Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Schräge Umfrage zur Migrationspolitik: Radio Bremen bedient die AfD
> Radio Bremen formuliert eine Umfrage zur Migrationspolitik auf der
> Grundlage rechter Positionen. Das soll der AfD schaden – und erreicht das
> Gegenteil.
Bild: Wollte die AfD durch Kopieren entzaubern: die öffentlich-rechtliche Rund…
Radio Bremen hat brennende Fragen, genauer: Das Fernsehmagazin „buten un
binnen“ interessiert, wie zufrieden Menschen in Bremen mit der aktuellen
Asyl- und Migrationspolitik sind. Man denkt sich also Fragen aus und
Antwortmöglichkeiten und 5.579 Menschen, „Meinungsmelder“ aus Bremen,
Bremerhaven und Umland, antworten.
Ergebnis: 80 Prozent sind unzufrieden. Wenn auch aus einigermaßen
unterschiedlichen Gründen: Kriminalität, Rechtsruck, schlechte
Unterbringung. Der Flüchtlingsrat Bremen [1][kritisiert die Umfrage scharf]
als „tendenziös“ und als Beitrag zu einem „rassistischen Diskurs“. Jet…
hat der Flüchtlingsrat sogar eine Rüge beim Rundfunkrat erbeten.
Das ist mehr als richtig, denn die Umfrage bedient [2][rechte
Argumentationen] und ist schlicht nicht mit dem Programmauftrag der
Öffentlich-Rechtlichen vereinbar. Einige Fragen sind suggestiv („Auf einer
Skala von 0 bis 10: Wie groß ist Ihre Sorge über mögliche Folgen der
Migration?“), andere wollen menschenrechtsverletzende Forderungen
(„[3][keine Bargeldauszahlungen]“, „[4][EU-Außengrenzen schützen]“ od…
„[5][konsequenter Abschieben]“) bewertet sehen oder suggerieren, dass
Abschiebungen begrüßenswert seien („Wie gelingt aus Ihrer Sicht in Bremen
die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern und Asylbewerberinnen?“)
Andere Fragen produzieren uneindeutige Ergebnisse. Schon die zweite Frage
(„Wie zufrieden sind Sie mit der aktuellen Asyl- und Migrationspolitik im
Land Bremen?“) ist so ein Fall. Wer „überhaupt nicht zufrieden“ angibt,
kann entweder meinen, dass Geflüchteten zu viele Rechte zugestanden werden
oder dass die Asylrechtsverschärfungen falsch sind.
Für Frank Schulte, den Regionalchef von „buten un binnen“, ist diese
Vielfalt ein Beweis dafür, dass die Umfrage „sehr differenziert“ sei.
Genauso gut kann man argumentieren, dass hier völlig konträre Positionen in
den 80-Prozent- Topf der „Unzufriedenen“ geworfen werden.
Besonders gefährlich ist, dass die Umfrage rassistischen Unwahrheiten eine
Plattform bietet. Zwar ist der Artikel zur Umfrage von einem
Hintergrundbericht mit Zahlen und Fakten zu Migration und Flucht in Bremen
begleitet, trotzdem bleiben Aussagen von Befragten, die Unwahrheiten
enthalten, kommentarlos stehen. So sei „für viele“ der Befragten eine
„möglicherweise steigende Kriminalität“ besorgniserregend. Damit wird ein…
Behauptung Raum gegeben, die eine oft bemühte rassistische Erzählung
bedient und das ohne sachliche Einordnung.
Was falsch ist an dieser Umfrage, zeigt sich am deutlichsten bei der
klaffenden Leerstelle derjenigen, die nicht gefragt werden, die nicht zu
Wort kommen: Geflüchtete, Migrant*innen und migrantisierte Menschen
selbst. Deren Perspektiven tauchen in der Umfrage nämlich nicht auf. Die
Fragen richten sich offensichtlich an Nicht-Geflüchtete.
„Die Umfrage schließt ein Drittel der Bremer*innen aus“, kritisiert auch
der Flüchtlingsrat. Dadurch wird aktiv ein [6][„Othering“] betrieben, also
die Spaltung der Gesellschaft in „Wir“ und „die Anderen“. Im Fernsehbei…
von „buten un binnen“ über die Ergebnisse der Umfrage wird das besonders
deutlich. Wenn Geflüchtete auftauchen, dann ohne Gesicht, von hinten
gefilmt und: stumm.
Laut Rundfunkstaatsvertrag soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk die
„demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft“
erfüllen. Zu dieser Gesellschaft gehören alle, auch geflüchtete Menschen.
Dazu sagt Schulte in „buten un binnen“, dass die Perspektive von
Geflüchteten im Programm des Senders zur Genüge auftauche. Die Umfrage sei
ein wichtiges Zeichen für Menschen mit „bestimmten Meinungen“, die mitunter
das Gefühl hätten, dass diese ausgeblendet würden. Man müsse auch deren
Positionen aufnehmen, „um Rechtspopulisten ausschließen zu können“.
Hinter der ganzen Sache steckt also das alte Argument: der AfD schaden,
indem man rechten Positionen Raum gibt. Radio Bremen hat nach Meinungen
gefragt, wie wär’s damit: Rechte Inhalte übernehmen schwächt nicht Rechte,
sondern ist rechts. Punkt.
3 Nov 2023
## LINKS
[1] https://www.fluechtlingsrat-bremen.de/radio-bremen-stellt-menschenrechte-zu…
[2] /Flucht-und-Migration/!5959324
[3] /Leistungen-fuer-Gefluechtete/!5964646
[4] /Asylpolitik-der-EU/!5963104
[5] /Verschaerfte-Abschieberegeln/!5966568
[6] /Kolumne-Mithulogie/!5525687
## AUTOREN
Amira Klute
## TAGS
Radio Bremen
Schwerpunkt AfD
Asylpolitik
Schwerpunkt Flucht
Umfrage
Migration
Bündnis 90/Die Grünen
Protestforscher
Migration
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommunen vor dem Flüchtlingsgipfel: Niedersächsischer Optimismus
In Hannover will man weiterhin sagen: Wir schaffen das. Die Stadt will bis
Ende des Jahres eine Bezahlkarte für Geflüchtete einführen.
Grüne Migrationspolitik: Lieber investieren als kapitulieren
Auch die Grünen-Chefin fordert jetzt weniger Migration. Damit vollzieht die
Partei eine gefährliche Diskursverschiebung mit.
Protestforscher über ausbleibende Demos: „Risiko, im Abwarten zu versacken“
Wo bleibt angesichts des Rechtsrucks der Aufstand der Anständigen? Der
Protestforscher Dieter Rucht rät zu breiter und strategischer
Bündnisarbeit.
Verschärfte Abschieberegeln: Neue deutsche Härte
Die Bundesregierung heizt die Diskussion mit verschärften Abschieberegeln
weiter auf – und erntet Kritik. Doch was genau wurde beschlossen?
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.