# taz.de -- Konflikt beim IfW: Klimaforscher soll fliegen | |
> Droht das Institut für Weltwirtschaft Kiel einem Forscher mit Kündigung, | |
> weil er sich weigert zu fliegen? Manche vermuten andere Gründe. | |
Bild: Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel | |
MÜNCHEN taz | Der Klimaforscher Gianluca Grimalda will nach seinem | |
Forschungsaufenthalt in Papua-Neuguinea auf Wasser, Schiene und Straße nach | |
Deutschland zurückreisen – aus Klimaschutzgründen. Doch der Arbeitgeber des | |
Forschers, das Institut für Weltwirtschaft Kiel (IfW), verlangte vergangene | |
Woche von ihm, Montag in Kiel zu erscheinen. Da er sich weigerte, droht die | |
Kündigung. | |
Das IfW begründet das damit, dass Grimalda die angesetzte Dauer des | |
Forschungsprojekts überschritten habe und nicht an seinem Arbeitsplatz | |
erschienen ist. Die Abmahnung liegt der taz vor. Bisher habe es nie | |
Probleme gegeben, wenn ein Projekt mal länger dauerte, sagt der 51-Jährige | |
zur taz. „Nachdem ich die Abmahnung erhalten habe, konnte ich drei Nächte | |
nicht schlafen.“ | |
Den Menschen, die vor Ort unter den [1][Klimafolgen] leiden, habe er | |
versprochen auf seinen Reisen Klimaschäden zu minimieren. Weiße Menschen | |
würden in Papua-Neuguinea teils als giaman, als Betrüger*innen | |
bezeichnet. „I don’t want to giaman“, schreibt Grimalda auf der Plattform | |
X. Er könne unterwegs effektiv online arbeiten. Es gebe nichts, dass seine | |
Präsenz erfordere. Sein Angebot, für die Reise unbezahlten Urlaub zu | |
nehmen, habe das IfW abgelehnt und behalte bereits Gehalt ein. | |
Indes melden sich Unterstützer*innen zu Wort. Julia Steinberger, eine | |
der Autorinnen des [2][IPCC-Berichts] schreibt: „Es ist erstaunlich, dass | |
ein Forschungsinstitut einem Forscher droht, ihn zu kündigen, weil er | |
seinen Job zu gewissenhaft macht und weil er es vermeidet, während eines | |
Klimanotstandes zu fliegen.“ Niemals habe er mit so viel Unterstützung | |
gerechnet, sagt Grimalda. „Wenn ich so Aufmerksamkeit auf den Klimanotstand | |
lenken kann, bin ich bereit, meinen Job zu riskieren.“ | |
Manche Unterstützer*innen vermuten, dass die Abmahnung eher etwas mit | |
Grimaldas Klimaaktivismus für [3][Scientist Rebellion] zu tun hat. Auch | |
Grimalda berichtet, nach einer seiner Aktionen, habe man ihm im IfW zu | |
verstehen gegeben, man werde einen Weg finden, ihn zu kündigen, sollte er | |
weiterhin zivilen Ungehorsam leisten. Doch genau das tat er. | |
Das IfW schreibt auf Anfrage, man äußere sich prinzipiell nicht öffentlich | |
zu internen Personalangelegenheiten. Man unterstütze Beschäftigte aber, | |
klimafreundlich zu reisen und habe darin auch Grimalda unterstützt. | |
Weitgehend verzichte das IfW auf Flugreisen innerhalb der EU und | |
kompensiere den CO₂ Ausstoß der übrigen Flüge. Zu zivilem Ungehorsam | |
schreibt ein Sprecher: „Das Institut legt als öffentlicher Arbeitgeber | |
allerdings besonderen Wert darauf, dass sich seine Beschäftigten innerhalb | |
der Regeln bewegen, die der demokratische Rechtsstaat vorgibt.“ | |
Grimalda wird am Sonntag, vielleicht arbeitslos, ein Frachtschiff Richtung | |
Deutschland besteigen. „Ich hoffe, meine Entscheidung, trägt dazu bei, die | |
Wand der Apathie, Gleichgültigkeit und Gier zu durchbrechen, die die | |
globale Erwärmung umgibt“, sagt Grimalda. Aber auch: „Ich werde einen | |
großen Teil von mir verlieren, wenn mich das IfW feuert. Ich weiß nicht, ob | |
ich in meinem Alter und meiner Vorgeschichte nochmal einen Job als Forscher | |
finde.“ | |
6 Oct 2023 | |
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## AUTOREN | |
Moritz Müllender | |
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