheater | |
| blieb sie siebzehn Jahre bis 2005, länger als alle anderen Direktoren vor | |
| und nach ihr. Diese Jahre zählt man in Wien heute zu den besseren Zeiten | |
| des 1889 gegründeten Hauses und ehrt Emmy Werner in diesem Jahr – am 5. | |
| November – mit dem Theaterpreis „Nestroy“ für ihr Lebenswerk. | |
| ## Feministische Diskurse im Theaterkeller | |
| Viele Gesichter, die den österreichischen Film prägen, haben damals „bei | |
| der Emmy“ ihre Sporen verdient. Lang ist die Liste nicht nur | |
| österreichischer Gegenwartsautor:innen, die sie gegenüber einem | |
| abwartenden Publikum und einer oft zweifelnden lokalen Kritik am Theater | |
| durchsetzen konnte. | |
| Ihre Karriere ist auch Resultat gesellschaftspolitischer Umbrüche der | |
| 1980er Jahre. In Wien, wo die Zukunft manchmal etwas länger braucht, um in | |
| der Gegenwart anzukommen, gehört diese Dekade zu den spannenderen. Die | |
| ambitionierte Schauspielerin Emmy Werner wurde eine ihrer Protagonistinnen. | |
| Sie funktionierte 1981 ein verstaubtes Warenlager in einer Nebenstraße der | |
| Wiener Innenstadt zur Bühne um. | |
| Das „Theater Drachengasse“ war bald ein Ort für jene, denen das verzopfte, | |
| selbstgefällige Spiel der damaligen Wiener Großbühnen nichts mehr sagte. | |
| Vor allem aber wurde es zum Hotspot [4][des feministischen Diskurses], dass | |
| selbst Regierungsmitglieder bald nicht mehr umhinkamen, sich in ihren | |
| Theaterkeller zu zwängen. | |
| So gelang es ihr 1988, mit einer progressiven Agenda aus der Nische ins | |
| Zentrum des institutionalisierten Kulturbetriebs vorzudringen und sich dort | |
| zu behaupten. Die Rosen, die Emmy Werner heute in Wien von nahezu allen | |
| Seiten gestreut werden, waren in ihrer Anfangszeit eher rar, bisweilen | |
| überwogen Gift und Galle. Claus Peymann, der zwei Jahre zuvor ans | |
| Burgtheater kam, ätzte damals, in drei Monaten müsse er wohl diese Bühne | |
| auch noch übernehmen. | |
| ## Performative Qualität ihres Auftritts | |
| Den sozialdemokratischen Kulturstadtrat Franz Mrkvicka, der sich Emmy | |
| Werner einst als frauenpolitischen Meilenstein in den Kopf gesetzt hatte, | |
| erklärten viele auch in seiner Partei zunächst für verrückt. Frauen, die | |
| etwas wollten, erhielten damals in Wien leicht ein solches Prädikat. Bei | |
| allen Errungenschaften der Moderne, die diese Stadt hervorgebracht hat, | |
| existieren hier zuweilen bis heute die Restformen eines eigentümlichen | |
| Sexismus mit freundlichem Antlitz, jener „Küss die Hand, Gnä’ Frau“-Sch… | |
| mit dem sich weibliche Ambitionen nonchalant ins Abseits befördern lassen. | |
| Emmy Werner hat früh wirksame Gegengifte fürs gesellschaftliche Parkett | |
| entwickelt. Den latenten Vorwurf an ambitionierte Frauen, „schwierig“ zu | |
| sein, konterkariert sie im expressiven Auftreten mit dem Image der | |
| „Streitbaren“, die zwar hart in der Sache loslegt, aber nie unversöhnlich | |
| gegen die Person auftritt | |
| Als pointensichere Nestroyspielerin weiß sie ohnehin regelmäßig die Debatte | |
| mit einem eleganten Bonmot zu ihren Gunsten zu entscheiden. Es ist die | |
| performative Qualität ihres gesamten Auftritts, die ihr auch nach der Zeit | |
| am Volkstheater Autorität und Durchschlagskraft verleiht, bis hin zur | |
| Extravaganz ihrer Kleidung und der meist roten, an den Rändern spitz | |
| zulaufenden Brille, ihrem Markenzeichen. | |
| Ihr Rollenmodell lehrt, wie sich der male gaze ein Stück weit unterlaufen | |
| lässt, der alle Zeichen, die weiblich konnotiert sind, sowohl fetischisiert | |
| als auch tabuisiert. Brav sein hilft jedenfalls nicht, defensiv reagieren, | |
| dezente Schminke und ein dunkelblauer Hosenanzug auch nicht. Die Botschaft | |
| an die Frauen kommender Generationen lautet vielmehr: Seid laut, seid nicht | |
| nett und erfindet euch immer wieder selbst! | |
| 4 Nov 2023 | |
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| ## AUTOREN | |
| Uwe Mattheiß | |
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